Süddeutsche Zeitung

Neuperlach:Wie aus einem Betonklotz ein Stadtquartier werden soll

Architekten wollen einen ehemaligen Bürokomplex der Allianz in neun Gebäude teilen, die mit einem Netz aus Gassen verbunden sind. Insgesamt sollen im "Fritz District" 110 000 Quadratmeter Fläche für Wohnungen und Gewerbe entstehen.

Von Patrik Stäbler

"District 9" ist ein preisgekrönter Science-Fiction-Film aus dem Jahr 2009, in dem es - kurz gesagt - um insektoide Außerirdische geht, die auf der Erde gestrandet sind. Was einen direkt nach Neuperlach bringt, in die Fritz-Schäffer-Straße 9, wo aktuell noch das frühere Allianz-Bürogebäude steht. Nun sind in dem gewaltigen Betonkomplex nicht etwa Aliens untergebracht, sondern seit Herbst 2021 die Bildungslandschaft Shaere als Zwischennutzung.

Mittelfristig jedoch will der Grundstückseigentümer, die US-Immobilienfirma Hines, dort ein neues Stadtquartier errichten. Als Grundlage hierfür soll ein städtebaulicher Entwurf des Architekturbüros Site Practice aus Amsterdam mit den Landschaftsarchitekten von ZUS aus Rotterdam dienen, der nicht nur auf den Namen "Fritz District" hört. Sondern die Pläne sehen auch just neun Gebäude vor.

Mit dem Scifi-Film "District 9" habe all dies aber nichts zu tun, versicherte Architekt David Schmidt von Site Practice bei der Präsentation des Entwurfs im Shaere. Dorthin hatte der US-Konzern Hines geladen, um die Ergebnisse des städtebaulichen Wettbewerbs für das Areal vorzustellen. Außen vor bleibe dabei das Haus 2 genannte Gebäude im Westen des Grundstücks, das derzeit saniert wird, ehe Ende dieses Jahres die ersten Mieter einziehen, erklärte Hennig Kiesewetter, Construction Manager bei Hines. Während dort ausschließlich Büronutzung, eine Kita sowie Lokale im Erdgeschoss vorgesehen sind, soll auf dem Gelände des östlichen Gebäudes - dort also, wo aktuell das Shaere residiert - ein Stadtquartier mit Büros, Einzelhandel, Gastronomie und circa 200 Wohnungen entstehen.

"Vor einigen Jahren hätten wir so ein Bauwerk noch abgerissen und was Neues gebaut", sagte Architektin Ina Laux, die Vorsitzende des Preisgerichts. Doch inzwischen habe ein Umdenkprozess eingesetzt. "Wir können uns nicht mehr erlauben, so ein großes Gebäudes einfach abzureißen." Daher sei eine wesentliche Aufgabe des Wettbewerbs gewesen, Teile des Bestands sinnvoll zu erhalten.

Der siegreiche Entwurf des Büros Site Practice habe hier einen "einzigartigen Ansatz" entwickelt, lobte Laux. "Sie haben das Gebäude wie mit einer Schneiderschere aufgetrennt." Dadurch würden insgesamt neun einzelne Baukörper entstehen, mit einem Netz aus Gassen dazwischen. Diese "Stadtstruktur" habe die Jury überzeugt, sagte die Vorsitzende. Schließlich sei es das erklärte Ziel gewesen, aus einem "großen Büromonolithen" ein Quartier zu entwickeln, "das sich öffnet und zugänglich für alle ist".

Im Zentrum des Siegerentwurfs steht der freigestellte Kern des bisherigen Gebäudes, "Fritz 9" genannt. Er solle künftig als "Mitte des Quartiers" dienen und unter anderem für kulturelle Zwecke genutzt werden, erklärte Laux. So könnten hier das Shaere und die angegliederte Community Kitchen eine dauerhafte Heimat finden. "Wir wollen diese Nutzungen am Ort verstetigen", bekräftigte Christian Meister, Managing Director bei Hines. "Sie sind zu einem Ankerpunkt geworden, den wir langfristig erhalten wollen - allerdings in reduziertem Umfang."

Rund um das Fritz 9 sieht der Siegerentwurf acht weitere Gebäude unterschiedlicher Form und Größe vor - "in manchen wird gearbeitet, in manchen wird gewohnt", sagte Architekt David Schmidt. "Das ist wie ein kleiner Mikrokosmos im Stadtteil." Die sechs- bis 16-stöckigen Bauwerke sollen bis zu 50 Meter hoch werden; dem städtischen Eckdatenbeschluss vom vergangenen Sommer zufolge ist auf dem 3,3 Hektar großen Gesamtareal eine Geschossfläche von 110 000 Quadratmetern vorgesehen.

Allein diese Zahlen hatten vielerorts Befürchtungen geweckt, dass dort allzu dicht und allzu hoch gebaut sowie mit Grünflächen gespart werden könnte. Im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach warnten mehrere Mitglieder vor einer "Schluchtenbildung". Tatsächlich wirkt das Modell des Siegerentwurfs nun so, als sei der Wunsch nach möglichst viel Baumasse oberste Prämisse gewesen. Allerdings sind die vorliegenden Pläne noch kein finales Ergebnis, sondern "ein städtebauliches Konzept, aus dem wir jetzt eine Architekturplanung machen", sagte Ina Laux.

Dies soll bis Ende Mai in der zweiten Phase des Workshop-Verfahrens geschehen. Beteiligt daran werden nicht nur die Urheber des Siegerentwurfs sein, sondern auch drei weitere Büros, deren Einreichungen im Wettbewerb auf den Plätzen zwei bis vier landeten. Am Ende des Workshops solle dann ein Masterplan stehen, mit dem man in die Bauleitplanung gehen werde, sagte Hennig Kiesewetter. Diese könnte "idealerweise" Anfang 2025 abgeschlossen sein.

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