Wenn in München Pläne für neue große Wohnquartiere entstehen, dann meist auf Flächen, die aus guten Gründen bis jetzt noch niemand bebaut hat – etwa weil sie schlecht zu erreichen sind oder ein Lärmproblem haben. Auf das geplante Neubaugebiet am Rappenweg zwischen Trudering und der Messestadt Riem trifft beides zu. Und dort kommt noch ein Problem hinzu: eine hohe Schadstoffbelastung im Boden.
Dennoch sollen auf zwei Dritteln des 25 Hektar großen Areals in einigen Jahren 2000 bis 2700 Wohnungen entstehen, also eine Heimat für mehr als 5000 Menschen. Die Hälfte des Wohnraums soll gefördert sein. Das übrige Drittel des Grundstücks ist für Gewerbeflächen vorgesehen. Einen entsprechenden Eckdatenbeschluss hat die Vollversammlung des Stadtrats in ihrer jüngsten Sitzung mit großer Mehrheit verabschiedet, Gegenstimmen kamen von ÖDP/München-Liste, Die Linke/Die Partei und von der AfD.
Wie das Quartier städtebaulich aussehen soll, ist noch offen. Das soll im nächsten Schritt ein kooperatives Verfahren mit drei Teams aus Architektur, Landschaftsarchitektur und Fachplanern ergeben. Bisher liegt lediglich eine grobe Konzeptstudie vor, der zufolge die Gewerbebauten sich entlang der Bahnlinie München – Rosenheim aufreihen sollen, um die nördlich anschließende Wohnbebauung vom Zuglärm abzuschirmen.
Die Planungen sehen eine hohe Dichte vor. Der Wert dafür, die sogenannte Geschossflächenzahl (GFZ), beträgt 3,0, zum Vergleich: Die Altbauquartiere in Schwabing-West haben eine GFZ von 2,5 bis 3,0. Auch ein Hochhaus von etwa 72 Metern ist vorgesehen.
Die Eigentumsverhältnisse im Planungsgebiet, das im Osten an die Stadtgrenze stößt, sind komplex: Etwa drei Viertel der Grundstücke sind auf sechs private Eigentümer verteilt, den größten Anteil hat dabei die Bayerische Hausbau. Das übrige Viertel gehört der Stadt München.
Ungeklärt ist bisher die Frage, wie das Quartier sinnvoll an den Verkehr angeschlossen werden kann: Die nächste S-Bahn-Station Gronsdorf wäre zu Fuß etwa eine Viertelstunde entfernt. Ob und wann es einmal die angedachte Tramlinie auf der Wasserburger Landstraße gibt, ist völlig unklar.
Auch die Straßenanbindung ist problematisch: Die Stadt Haar lehnt eine Verbindung durch ihren Stadtteil Gronsdorf ab. Stattdessen ist nun eine neue Brücke über die Bahngleise vorgesehen, die südlich in die Mauerseglerstraße führt. Allerdings würde das Brückenbauwerk in einem Biotop ankommen und nach aktueller Schätzung 46 Millionen Euro kosten, zu zahlen von den Grundeigentümern des Quartiers am Rappenweg.
Christian Köning, Fraktionsvorsitzender der SPD, griff gleich zu Beginn der politischen Debatte im Stadtrat die Schwierigkeiten des Projekts auf, sagte aber dann: „Wir kommen in der Abwägung zum Ergebnis, dass wir ein großes Interesse haben, dass da was passiert, dass dort sehr viele Wohnungen entstehen.“ Die SPD legt zudem Wert darauf, die bisher ungeklärte Schulversorgung „bereits jetzt mitzudenken“.
Auch Christian Smolka von den Grünen bekannte sich zu dem Plan, am Rappenweg ein dichtes, urbanes und gemischt genutztes Quartier zu schaffen. Allerdings setzten die Grünen mit Unterstützung der SPD durch, dass der Stadtrat in seinen Beschluss zahlreiche Zusatzklauseln aufnimmt: So soll die Stadt etwa versuchen, bei der Deutschen Bahn zwischen Trudering und Gronsdorf einen zusätzlichen S-Bahn-Halt Schwablhofstraße durchzusetzen. Und sie soll die eigene Tramplanung vorantreiben. Andernfalls, befürchtet Grünen-Stadtrat Smolka, würde das Quartier zu sehr vom Autoverkehr geprägt.
Die Fraktion CSU/Freie Wähler lehnte die Zusatzwünsche der Grünen ab. Man wolle vor allem, dass das Projekt schnell vorankomme, betonte Fabian Ewald (CSU), „da sollten wir nicht zu viele Vorgaben machen“. Außerdem müsse man unabhängig von einem zusätzlichen S-Bahnhof und der Tram denken, weil beides auf absehbare Zeit ohnehin nicht komme. Ähnlich argumentierte Jörg Hoffmann (FDP). Er warf den Grünen vor, „symbolhaft ihre Programmatik hochzuhalten“.
Schärfe in die Debatte brachte die Linken-Stadträtin Brigitte Wolf. „Ja, es wäre wichtig, neue Wohnbaugebiete zu machen“, sagte sie. „Aber der Rappenweg ist nicht geeignet.“ Sie verwies darauf, dass der Stadtrat 2014 auch einen entsprechenden Beschluss gefasst habe, weil die Bodenbelastungen mit Schwermetallen und giftigen Chemikalien teils gefährlich hoch seien. Bei dem Projekt sei die Rede von „Wohnen am Riemer Park“, sagte Wolf, „ich würde es ‚Wohnen auf der Müllkippe‘ nennen“.
So sah das auch Tobias Ruff (ÖDP): Man würde die Gefahr einer grundlegenden Bodensanierung „künftigen Generationen aufbürden“. Überdies sei die Dichte des Quartiers „viel zu hoch für den Stadtrand“. Iris Wassill (AfD) begründete ihre Ablehnung lediglich damit, dass man „gegen jegliche Nachverdichtung sei. Die Stadt platzt aus allen Nähten“.
Die Stadtbaurätin verweist auf gute Erfahrungen in Pasing und der Altstadt
Zum Ende der Debatte ergriff Stadtbaurätin Elisabeth Merk das Wort. Sie verwahrte sich gegen Wolfs Vorwürfe: Seit dem von ihr angeführten Beschluss seien „vertiefende Gutachten gemacht worden und werden weiter gemacht“. Man habe bereits bei anderen Quartieren wie dem Weyl-Gelände in Pasing oder der Hofstatt in der Innenstadt erhebliche Altlasten in den Griff bekommen, das werde auch dort klappen, sagte Merk. „Und wir werden das auch künftig entsprechend den Gesetzen und Regularien machen, die sehr streng sind.“
Auch die privaten Investoren geben sich gelassen: Die belasteten Verfüllungen gingen 20 Meter tief in den Boden, erläutert Caroline Scharifzadeh von der Büschl-Unternehmensgruppe, die als Sprecherin des Konsortiums auftritt. „Und schon in sieben Metern Tiefe fließt das Grundwasser, aber da wird nichts mehr ausgespült.“
Vielmehr soll das Projekt nach dem Willen der Grundeigentümer schnell vorangehen: In einem halben Jahr soll ein städtebauliches Konzept vorliegen. Im besten Fall, so heißt es von den Investoren, könne der Stadtrat 2027 das neue Baurecht beschließen – und noch in diesem Jahrzehnt die ersten Wohnungen am Rappenweg gebaut werden.

