Literatur:Weißbier und andere Leidenschaften

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Im Roman Bernd Schroeders treffen Münchner und Touristen im "Brauhaus" im Tal aufeinander. Hier ein Blick in die reale Traditionsgaststätte "Weißes Bräuhaus" im Tal. (Foto: Stephan Rumpf)

"Fast am Ende der Welt": Der Autor und Regisseur Bernd Schroeder hat einen Roman über zwei Münchner geschrieben, die ihre Stadt und deren Brauhaus lieben - und dennoch in die Stille Niederbayerns ziehen.

Von Antje Weber, München

Fünfzig Jahre lang hat der Josef in der Firma Eisen-Knapp gearbeitet, hat Schrauben verkauft und Kippdübel. Jetzt ist er in Rente, sitzt in seiner von einer Wohnbaugesellschaft halbierten Mietwohnung hinter dem Viktualienmarkt und hat viel Zeit für seine größte Leidenschaft: die Stille. Die ist in München allerdings rar, weswegen Josef sich schon vor Jahren die Stille eines nur leise blätterrauschenden Waldes auf Kassette aufgenommen hat und jeden Abend vor dem Schlafengehen anhört. Ansonsten frönt er seiner zweiten Leidenschaft: Zweimal in der Woche geht er ins "Brauhaus" im Tal, isst einen Schweinebraten, trinkt mindestens vier Weißbiere und gibt Touristen aus aller Welt Tipps zu Orten, die der Wirtshaushocker selbst nur vom Hörensagen kennt.

Im Brauhaus lernt er irgendwann den Attila kennen, der auch regelmäßig hier einkehrt, bei den "normalen Menschen", wie er sagt. Der gelernte Schreiner hat sich in der Münchner besseren Gesellschaft als findiger Trödel- und Antiquitätenhändler einen Namen gemacht und sich eine Künstlerattitüde und seltsame Kleidung zugelegt - "oben Loden Frey, unten längst überkommener Schwabinger Hippielook". Wir befinden uns, das sollte man endlich dazusagen, in Bernd Schroeders Roman "Fast am Ende der Welt" im München der ersten Jahre des neuen Jahrtausends; die Handlung setzt 2007 ein.

Es sind in manchem schon recht fern wirkende Zeiten, an die der 1944 geborene Regisseur und Autor zahlreicher Bücher, selbst aufgewachsen im oberbayerischen Fürholzen und inzwischen an die Ostsee abgewandert, in diesem nostalgischen Roman erinnert. Er schildert, vor allem die Männer in den Blick nehmend, ein Bussi-München der Stenze und Schlawiner mit ihren Gspusis, daneben aber eben auch die sogenannten normalen Leute, die Handwerker und Kellnerinnen. Die Hingabe, mit der Schroeder die verschiedenen Typen und Milieus zeichnet, macht diesen sehr bodenständigen Roman sympathisch; er ist chronologisch erzählt, direkt und schnörkellos in den Beschreibungen, lässt sich süffig runterlesen. Und auch den bairischen Sprachduktus trifft er insgesamt gut, auch wenn ein paar Kompromisse (Brezel statt Brezn) etwas wehtun.

Die Landschaft des Bayerischen Waldes mit Blick auf den Großen Rachel (r) und Kleinen Rachel. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Geschichte jedenfalls hat durchaus Sogkraft, denn sie greift ein Thema auf, das anhaltend aktuell ist: die Sehnsucht der Städter nach dem Landleben. Der Autor schickt die beiden alten Stammtisch-Brüder, den ehemaligen Schraubenverkäufer Josef und den Edel-Trödler Attila, in einer skurrilen Kombination gemeinsam auf die Suche nach einem Haus in der Stille. Sie finden es in Niederbayern, bei Mainkofen, sie richten es gemeinsam her, sie kommen dabei mit der lokalen Bevölkerung in engen Kontakt und mit der wuchernden Natur. Es ist dies also auch ein Roman über die nicht immer einfache Verwirklichung von Lebensträumen - und über ungewöhnliche Wahlfamilien.

Halten zwei alte Stadtzausel es denn zusammen auf dem Land aus? Das sei an dieser Stelle nicht erzählt, nur soviel: Die Wirtshäuser, insbesondere in München, üben weiterhin eine große Faszination auf die Freunde aus. Es wird viel Bier getrunken in diesem Roman, und aus manchen Zeilen scheint die Brauhaus-Luft geradezu zu dampfen. Bernd Schroeders "Fast am Ende der Welt" ist ein sehnsuchtsvoller Lobpreis bayerischer Lebensart und Wirtstradition. Einer Welt, die derzeit nur eingeschränkt erlebbar ist - und so stillt dieser Roman vielleicht ja den allerschlimmsten Durst nach einem anderen Leben.

Bernd Schroeder: Fast am Ende der Welt, Volk-Verlag München, 222 Seiten, 22 Euro.

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