Münchner Rapper:"Ich habe einen guten Draht zu den schwer erziehbaren Jungs"

Lesezeit: 4 min

Kandala Nzanzala liebt sein Viertel: Er hat noch nie an einem anderen Ort als Neuperlach gelebt. (Foto: Robert Haas)

Kandala Nzanzala ist in Neuperlach aufgewachsen - und hat den Stadtteil nie verlassen. Als Rapper und Tiktok-Star "Großes K" erzählt er von seinem Leben und gibt jungen Leuten mit, wie es auch ohne Gewalt und Drogen geht.

Von Patrik Stäbler, München

Kandala Nzanzala hat soeben ein spätes Frühstück - eine Leberkässemmel und zwei Capri-Sonnen - verdrückt, als sich ihm von schräg hinten ein Mädchen nähert. "Entschuldigen Sie", sagt die vielleicht Zwölfjährige sichtlich verschüchtert, "sind Sie bei TikTok?" Einen Meter hinter ihr stehen kichernde Freundinnen.

Bei dieser Frage muss Kandala Nzanzala lächeln. Dann dreht der 47-Jährige seinen kräftigen Oberkörper, der heute in einem üppigen Footballtrikot steckt, zu dem Mädchen um und nickt. Worauf dieses begeistert von diesem und jenem Video erzählt, das sie auf seinem Kanal gesehen hat. Die beiden reden noch eine Weile, hier vor dem Backshop im grauen Sudermann-Zentrum in Neuperlach. Dann trottet das Mädchen zu ihren Freundinnen zurück, während Nzanzala ihm nachschaut und murmelt: "Das kommt jetzt immer öfter vor, dass Leute mich wegen TikTok ansprechen - und nicht wegen meiner Musik."

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Kein Wunder, schließlich folgen dem Münchner, der auf dem Videoportal unter seinem Künstlernamen Großes K vor allem Comedy-Clips postet, gut 100000 Menschen bei TikTok. Das sind etwa doppelt so viele wie in Neuperlach leben, wo Kandala Nzanzala gefühlt jeden Zweiten kennt. Und wo noch mehr ihn kennen, weshalb ihm der Vater eines Freundes schon vor 20 Jahren den Spitznamen "Bürgermeister von Neuperlach" verpasst hat. Ein Titel, den der hier Geborene, hier Aufgewachsene und immer noch hier Lebende seither nicht ohne Stolz trägt. Schließlich hat nicht nur sein Viertel ihn geprägt, sondern Nzanzala prägt auch zunehmend sein Viertel. So drehen sich viele Texte des Rappers Großes K um Neuperlach und das Leben dort. Er engagiert sich hier kulturell und sozial, ist im Vorstand des Vereins "Kulturbunt Neuperlach" und Basketballtrainer für Jugendliche am Sonderpädagogischen Förderzentrum. "Ich will den Leuten und auch meinem Viertel etwas zurückgeben", sagt Nzanzala und klingt nun tatsächlich wie ein Rathauschef. "Und ich will meinen Stadtteil ein Stück weit mitformen."

Neuperlach ist grüner als andere Stadtteile - und weitläufiger

Wie es dort früher zuging und heute zugeht, davon will der "Bürgermeister" bei einer Radtour durch sein Viertel erzählen. Schließlich sei Neuperlach nicht nur grüner, sondern auch weitläufiger als andere Stadtteile, sagt Nzanzala vor dem Shaere, einem Zwischennutzungsprojekt für Bildung und Kultur in einem früheren Bürogebäude. Dort hat der Rapper sein Studio, in dem er auch Songs für sein neues Album "Drei bärenstarke Typen" produzierte. Seit mehr als 20 Jahren macht Nzanzala Musik; den Anstoß gegeben habe einst ein Workshop im Neuperlacher Freizeitheim, erzählt er. Unter anderen ist er als Warm-up bei Konzerten von Stars wie Sido oder Busta Rhymes aufgetreten. Dennoch blieb der Durchbruch in Form eines großen Plattenvertrags aus. "Obwohl ich kurz davor war", versichert Kandala Nzanzala.

In seinen Texten verarbeitet der Rapper vornehmlich das, was er in seinem Alltag in Neuperlach erlebt. Einen Einblick in diesen will er nun bei dieser Rundfahrt geben. Als er sich auf den Sattel seines Mountainbikes schwingt, ächzt es leise. 130 Kilo bringt der einstige Footballer, der auch hochklassig Basketball beim MTSV Schwabing gespielt hat, auf die Waage. Es ist vorwiegend Muskelmasse, was den 1,90-Meter-Mann zu einer eindrücklichen Erscheinung macht. Vielleicht auch deshalb hätten die Polizisten in seiner Jugend einmal vergeblich versucht, ihm Handschellen anzulegen, sagt Nzanzala grinsend, während es an der Neuperlacher Polizeistation vorbeigeht. Allerdings waren die Beamten damals gar nicht hinter ihm her. Sie hatten ihn verwechselt.

