Süddeutsche Zeitung

Band des Jahres:Rebellisch, nachdenklich und verletzlich

Welche Musiker fallen in München auf? Jeden Dienstag stellen wir auf der Junge-Leute-Seite die "Band der Woche" vor. Zehn, die in den vergangenen Monaten von sich reden machten, stehen nun zur Wahl für die "Band des Jahres" - ein Überblick

Von Elisabeth Fleschutz, Clara Löffler und Lisa Miethke

Für Pop aus München sind wir regelmäßig unterwegs: Wir schauen bei den Konzertbühnen dieser Stadt vorbei, wir besuchen Proberäume und durchkämmen das Internet - in Corona-Zeiten noch mehr als sonst. Von daher wissen wir meist, welche Bands in München auffallen und von welchen Bands man in Zukunft hören wird - nachzulesen jeden Dienstag in unserer Rubrik "Band der Woche". Ende des Jahres gehen wir einen Schritt weiter. Wir haben zehn Bands ausgesucht für die Wahl zur "Band des Jahres".

AdyB

Man muss nicht gleich die ganze Welt verändern. Es reicht, wenn man bei sich selbst anfängt. Diese Botschaft will Adrian But alias AdyB in seiner Musik vermitteln. In seinen Songs rappt der gebürtige Rumäne über Gerechtigkeit, etwas, das ihm in seinem Heimatland nur selten widerfahren ist. Immer nachdenklich, oft kritisch. Damit fährt Adrian bislang ziemlich gut, seine Streamingzahlen haben sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Aber: "Ich mache Musik nicht, um irgendein Superstar zu werden. Ich will zuerst inspirieren und mich selbst therapieren."

Blushy AM

Drei Songs hat Blushy AM bisher veröffentlicht, alle machen Lust auf mehr. Ihr Genre ist Indie-Pop, ihre Musikvideos bunt wie eine Pride-Flagge. Da trägt sie einen Rucksack voller Zitronen oder tanzt im Schlangenoutfit auf einer sich drehenden Schallplatte. Dass sie vier Jahre lang Ballett studiert hat, kann man sich beim Zuschauen kaum vorstellen. "Ich habe jahrelang den ganzen Tag den Mund gehalten, jetzt hab ich da keine Lust mehr drauf", sagt Kristina Moser, die hinter Blushy AM steckt.

Cashmere Caramel

Cashmere Caramel - der Name klingt weich, warm, nach Wohlfühlen. Jan te Kocks Tracks sind tatsächlich poetischer, melancholischer, als man es von Deutschrap sonst gewohnt ist. Und doch haben die Songs Schwung, es geht unter anderem um das Leben in der Stadt, durch die er vor Corona ständig zog und "überall, wo Ohren waren" rappte.

Emmerich

Als Teil der Band Blackout Problems ist Moritz Hammrich schon fast ein Urgestein auf den Bühnen Münchens und darüber hinaus. Neu hingegen ist sein Soloprojekt Emmerich, das zu Corona-Zeiten als Challenge begann und sich nun in einer EP manifestiert hat. Sie heißt "Ufo Emo" und macht dem Pop-Punk-Genre alle Ehre. Jeder Song beschreibt eine andere Phase in Moritz' Leben, er singt über traurige Lieder, über einen wiederkehrenden Albtraum und über vergangene Freundschaften. Vor Emotionen schreckt der Musiker nicht zurück: "Ich lasse gerne Traurigkeit oder Einsamkeit auf mich wirken, um mich auf irgendeine Art und Weise inspirieren zu lassen", sagt er. Auch mit seinen Bandkollegen hat er einen Song aufgenommen; "Amilya" wurde bereits mehr als 155 000-mal auf Spotify angehört.

Julez and Barska

Musikliebe auf den ersten Blick, so könnte man Julia Winklers und Barbara Buchbergers erstes Aufeinandertreffen beschreiben. Inzwischen machen sie als Julez and Barska Musik im Singer-Songwriter-Stil. Emotionale Texte, klare Stimmen mit akustischer Begleitung. Im Herbst 2021 machte das Duo bei "The Voice of Germany" mit, verließ die Show aber im Achtelfinale. "Schließt sich eine Tür, öffnet sich eine andere", schreiben die beiden dazu auf Instagram.

