Just hier werde dereinst der Stadtplatz von Neufreimann und damit das Zentrum dieses Stadtviertels sein, sagt Michael Bacherl, lässt seinen Blick schweifen und fügt dann fast entschuldigend hinzu: „Auch wenn man es im Moment noch nicht sieht.“ Tatsächlich steht der Leiter der Stadtplanung im Münchner Planungsreferat auf einer tristen Schotterfläche neben einigen Betonquadern, drumherum sind lange Reihen von Metallzäunen und dahinter diverse Baustellen in unterschiedlichsten Fortschrittsstadien. Kurzum, es braucht viel Vorstellungskraft, um sich hier ein pulsierendes Zentrum auszumalen, wo Spaziergänger flanieren, Trambahnen halten und Menschen zum Supermarkt oder zur Stadtteilbibliothek eilen.
Und doch – davon zeugen sowohl der Baulärm als auch die vorbeirollenden Baufahrzeuge – schreiten die Arbeiten voran auf dem 60 Hektar großen Gelände der ehemaligen Bayernkaserne, wo bis Mitte der 2030er-Jahre der Stadtteil namens Neufreimann aus dem Boden wachsen soll. Nur einen Steinwurf vom künftigen Stadtplatz entfernt hat im Herbst schon eine Schule eröffnet, und vor wenigen Tagen sind die ersten Wohnungen in dem Quartier bezogen worden. Dies hat das städtische Planungsreferat zum Anlass für einen Rundgang durch das entstehende Viertel genommen, das dereinst nicht nur 15 000 Menschen, sondern auch vier Schulen, 14 Kitas, eine Bezirkssportanlage, ein Pflegeheim, einen Nachbarschaftstreff und noch einiges mehr beheimaten soll.


„Es wird gerne mal vergessen, dass wir hier nicht nur 5500 Wohnungen bauen, sondern ein ganzes Stadtquartier“, sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk, die betont: „15 000 Menschen, das ist andernorts eine respektable Gemeinde. Mit allem, was dazu gehört.“ Und dies wiederum soll hier auf einer Fläche untergebracht werden, die nicht mal so groß ist wie der Westpark. Entsprechend kompakt und hoch wird in Neufreimann gebaut: „Von der Dichte ist das vergleichbar mit den Gründerzeitvierteln in der Innenstadt“, sagt Michael Bacherl.
Insgesamt sollen in dem Stadtviertel 5500 Mietwohnungen entstehen – viele davon in sieben- und achtstöckigen Häusern. Überdies seien mehrere bis zu 60 Meter hohe Hochhäuser sowie ein 80-Meter-Turm an der Heidemannstraße am Quartierseingang geplant, so Bacherl. „Auch als Zeichen, das sagt: Achtung, hier entsteht etwas!“
Bevor all diese Wohnungen jedoch in größerer Zahl bezogen werden, hat sich die Stadt erst mal die zwei neuen Schulstandorte vorgenommen. In einer Grund- und einer Förderschule im Norden des Quartiers soll ab September 2026 unterrichtet werden. Am südlichen Schulstandort an der Friederike-Nadig-Allee hört man dagegen schon jetzt Kindergeschrei. Hier werde die fertige Grundschule derzeit von einer Förderschule als Ausweichquartier genutzt, erklärt Iris Lemke vom städtischen Baureferat. Das benachbarte Gymnasium soll im kommenden Schuljahr in Betrieb gehen – als erste weiterführende Schule überhaupt in Freimann, betont Patric Wolf (CSU), Vorsitzender im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann. „Das war hier ein großer Wunsch von vielen Menschen.“
450 Millionen Euro lässt sich die Stadt die zwei neuen Bildungsorte kosten, an denen neben den Schulgebäuden auch vier Turnhallen sowie diverse Sportflächen entstehen – sowie eine Schwimmhalle mit dem stadtweit zweiten 50-Meter-Becken neben dem Olympiabad. Erschlossen werden soll Neufreimann vor allem über die Trambahnlinie 23, die hierzu bis 2029 nach Kieferngarten verlängert wird. „Dafür haben wir gekämpft“, betont Elisabeth Merk. „Die Finanzierung ist sichergestellt.“ Fix ist auch, dass beim Wohnungsbau in Neufreimann Genossenschaften zum Zug kommen sollen; knapp ein Drittel der kommunalen Grundstücke sind hierfür eingeplant. Im gesamten Planungsgebiet gehören mehr als 80 Prozent der Flächen der Stadt, weshalb deren Wohnungsbaugesellschaft dort als größter Bauträger auftritt.
„Wir haben hier acht Projekte, fünf davon in Planung oder im Bau“, sagt Ole Beißwenger von der „Münchner Wohnen“. Als Erstes fertig sein soll ein achtstöckiges Gebäude schräg gegenüber dem Gymnasium mit 190 Wohnungen, einer Kita und einem Familienzentrum. Voraussichtlicher Einzugstermin ist Anfang 2026. In jenem Haus wird es laut Beißwenger Mietwohnungen mit verschiedenen Fördermodellen geben – so wie überall, wo die Münchner Wohnen in Neufreimann baut. Im gesamten Stadtviertel werden 4400 der 5500 Wohnungen gefördert sein, sagt Ulrike Klar vom Planungsreferat. Wobei sich die verschiedenen Modelle nicht nur an Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen richten, sondern teils auch einkommensunabhängig sind.
Die ersten Wohnungen in Neufreimann, die seit Anfang April bezogen werden, sind indes weder gefördert noch städtisch. Vielmehr ist es das Münchner Immobilienunternehmen Sedlmayr, dem im Osten des Planungsgebiets vier Baufelder gehören, das in einem Neubau am Ende der Friederike-Nadig-Allee 253 frei finanzierte Zwei- bis Vier-Zimmer-Apartments gebaut hat. Durchschnittlicher Mietpreis dort: 22,50 Euro pro Quadratmeter. Im Innenhof des Gebäudes angekommen, lobt Stadtbaurätin Merk die Zusammenarbeit mit der Sedlmayr AG in Neufreimann als „besonderen Glücksfall“. Und doch hängt eine dunkle Wolke über dem Heidepark, wie der Investor sein Projekt getauft hat. So musste die Sedlmayr AG vor knapp zwei Jahren die Reißleine ziehen und die Planungen für die Bauabschnitte zwei bis vier auf Eis legen. Als Grund führte die Firma explodierende Baukosten und teure Zinsen an.
„An der Situation hat sich grundsätzlich nichts geändert“, räumt der Vorstandsvorsitzende Hermann Brandstetter ein. Zwar sei man aktuell bemüht, das Bauvorhaben zu „optimieren“ – sprich: die Kosten zu senken. Allein einen Zeitpunkt, bis wann die Planungen für den übrigen Heidepark wieder aufgenommen werden, könne er nicht sagen, so Brandstetter. „Es bleibt weiterhin schwierig, das wirtschaftlich abzubilden.“