Allein wegen Heroin hat er mehr als 15 Freunde verloren

Als Teenager sei er durchaus auch in Konflikt mit dem Gesetz gekommen, erzählt Nzanzala. Damals sei es in Neuperlach noch anders zugegangen als heute: härter, wilder, gefährlicher. Schlägereien seien an der Tagesordnung und Drogen allgegenwärtig gewesen. "Allein wegen Heroin habe ich mehr als fünfzehn Freunde verloren", sagt Nzanzala. Oder wie er in in seiner Hymne an Neuperlach (NPL), in seinem Song "NPL Anthem" rappt: " Dennoch gingen viele Jungs drauf/Heroin im Umlauf/Mit dreißig Mann am Pep hängen/dreißig Gramm zum Stress hemmen/Und ist die Polizei im Anmarsch, wegrennen."

Viel Sport und die Erziehung der Mutter haben ihm geholfen

Ihm selbst hätten zwei Dinge geholfen, um nach einer wilden Teenagerzeit wieder in die Spur zu kommen, sagt Nzanzala. Erstens der Sport. Und zweitens seine Mutter, die ihn "gut erzogen" habe. Der Vater hatte sich früh davongemacht. Statt wie viele Freunde eine Karriere in der Halbwelt einzuschlagen, machte Nzanzala eine Lehre als Industriemechaniker, arbeitete bei BMW und Siemens und kam nach dem Zivildienst zum Bayerischen Rundfunk. Dort ist er heute noch als Lichtdesigner tätig. "Das Wichtigste ist eine gute Ausbildung. Das sage ich auch den Jugendlichen immer", betont Nzanzala, während er am Sonderpädagogischen Förderzentrum vorbeiradelt, wo er seit fünf Jahren Basketballtraining gibt. "Ich habe einen guten Draht zu den schwer erziehbaren Jungs", sagt er. "Vielleicht auch, weil sie merken, dass ich weiß, wovon ich rede." Dazu noch mal aus seiner "NPL Anthem": " Vom Saulus zum Paulus/Ex-Gangster wird Sozialarbeiter/Und setzt sich für Neuperlachs Jugend ein."

Nun geht es vorbei an seiner früheren Schule und in Richtung Ostpark - im Schatten mehrerer Hochhäuser. "Wer die nicht mag, der soll aufs Land ziehen", sagt Nzanzala mit Blick auf die Betonburgen. Er selbst hat - obschon seine Mutter aus Lenggries stammt, der Vater ist aus dem Kongo - keinerlei Probleme mit den stadtteilprägenden Hochhäusern. Ohnehin sei Neuperlach "der schönste Ort in ganz München", konntert der eher nicht unparteiische Bürgermeister negative Kommentare. "Neuperlach ist ein eigener Kosmos. Man hat hier alles, was man braucht", sagt Nzanzala. "Außerdem ist es extrem grün, man ist gleich im Wald und in einer Stunde in den Bergen." Und der Ruf des Viertels als sozialer Brennpunkt? Bei dieser Frage schüttelt er nur leise den Kopf. "Heute ist es hier viel ruhiger als früher. Wenn du um 22 Uhr draußen unterwegs bist, dann sieht du keinen Menschen." Das liege auch daran, dass sich das Leben der Jugendlichen verändert habe, sagt Nzanzala. "Die bleiben mehr daheim und hängen am Handy rum. Die ganze Gesellschaft ist gesichtsloser geworden, viele vereinsamen auch. Das ist eine beunruhigende Entwicklung, finde ich."

Er will sich auch in Zukunft für sein Viertel einsetzen - und für die jungen Leute hier

Es sind dies nachdenkliche Worte zum Schluss einer Rundfahrt, die nahe Nzanzalas Wohnung im betongrauen Sudermann-Zentrum endet - bei Capri-Sonne, Leberkässemmel und einem TikTok-Fan. Was die Zukunft für den Bürgermeister von Neuperlach bereithält? Er wolle viel Musik machen, vermehrt mit Jugendlichen, sagt Nzanzala. Außerdem weiter Basketball spielen, Kulturprojekte anstoßen und sich für sein Viertel einsetzen. " Was ist für mich Zusammenhalt?", fragt Großes K im Song "NPL Anthem". Und antwortet: " Naja, ich werd mit meinen Homies hier zusammen alt/Und das ist NPL, das ist 8-3 der Stadtteil/Sag, was du willst, doch das hat Style."

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