Das Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Neuhausen ist nicht gerade ein architektonisches Schmuckstück. Ein Zweckbau, der erste Teil wurde 1962 errichtet. Das wäre an sich kein Problem - würde der Bau weiterhin den Anforderungen der Schulgemeinde genügen. Doch genau daran hapert es.
"Seit Jahren vertröstet man uns und verschiebt die längst fällige Sanierung der Schule immer weiter nach hinten", sagt Elternbeiratsvorsitzende Hilke Derfler. "Wir sind mit unserer Geduld am Ende." Dass etwas passieren muss, dieser Ansicht sind auch Neuhausens-Nymphenburgs Lokalpolitiker - gerade weil der schlechte Zustand des Gymnasiums im Münchner Westen kein Einzelfall ist.
Das Käthe-Kollwitz-Gymnasium an der Nibelungenstraße in Nymphenburg zählt mit rund 1200 Schülern und Schülerinnen zu Münchens größten städtischen Gymnasien. Bis 2014 hatte es dort lediglich einen sprachlichen Bildungszweig gegeben. Vor neun Jahren kam dann der naturwissenschaftlich-technologische Zweig hinzu, seitdem platzt die Schule aus allen Nähten. 2016 reagierte die Stadt, stellte einen Containerbau mit elf zusätzlichen Klassenzimmern auf. Danach geschah nicht mehr viel. Dabei soll die Schule von vier auf sechs Züge erweitert werden und eine neue Sport- und Schwimmhalle bekommen. So steht es im 2019 beschlossenen dritten Schulbauprogramm.
Elternbeiratsvorsitzende Hilke Derfler: "Um den Bestand zu halten, bräuchten wir schon heute vier Räume mehr."
(Foto: Catherina Hess)"Inzwischen haben wir 45 Klassen und eine Oberstufe, die wandern muss", erzählt Elternvertreterin Hilke Derfler, deren Sohn die elfte Jahrgangsstufe besucht. "Um den Bestand zu halten, bräuchten wir schon heute vier Räume mehr. Wir müssen aber jedes Jahr zusätzlich fünf neue Klassen mit jeweils etwa 30 Kindern aufnehmen." Weshalb derzeit nur ans "Käthe" kommt, wer in einem Umkreis von einem Kilometer um die Schule wohnt oder Geschwisterkind ist. Auch andere Gymnasien in München machen aufgrund von Raumnot ähnliche Vorgaben.
Am Käthe-Kollwitz-Gymnasium kommt zum Raummangel noch ein weiteres Problem hinzu: die Bausubstanz. "Die Schule ist nie grundsaniert worden", sagt Derfler. Die Fachlehrsäle seien schon seit Jahren in einem maroden Zustand. "Für Schüler und Schülerinnen, die man für diesen Ausbildungszweig gewinnen möchte, ist das nicht sehr motivierend."
"Die Kinder essen jetzt im Gang vor dem Lehrerzimmer"
Dazu kommen weitere Mängel. Eine "grenzwertige" Elektrik. Ein Kippfenster, das bereits aus dem Rahmen gefallen ist. Da ist die Lamelle, die im Sportunterricht runterkam, als ein Ball sie traf. Da sind die Vorhänge in der Dreifachturnhalle, die die Hallenteile separieren sollen, aber zu kurz abgeschnitten wurden. Da ist der Schimmelbefall am Oberlicht in der zu kleinen Mensa. "Seit September ist die Mensa deswegen gesperrt, die Kinder essen jetzt im Gang vor dem Lehrerzimmer", sagt die Elternbeiratsvorsitzende. Neben Zetteln an den Wänden, auf denen steht: "Bitte nehmt Rücksicht und achtet auf Ruhe."
Die Mensa, betont Andreas Haas vom Bildungsreferat, werde "in Kürze wieder ihren Betrieb aufnehmen". Und die 2021 begonnenen Planungen hätten um "die zusätzlichen, aber sehr wichtigen Belange der Klimaneutralität und des nachhaltiges Bauens ergänzt" werden müssen. Gefolgt von weiteren "Untersuchungen und Bewertungen zur vorhandenen Bausubstanz". Die Auswertung soll Mitte des Jahres abgeschlossen sein, "die Ergebnisse", so der Sprecher, seien dann "Grundlage für die weitere Planung".
