Süddeutsche Zeitung

Neuperlach:Schlupflöcher im Baurecht

Ein neues Haus mit bezahlbaren Wohnungen, Läden und Praxen: Einerseits freuen sich die Lokalpolitiker über die Pläne für ein Grundstück am Gustav-Heinemann-Ring. Andererseits steht keineswegs fest, dass der Investor am Ende tatsächlich umsetzen wird, was er ihnen präsentiert hat

Von Hubert Grundner, Neuperlach

Auch wenn Neuperlach ein relativ junger Stadtteil ist, hat es auch schon mehr als 50 Jahre auf dem Buckel. Und das geht inzwischen an die Substanz: Gebäude müssen saniert und modernisiert werden, falls man sie nicht gleich durch Neubauten ersetzt und sie einer neuen Nutzung zuführt - eine Entwicklung, die sich gerade bei Gewerbeimmobilien beobachten lässt. Insofern stellt das Haus am Gustav-Heinemann-Ring 125 vermutlich ein gutes Beispiel dar, womit sich der Bezirksausschuss (BA) Ramersdorf-Perlach in Zukunft vermehrt befassen muss: Der Bauherr will das bislang gewerblich genutzte Gebäude abreißen lassen und durch ein Wohngebäude ersetzen.

Vorgestellt hatte der Bauherr sein Vorhaben im BA-Unterausschuss Bauvorhaben, Stadtplanung und Stadtentwicklung. Dessen Vorsitzender Wolfgang Thalmeir (CSU) informierte nun seinerseits die Kolleginnen und Kollegen im BA darüber. So liege das Grundstück im Bereich eines gültigen Bebauungsplans, der als Nutzung ein Kerngebiet vorsehe. Geplant sei neben einer möglicherweise zweigeschossigen Tiefgarage ein Wohngebäude mit insgesamt sieben Geschossen, wobei im Erdgeschoss an Ladennutzungen und Praxen gedacht sei.

Die Befreiung von der bislang gültigen Geschossflächenzahl (GFZ) und Anzahl der Geschosse habe sich der Bauherr bereits über einen Vorbescheid, der noch eine Nutzung als Schulgebäude der Stadt München vorsah, "quasi gesichert". Thalmeir zufolge will der Bauherr nun im nächsten Schritt auch noch zusätzlich die vollständige Wohnnutzung für das Gebäude genehmigt bekommen. Sein Argument: Er könne die bis zu maximal 30-prozentige Wohnnutzung im Kerngebiet einhalten, weil sich diese Quote auf das ganze Gebiet beziehe und alle anderen Grundstücke im Umgriff gewerblich genutzt seien. Was wiederum Thalmeir zu dem Kommentar veranlasste: "Ob sich die Quote der Wohnnutzungen im Kerngebiet auf das einzelne Grundstück oder das gesamte Gebiet bezieht, ist tatsächlich eine interessante Rechtsfrage, zu der es unterschiedliche Meinungen gibt."

Unterschiedlich fielen auch die Urteile der Lokalpolitiker zu dem Projekt aus. So begrüßte einerseits eine Mehrheit den Bau von Wohnungen alleine schon wegen des erheblichen Bedarfs. Der Bauherr müsse auch geförderten Wohnraum schaffen und die verkehrliche Erschließung sei sehr gut. Die Ladennutzungen sowie die vorgesehenen Praxen deckten den Bedarf im Gebiet und führten zu einer deutlichen Aufwertung der Maximilian-Kolbe-Allee.

Andererseits wurden aber auch, so Thalmeir, erhebliche Bedenken geäußert. Der Bauherr habe sich bisher bereits durch die geschickte Ausnutzung von Vorbescheiden und verschiedene angedachte Nutzungen eine Befreiung von den Vorgaben des Bebauungsplans bezüglich der Anzahl der Geschosse und der einzuhaltenden Geschossflächenzahl gesichert. Obendrein werde ihm vielleicht auch noch die Wohnnutzung im Kerngebiet genehmigt. Wobei nach Auffassung der BA-Mitglieder in keiner Weise gesichert wäre, dass der Investor auch das baut, was er vorgestellt hat, nämlich Wohnungen, noch dazu mit einer hohen Quote an gefördertem Wohnraum.

"Es wäre nicht überraschend", warnte Thalmeir in seinem Bericht, "wenn das Projekt noch durch mehrere Hände geht und von Investor zu Investor weitergereicht wird, ohne dass tatsächlich qualitativ hochwertiger Wohnraum letztendlich entsteht". Dies wäre wohl nur durch eine Änderung des Bebauungsplans abzusichern. Ein Schritt, zu dem der BA nun die Stadt aufgefordert hat. Alternativ wollen die Lokalpolitiker, ehe sie dem Projekt ihre Zustimmung erteilen, die Verwaltung prüfen lassen, ob ein städtebaulicher Vertrag mit dem Bauherren die Lösung sein könnte.

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SZ vom 20.04.2021/van
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