SchutzgebietDie Buche darf liegen bleiben

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Das kleine Gebiet im Südosten Münchens sei wohl der einige Schutzwald in einer deutschen Großstadt, sagt Heinz Sedlmeier vom Landesbund für Vogelschutz.
Das kleine Gebiet im Südosten Münchens sei wohl der einige Schutzwald in einer deutschen Großstadt, sagt Heinz Sedlmeier vom Landesbund für Vogelschutz. (Foto: Claus Schunk)

Auf dem südöstlichsten Zipfel Münchens liegt ein kleiner Hain, der das Prädikat "Naturwald" erhalten hat - das hat weitreichende Folgen für die seltenen Tiere und Pflanzen dort.

Von Thomas Anlauf

Die alte Buche hat es einfach umgeworfen. Der Grund ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich, der Baum sieht eigentlich ganz gesund aus. Auf jeden Fall liegt er nun da, der Wurzelteller voll nasser brauner Erde ragt in die Luft, statt im Boden zu stecken. Heinz Sedlmeier hat es sich auf der umgelegten Buche gemütlich gemacht, dabei ist es kalt hier im Wald. Nun ja, Wald klingt etwas übertrieben für den schmalen Streifen mit Bäumen zwischen dem Radlweg der Hochleite und der Geiselgasteigstraße. 1,65 Hektar misst das Handtuchwäldchen, das im südöstlichsten Zipfel Münchens liegt. Und doch ist der Buchenhain etwas ganz Besonderes: Es ist der einzige Naturwald auf Münchner Stadtgebiet. Heinz Sedlmeier vom Landesbund für Vogelschutz geht sogar noch weiter. Er ist sich sicher, es ist der einzige Schutzwald in einer deutschen Großstadt.

Das Prädikat Naturwald hat der Baumstreifen nahe der Bavaria Filmstadt erst vor einigen Tagen erhalten. Am 2. Dezember wurden 52 000 Hektar Staatswald in Bayern als Naturwälder deklariert, in diesen Gebieten gibt es keine forstwirtschaftliche Nutzung mehr. "Normalerweise würde der Baum sofort rausgeholt", sagt LBV-Geschäftsführer Sedlmeier. Doch nun bleibt die gefallene Buche liegen, was den Naturschützer besonders freut. "So ein Wurzelteller ist ein Lebensraum für irre viele Tiere", sagt der Biologe und deutet auf den riesigen Erd- und Wurzelballen der Buche. Sedlmeier begrüßt die Ausweitung der Naturwälder in Bayern. Damit seien zehn Prozent des bayerischen Staatswaldes unter Schutz gestellt.

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Das Buchenwäldchen am Südrand von München mag im Vergleich zu Schutzgebieten wie der Pupplinger Au winzig sein. Trotzdem sei die Ausweisung des Buchen-Ensembles womöglich ein Signal an private Waldbesitzer, von denen es im Isartal einige gibt. Denn das Gebiet sei ein einzigartiges Stück Natur, sagt auch Wilhelm Seerieder, Forstbetriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten in München. "Das ist eine ganz typische Schluchtwaldgesellschaft", erzählt Seerieder. Hier wachsen neben Buchen auch Bergahorn, Kiefern und viele andere Baumarten.

An den Quellen am Hang des Isartals finden sich seltene Moose, Farne und Flechten. Sogar oben im neuen Naturwald auf Höhe des Schilcherwegs gedeihen Moose an den Bäumen, die ein Hinweis auf das spezielle feuchte Klima an der Isarhangkante sind. Trotzdem sieht Forstleiter Seerieder ein "riesiges Problem" im Isartal im Süden Münchens: die wachsende Zahl an Mountainbikern, die kreuz und quer durch die Wälder fahren und dabei zum Teil wichtige Natur zerstören. "Das sind wertvolle Rückzugsorte für seltene Tiere, auch für Reptilien", sagt Seerieder. Zwar gibt es seit bald neun Jahren eine Resolution zum Schutz des Oberen Isartals, das Münchner Naturschutz- und Radsportverbände erarbeitet haben.

Doch viele Mountainbiker kennen weder diesen Appell, noch wissen sie, welche seltenen Tiere an den Hängen existieren. So leben an den Rändern der Hangleitenwälder Kreuzottern, die sonst nirgends im Stadtgebiet vorkommen. Außerdem brüten im Isartal auch Uhus. "Das ist schon was ganz Besonderes", sagt LBV-Geschäftsführer Sedlmeier. Wenn es nach ihm ginge, müsste das gesamte sensible Gebiet im Münchner Süden unter strengen Naturschutz gestellt werden, in bestimmten Bereichen müsste "jegliche Nutzung untersagt" werden, fordert der Naturschützer.

Doch Förster Seerieder winkt ab: "Ich bin da massiv frustriert." Das Isartal, das eigentlich geschützt werden müsste, sei viel zu groß, um es abzusperren. Auch mit Schildern habe man es probiert, um auf die Naturschätze hinzuweisen. Es scheint nicht viel zu wirken. Vielleicht müsste das gesamte Gebiet als Schutzraum besser wahrgenommen werden, findet Rudolf Nützel vom Bund Naturschutz. Der Geschäftsführer der Münchner Kreisgruppe, der ebenfalls die Ausweisung der Naturwälder begrüßt, würde sich wünschen, dass auf Karten wie dem Bayern-Atlas des Freistaats nicht nur die staatlichen Schutzwälder eingezeichnet sind. Denn München hat bereits vor zwei Jahrzehnten zehn Prozent seines Kommunalwaldes aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen. Dann könnte der Betrachter sehen, dass es in München nicht nur einen neuen, 1,65 Hektar kleinen Naturwald gibt, sondern riesige Flächen wilder Natur.

© SZ vom 14.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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