Kreativquartier:Die Halle 23 wird wiederbelebt

Kreativquartier: Auf geht's: Tobias Tzschaschel von der Experimental Exchange GmbH ist neuer Hausherr in der Halle 23.

Auf geht's: Tobias Tzschaschel von der Experimental Exchange GmbH ist neuer Hausherr in der Halle 23.

(Foto: Robert Haas)

Mehrere Kreativstudios ziehen in das frühere Gebäude der Stadtentwässerung. Erst später sollen Kulturangebote folgen. Im Viertel hätte man sich eine nicht-kommerzielle Nutzung gewünscht.

Von Ellen Draxel

Die Halle 23, ein ehemaliges Gebäude der Stadtentwässerung an der Dachauer Straße 110c auf dem Areal des Kreativquartiers, ist endlich vermietet. Kurz vor Silvester hat die Experimental Exchange GmbH den Mietvertrag unterzeichnet, wenige Tage später bezogen die ersten Nutzer des neu gegründeten "Zentrums für interdisziplinäre Raum- und Kulturarbeit", kurz "Zirka", die Räumlichkeiten nahe dem Leonrodplatz. Stand jetzt befinden sich in der Halle drei Künstler-Ateliers, zwei Musiklabels - Squama Records und Alternative Fakten - sowie eine Werkstatt des auf Bühnenbau und Innenarchitektur spezialisierten Verbunds Naiv Studios.

Später, sagt Experimental-Exchange-Geschäftsführer Tobias Tzschaschel, sollen die Räume dann auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, für Kulturangebote in den Sparten Bildende Kunst, Musik, Theater, Performance und Tanz. "Aber das wird wegen diverser Vorgaben noch einige Monate dauern."

Kreativquartier: Auf Bühnenbau spezialisiert: Auch die Naiv-Studios ziehen mit ein.

Auf Bühnenbau spezialisiert: Auch die Naiv-Studios ziehen mit ein.

(Foto: Robert Haas)

Im Gespräch sind außerdem Bildungsmöglichkeiten für Jugendliche in Form von Workshops. "Das ist uns extrem wichtig", betont der 36-jährige Kulturmanager. Er ist sich sicher, gemeinsam mit seinem Team "spannende Impulse in die soziokulturelle Richtung setzen zu können". Im Idealfall unterstützt durch Förderpartner. Gerade die Frage einer möglichen soziokulturellen Nutzung der Halle 23 war in den vergangenen Monaten eine, die immer wieder debattiert wurde, in den Vierteln, aber auch im Stadtrat.

Denn in Neuhausen-Nymphenburg und Schwabing-West, aber auch stadtweit mangelt es massiv an kreativen Räumen für Jugendliche. Ideal hätten Lokalpolitiker und Vertreter der Sozial- und Bildungsszene, allen voran der Gründer des Kunst- und Berufsqualifizierungsprojekts International Munich Art Lab (Imal), Ulrich Gläß, daher die Schaffung eines konsumfreien, nicht kommerziellen, inklusiven Raums zur freien Entfaltung durch das Bespielen der Halle 23 gefunden. Doch das scheiterte an den Mietkosten.

Kreativquartier: Unter anderem um die Halle 23 im Kreativquartier gibt es immer wieder Streit.

Unter anderem um die Halle 23 im Kreativquartier gibt es immer wieder Streit.

(Foto: Robert Haas)

Die Krux an der Sache ist das Konstrukt: Das ehemalige Gebäude der Stadtentwässerung gehört seit November 2019 der Münchner Gewerbehof- und Technologiezentrumsgesellschaft (MGH), und dieses städtische Tochterunternehmen, zuständig für das gesamte Kreativlabor, muss wirtschaftlich agieren. "Die MGH hat die Aufgabe, hier Geld zu generieren, weil wir auf diesem Gelände Sanierungskosten von 20 bis 25 Millionen Euro haben", hatte MGH-Chef Rudolf Boneberger bereits im Sommer erklärt.

Nach anfänglich viel zu hohen Mietforderungen und Protest von Seiten der Kreativszene und der Politik sind die Preise für die Halle 23 in einem zweiten Anlauf zwar gesenkt worden: Statt zunächst 14 Euro kalt pro Quadratmeter wurden beim zweiten Bewerbungsverfahren im April nur noch 8,25 Euro kalt pro Quadratmeter Erdgeschossfläche als "Richtwert" aufgerufen. Doch auch diese Summe blieb, da das städtische Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft die 3800 Quadratmeter aus brandschutzrechtlichen Gründen nur komplett vergeben wollte, für eine gemeinnützige Organisation wie das Imal unbezahlbar.

Auch der Kinder- und Jugendhilfeausschuss des Stadtrats hatte erst vor wenigen Tagen noch einmal betont, solche Mietforderungen nicht erfüllen zu können. Wer sich am Ende tatsächlich für die Halle beworben hat, erfuhren selbst Mitbewerber nicht. Aus "Gründen des Vertrauensschutzes", wie der Sprecher des Referats für Arbeit und Wirtschaft, Wolfgang Nickl, erklärt. Und da bei der Prüfung der Interessensbekundungen auf Sachverhalte wie Steuer- und Wirtschaftsangelegenheiten hätte Bezug genommen werden müssen, sei, ergänzt Nickl, auch die Einbindung der Bezirksausschüsse "nicht möglich" gewesen. Beurteilungskriterien, informierte das Kompetenzteam jüngst in einer Pressemitteilung, seien "Ergänzungen zu bestehenden Nutzungen im Labor, Wechselwirkungen in das Gelände und in die benachbarten Stadtviertel ebenso wie eine belastbare Wirtschaftlichkeitsberechnung" gewesen.

Das Projekt Zirka, dessen ist sich das Wirtschaftsreferat sicher, wird "eine Bereicherung für das Kreativlabor und die Umgebung darstellen". Wie viel das Unternehmen Experimental Exchange nun tatsächlich für die Kreativquartier-Halle bezahlt, die bis Ende 2028 mit Option auf Verlängerung für kulturelle, künstlerische, soziokulturelle oder kultur- und kreativwirtschaftliche Nutzungen zur Verfügung stehen soll, will Tobias Tzschaschel nicht verraten. Man habe aber, sagt der Geschäftsführer, bei der zweiten Bewerbungsrunde einen "Preis aushandeln können, der sportlich und ein Wagnis ist, ganz klar, den wir aber glauben, stemmen zu können". Auch weil der Bewerber in einer ersten Phase nun doch nur die Fläche im Erdgeschoss mieten musste: 2000 statt 3800 Quadratmeter. Keller und Teile des Obergeschosses sollen aber in absehbarer Zeit folgen.

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