Studie der Technischen Universität:Leistet das Neun-Euro-Ticket einen Beitrag zur Verkehrswende?

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Obwohl es das Neun-Euro-Ticket gibt, kaufen tausende Menschen in Deutschland trotzdem teurere Monatskarten (Foto: Felix Hörhager/dpa)

Wissenschaftler werden in den kommenden Wochen in München ganz genau hinsehen, wie viele Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen.

Von Alfred Dürr

Er hat sich sein Neun-Euro-Ticket gleich am Montagmorgen aus dem Fahrscheinautomaten gezogen und zeigt es freudig vor. Klaus Bogenberger leitet den Lehrstuhl für Verkehrstechnik an der Technischen Universität München (TUM) und erwartet positive Auswirkungen auf den öffentlichen Nahverkehr. Er findet es "sehr gut, dass es jetzt diesen Fahrschein gibt".

Aber auf sein Gefühl allein will und kann er sich nicht verlassen. Pünktlich zur Einführung des Neun-Euro-Tickets werden München und die nähere Umgebung zum Schauplatz einer groß angelegten Untersuchung zur Mobilität. Ein Forschungsteam um Bogenberger geht der Frage nach, welche Folgen das staatliche Entlastungspaket mit der Senkung der Kraftstoffsteuer und dem Neun-Euro-Ticket auf das Fahr- und Konsumverhalten der Menschen haben wird. Bogenberger: "Das ist gerade eine extrem spannende Zeit im Hinblick auf das Verkehrssystem." Steigen viele tatsächlich vom Auto auf Busse und Bahnen um? Welche positiven Impulse gibt es für den Öffentlichen Verkehr der Zukunft?

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Über einen Link gelangt man leicht zur Befragung. Die Teilnehmer sollen bis Jahresende dreimal Auskunft über ihr Mobilitäts- und Energieverhalten geben. 1000 Interessierte können ihr Bewegungsprofil sogar mit einer speziellen App erfassen lassen. Die Registrierung erfolgt über die Webseite. Wer die ganze Zeit dabei bleibt, erhält dafür mindestens 30 Euro. Außerdem werden zwei Gutscheine in Höhe von jeweils 200 Euro verlost.

Die Landeshauptstadt München, der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) und die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) unterstützen die Studie. "Die Stadt wird zu einem gigantischen Reallabor", sagt die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne). Bis 2025 sollten 80 Prozent aller Wege mit dem Umweltverbund oder mit abgasfreien Fahrzeugen zurückgelegt werden. Von diesem Ziel sei man aber noch ein großes Stück entfernt. Das Tarifsystem müsse einfacher und günstiger werden.

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Mit großem Interesse verfolgen die Chefs von MVV und MVG die Mobilitätsstudie. Es habe sich beim Neun-Euro-Ticket gezeigt, dass die Politik sehr schnell handeln könne, sagt Bernd Rosenbusch (MVV). Bei diesem Fahrschein handele es sich auch um ein "soziales Ticket". Viele, die sich sonst einen Ausflug kaum leisten könnten, hätten jetzt die Möglichkeit dazu. Gemeinsam arbeite man im MVV-Raum seit Jahren an einer nachhaltigen Gestaltung der Mobilität von morgen. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts würden dazu wichtige Fragen beantworten.

Die Studie sei eine Grundlage "für das richtige Angebot in der Zukunft, mit dem wir die Verkehrswende aktiv vorantreiben wollen", sagt Ingo Wortmann (MVG). Man habe noch nie so zügig eine Tarifplanung gemacht wie in den vergangenen Wochen. Eine Kernfrage sei: "Wie wirkt sich eine dramatische Preissenkung auf die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs aus?"

Bevor man dauerhaft die Preise im ÖPNV senken könne, müsse allerdings das Angebot ausgebaut werden: "Wenn das Angebot stimmt und Fahrzeuge wie Infrastruktur nicht schon von Haus aus überlastet sind, schaffen wir allein dadurch schon Anreize für neue Fahrgäste." Dazu müsse aber auch die Frage beantwortet werden, wie die Verkehrswende finanziert werden kann.

Ein ganz akutes Thema ist, wie der ÖPNV einen möglichen durch das Neun-Euro-Ticket ausgelösten Ansturm von Fahrgästen verkraftet. "Wir tun, was wir können", sagt Wortmann, "aber wir haben keine üppigen Betriebsreserven." Bernd Rosenbusch rät zu einer guten Ausflugsplanung: "Es muss nicht immer der Tegernsee sein, es gibt doch viele andere schöne Ziele."

Verkaufsstart bei MVG und MVV

Bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) zeigt man sich zufrieden mit dem Verkaufsstart des Neun-Euro-Tickets. Von Sonntag bis Montagnachmittag seien insgesamt etwa 18 200 Tickets an den Fahrkartenautomaten, den Kundencentern und bei den MVG-Ticketpartnern verkauft worden. MVG-Pressesprecher Maximilian Kaltner betont: "Wir sind erstaunt darüber, dass so viele es gleich an den ersten Tagen kaufen, da der Vorverkauf ja noch mehr als eine Woche läuft."

Lange Schlagen vor den Verkaufsstellen hätten sich aber nicht gebildet, die Nachfrage sei nicht unerwartet hoch. Wie viele Neun-Euro-Tickets die MVG in den kommenden Tagen ungefähr verkaufen werde? Das wisse gerade niemand. "Das ist wie in eine Glaskugel zu schauen", so Kaltner. Auch beim Münchner Verkehrsverbund (MVV) ist am Montagmorgen der Verkauf gestartet. Tickets konnten online und via App erworben werden. Bis 14 Uhr wurden etwa 2600 Tickets verkauft. Technisch habe man kleinere Probleme gehabt, so MVV-Pressesprecherin Franziska Hartmann. Der MVV bittet online darum, das Ticket erst in den kommenden Tagen zu kaufen.

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