Notwendig sind Sanierungsmaßnahmen aber nicht nur am Gymnasium, sondern auch an der Hirschbergschule, der Winthirschule und der Rudolf-Diesel-Realschule und bei der Alfonsschule, die ebenfalls erweitert und um ein Haus für Kinder mit Krippen- und Kindergartenplätzen, aber keinen Hort mehr ergänzt werden soll. Zum Ärger des Bezirksausschusses ist nun vorgesehen, die Planungen zur Alfonsschule um zwei Jahre nach hinten zu schieben.
Weil das Schulgebäude zu klein ist, dürfen sich inzwischen nur noch Kinder und Jugendliche aus dem näheren Umkreis dort anmelden.
(Foto: Catherina Hess)Sie empfinde es als "Skandal", sagt Lilian Schlumberger-Dogu (Die Linke), "was in Schulfragen bei uns im Viertel passiert". Auch bei der CSU zeigt man "kein Verständnis" für die Verzögerung bei der Alfonsschule. "Klar, die Baukosten steigen", meint Felix Meyer von der FDP. Dennoch würden die Investitionssummen in die Schulbauoffensive immer geringer. Das sei "unzumutbar". Laut Referatssprecher Haas muss "aufgrund der Denkmalrelevanz der Wandelhalle und der geänderten Bedarfssituation" das Nutzerbedarfsprogramm der Grund- und Mittelschule an der Alfonsstraße überarbeitet werden.
Die SPD-Politikerinnen Anna Lena Mühlhäuser und Anna Leuchtweis geben zudem zu bedenken, dass der bestehende Platzbedarf an den weiterführenden Schulen erst der Anfang sei. Schon jetzt seien alle neun Grundschulen in Neuhausen-Nymphenburg "am Anschlag", es entstünden aber neue Wohnquartiere am Strafjustizzentrum, an der Paketposthalle und im Kreativquartier. Dazu kämen die Umstellung von G8 auf G9 und die Planungen zum Ganztag. "Wir würden uns wünschen, dass man bei der Stadt mal ein bisschen kreativ ist mit Lösungen", sagt Leuchtweis. "Warum kann man nicht beispielsweise am Leonrodplatz auf einem bestehenden Gebäude fünf Stockwerke für einen Schulsatelliten draufsatteln? Oder das alte Strafjustizzentrum als Schulhaus nutzen?" Sicher, Wohnungen würden gebraucht. "Aber Neubaugebiete ohne Infrastruktur, das geht auch nicht."
Hilke Derfler vom Käthe-Kollwitz-Gymnasium ist sich der Anstrengungen der Stadt bewusst. München stemmt schließlich momentan das größte kommunale Schulbauprogramm Deutschlands mit mehr als sieben Milliarden Euro. Aber das Projekt an der Schule ihres Sohnes, fordert sie, müsse sich nichtsdestotrotz "jetzt mal beschleunigen". Ihr Vorschlag angesichts der schwierigen Finanzlage der öffentlichen Hand: "Raum für Bürgerengagement" lassen. "Wir sind schnell, wir sind digital, es gibt heutzutage neue Möglichkeiten, Geld zu generieren, etwa über Crowdfunding." Der Elternbeiratsvorsitzenden geht es dabei auch um Solidarität. "Das ist unser Stadtteil, wir wollen uns einbringen."
Zumindest in den Suchprozess nach einem Ersatzstandort für die Phase der Bauzeit will die Kommune die Schule aktiv einbinden. Vorschläge gibt es bereits: Eine wohnortnahe Auslagerung könnten sich die Eltern etwa auf dem Parkplatz der Dreifachturnhalle an der Arnulfstraße oder auf dem Gelände des 2017 abgebrannten Kulturpavillons an der Ecke Arnulf-/Nibelungenstraße vorstellen. Der zweite Ort ist allerdings schon vergeben: Dort soll Neuhausen-Nymphenburgs zweites Alten- und Service-Zentrum entstehen.