Malva

Noch steht Malva Scherers Debüt auf Münchens Bühnen aus. Pandemiebedingt konnte die 20-Jährige bislang nicht auftreten. Doch hat sie die freie Zeit nach ihrem Schulabschluss genutzt, um zu schreiben. Drei Seiten schreibt Malva jeden Tag, ihr Notizbuch nimmt sie überall mit hin. Dabei herausgekommen sind Songs wie "i drank your texts earlier that night", ein trauriger Song, er handelt von Einsamkeit in Gesellschaft. Die Stimme der Singer-Songwriterin klingt zart und verletzlich, genauso wie die Gitarrenklänge. Zusammen ergibt das einen Sound, der es verdient hat, die vier Wände von Malvas Zimmer zu verlassen und von ganz großem Publikum gehört zu werden.

Not A Rapper

"Alles andere als ein Rapper", das ist Rafaela Bucher, die über Operngesang zur Musik fand. Der Name Not a Rapper ist Programm, gemeinsam mit Sascha Gontcharov, Not a Producer, schafft sie Hip-Hop-Ohrwürmer, bei denen der Gesang im Vordergrund steht. Auch Sascha kommt aus der klassischen Musik. Inzwischen hat das Duo vier Singles mit aufwendigen, detailreichen Musikvideos veröffentlicht.

Siamese Twin

Manche Musiker warten ein Leben lang auf einen Plattenvertrag, Tianping Christoph Xiao, 21, hat einfach gleich selbst ein Plattenlabel gegründet. "NakedNuns" heißt es. Seit einem Jahr veröffentlicht er dort als Siamese Twin eigene Songs und belebt damit ein Genre wieder, das in Vergessenheit zu geraten drohte: Shoegaze. Doch so nostalgisch die Musik auch klingen mag, Christophs Texte sind fest im Hier und Jetzt verankert: Sie handeln von Einsamkeit, dem Erwachsenwerden und vom Weltraum - Themen, mit denen sich viele Menschen in seinem Alter identifizieren dürften.

Van Damme 38

Scientific-Slacker-Krautpop nennen Maria Moling und Matilda Pfeiffer das Genre, das sie mit ihrer Band Van Damme 38 bedienen. "Wir nehmen aktuelle Themen aus der Wissenschaft und machen damit Musik", erklärt Matilda, die Neurowissenschaften studiert. Ihre erste Single "Alles auf Pause" findet Anleihen bei Stephen Hawking ebenso wie beim Lebensgefühl vieler Menschen in den vergangenen knapp zwei Jahren, wenn sie singen: "Alles auf Pause, jeder ist zu Hause." Aber nicht nur ihre Musik ist einzigartig, sondern auch ihre Kostüme der Designerin Sonja Schamann. Die roten Pelzkostüme sollen ein Statement gegen die Sexualisierung von Musikerinnen setzen.

Uschi

Charlotte Scheidegger, Sophie Neudecker und Vincent Mundinger nehmen sich selbst nicht allzu ernst. Ihre Punkband Uschi ist ein "Spaßprojekt", sagen sie. Sie kennen sich alle schon seit mindestens zehn Jahren. Die Songs auf ihrem ersten Album "Eine schwierige Entscheidung" tragen Titel wie "KnäckerKnacker" oder "Edgie's Socks". Ihr Motto ist: "Alles ist Uschi". Doch die Botschaft dahinter hat es in sich, es geht ihnen um Gleichberechtigung und Inklusion. Sowohl vor als auch hinter der Bühne. Deshalb holen Uschi immer wieder andere Künstlerinnen und Künstler auf die Bühne und veranstalten "Zombie Sessions", eine Konzertreihe auf Non-Profit- und DIY-Basis.

Die Abstimmung zur Band des Jahres der Junge-Leute-Seite erfolgt in drei Schritten. In unserem Instagramfeed (@szjungeleute) findet sich zu allen Künstlern und Künstlerinnen ein Post. Hier kann man seinem Favoriten bis zum 11. Januar 2022 ein Like geben. Die vier Bands, deren Posts am meisten Likes erhalten, kommen eine Runde weiter und präsentieren sich dann von Dienstag, 18. Januar, bis Freitag, 21. Januar, in unseren Instagram-Stories. Anschließend werden die Künstler und Künstlerinnen von einer Fachjury, bestehend aus Autoren und Autorinnen der Junge-Leute-Seite sowie Musikerinnen, Musikern und Fachleuten aus der Münchner Musikszene bewertet. Bekanntgegeben, wer unsere Band des Jahres ist, wird dann am 1. Februar.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5496646
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/mbr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.