Neuperlach:Kontaktladen Pedro startet neu

Lesezeit: 3 min

Nach Jahren im Provisorium zieht der Kontaktladen Pedro nun in einen Neubau in Neuperlach. (Foto: Florian Peljak)

Die Anlaufstelle für Drogenabhängige war vier Jahre in einem Provisorium untergebracht. Nun feiert der Kontaktladen die Eröffnung seiner neuen Räumlichkeiten in der Von-Knoeringen-Straße.

Von Patrik Stäbler

Vor 15 Jahren, erzählt Eli, eine schmale Frau mit dunklen, kurzen Haaren, sei sie hier auf allen Vieren reingekrochen. Der Alkohol hatte sie zerstört, physisch wie psychisch. Familie und Freunde hatten sich von ihr abgewendet. "Ich war mehr tot als lebendig", sagt die 50-Jährige und zieht ihre Augenbrauen zusammen, als bereite ihr die Erinnerung körperliche Schmerzen. "Doch ich bin wieder aufgestanden."

Als wichtige Stütze erwies sich dabei eine Einrichtung, die sie bis heute regelmäßig besucht: der Kontaktladen Pedro des Vereins Condrobs in Neuperlach. Seit 1997 dient er als Anlaufstelle für Menschen, die Drogen nehmen oder substituieren. Sie bekommen hier auch Beratung und psychosoziale Betreuung, vor allem aber praktische Hilfe "zur Verbesserung der individuellen Lebenssituation", wie es Susanne Taubmann, die Einrichtungsleitung, ausdrückt. Bedeutet: Hier gibt es ein warmes Mittagessen für einen Euro, dazu Lebensmittel und Getränke von der Münchner Tafel, einen Computer, eine Waschmaschine und eine Dusche sowie Kondome und saubere Fixerspritzen.

Mehr als 20 Jahre lang war der Kontaktladen Pedro in der Ollenhauer Straße hinter dem Einkaufszentrum Pep beheimatet. Doch dann wurde der Mietvertrag nicht mehr verlängert - angeblich wegen Klagen aus der Nachbarschaft, die jedoch niemand bestätigen konnte. In der Folge suchte Condrobs vergeblich nach einer neuen Heimat. Erst im letzten Moment kam die Einrichtung 2019 im Keller des kirchlichen Stephanszentrums im Neuperlacher Wohnring unter - interimsweise, wie es hieß.

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"Doch aus Monaten wurden Jahre", sagt Taubmann, die an diesem Vormittag in der Von-Knoeringen-Straße nahe dem Bahnhof Neuperlach Zentrum steht - und gerade sehr glücklich ist. Der Grund hierfür ist das Gewofag-Gebäude vor ihr, auf das sie nun ihren Zeigefinger richtet und sagt: "Endlich sind wir raus aus dem Provisorium und haben wieder ein Zuhause. Die Räume sind toll. Meines Wissens ist das der erste Kontaktladen, der in einen Neubau zieht. Das zeigt die Wertschätzung für unsere Arbeit - und die Wertschätzung für unser Klientel."

An diesem Donnerstag feiert der Kontaktladen die Eröffnung seiner neuen Räumlichkeiten, die laut Taubmann "kein Vergleich mit dem bisherigen Provisorium sind". Dort befand sich beispielsweise das Büro für die vier Beschäftigten im gleichen Zimmer wie die Küche, wo die Mahlzeiten für die Drogensüchtigen zubereitet wurden. Oder genauer gesagt: die vier Kochplatten, auf denen dies geschah. "Im Gegensatz dazu haben wir hier - finanziert durch Spenden - eine professionelle Gastroküche", sagt Taubmann und deutet auf den Bereich hinter einem Tresen, wo Eli gerade Gemüse schnippelt. Sie war jahrelang Klientin des Kontaktladens, inzwischen hilft sie hier im Rahmen eines Beschäftigungsprojekts mit.

Einrichtungsleitung Susanne Taubmann freut sich sehr über die neuen Räumlichkeiten. (Foto: Florian Peljak)

Was sie von den neuen Räumlichkeiten halte? Auf diese Frage antwortet Eli nur mit einem langgezogenen "Wow!". Wobei man bei aller Begeisterung nicht vergessen dürfe, sagt Susanne Taubmann, wie schwierig und langwierig die Suche nach einer dauerhaften Bleibe gewesen sei. "Bei marginalisierten Gruppen ist es für die Träger solcher Einrichtungen schier unmöglich, Räume zu finden", betont sie. Neben den hohen Mieten in München erschwerten die fehlende Lobby und der schlechte Ruf von Drogensüchtigen die Suche.

Auch am neuen Standort protestierten, kaum dass die Pläne durchgesickert waren, die umliegenden Eigentümer mittels einer Online-Petition gegen den Einzug des Kontaktladens. In der Folge wurden mehrere Runde Tische anberaumt, erzählt Taubmann. Unter anderem kam man dort überein, dass die Einrichtung eine andere Fläche in dem Gebäude zugeteilt bekommt. "Das sollte gewährleisten, dass unsere Klienten auf ihrem Weg von der U-Bahn nicht am Spielplatz der Anlage vorbeikommen."

Im Kontaktladen gibt es nun eine professionelle Küche. (Foto: Florian Peljak)

Sie betont, dass sie die Ängste der Nachbarn durchaus nachvollziehen könne - einerseits. Andererseits gebe es nun mal einen großen Bedarf nach solchen Hilfseinrichtungen, und der sei in den vergangenen Jahren gestiegen. Folglich werde der Kontaktladen am neuen Standort auch an vier statt wie bisher an drei Tagen geöffnet haben. Dazu kommen als weitere Angebote ein Frauen-Frühstück und an zwei Vormittagen pro Woche eine offene Beratung.

"Wenn es Einrichtungen wie diese nicht gäbe, dann würden sich die Probleme auf die Straße verlagern", ist Susanne Taubmann überzeugt. Durchschnittlich 60 Drogensüchtige und Substituierende pro Öffnungstag hätten den Kontaktladen in der Ollenhauer Straße besucht. Nach dem Umzug ins Provisorium sei diese Zahl deutlich geringer geworden. "In unseren neuen Räumen gehe ich davon aus, dass es wieder mehr werden", sagt die Leiterin. Ihnen wolle man auch hier "in erster Linie Überlebenshilfe bieten" - so wie dies bei Eli der Fall war. "Der Kontaktladen hat mir geholfen, wieder auf die Beine zu kommen", sagt die 50-Jährige. "Das war für mich eine wichtige Anlaufstelle in einer Zeit, in der ich ganz allein war."

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