Es sind große und kleine Kringel auf einem Stadtplan, die zeigen, wo der Naturschutz in München ausgeweitet werden soll. Die großen Kringel, das sind Landschaftsschutzgebiete (LSG) mit seltenen Pflanzen und Tieren, teilweise sollen sie neu kommen, teilweise überarbeitet werden. Die kleineren Kringel stehen für neue "geschützte Landschaftsbestandteile", sie stehen dafür, was München als Großstadt in Deutschland ziemlich einzigartig macht: Hier fühlen sich auf kargen Bahndämmen, in einem ehemaligen Industriegelände oder auf verbliebenen Heideflächen Lebewesen wohl, die es sonst in dieser Vielzahl nirgends in Deutschland gibt.
Was da alles auf der Karte markiert ist, gehört zu einem Konzept für neue Schutzgebiete, das das Planungsreferat dem Stadtrat vorgelegt hat. Am Mittwoch debattierte der Planungsausschuss in einer Video-Sitzung darüber und begrüßte das Konzept mehrheitlich. Eine Abstimmung steht in der nächsten Vollversammlung am kommenden Mittwoch an.
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Seit fast zwei Jahrzehnten drängen Experten von Umweltorganisationen wie Bund Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV) darauf, wertvollen Biotopen einen sicheren Status zu verleihen. Doch das ist nicht so einfach: Für große Gebiete von mehr als zehn Hektar Fläche ist die Regierung von Oberbayern zuständig, die aber hat zu wenig Personal, um die Vorgänge zu bearbeiten. Doch die Stadt hat viel Vorarbeit geleistet, so dass - so die Hoffnung - fünf solcher größeren Biotope demnächst von der Regierung unter Schutz gestellt werden können.
Es handele sich dabei jeweils um "'Biotope aus zweiter Hand', also von Menschen geschaffene Standorte, die sich die Natur zurückerobert hat", heißt es in der Beschlussvorlage von Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Zwei davon liegen im Stadtbezirk Feldmoching-Hasenbergl: das Trockenbiotop Virginia-Depot, wo früher Panzer verladen wurden, und Kies-, Mager- und Brachflächen am Rangierbahnhof. Die anderen drei sind das Gleislager Neuaubing, das Gleisdreieck Pasing und eine Erweiterung der Langwieder Heide. "Wir begrüßen es, dass unsere Forderungen endlich umgesetzt werden", sagt Rudolf Nützel, BN-Geschäftsführer in München.
Für Naturschützer ist das Konzept nur "ein guter Anfang"
Auf viele schützenswerte Gebiete hätten LBV und BN bereits vor zwanzig Jahren hingewiesen, etwa den nun geplanten Landschaftspark Isar-Solln, "einen der größten Grünräume des Münchner Südens", wie Merk schreibt. Dieser gehört zur Kategorie der geplanten neuen Landschaftsschutzgebiete, bei denen es um den Schutz des Charakters einer Landschaft geht, die aber relativ frei genutzt werden können. Bei strenger reglementierten Naturschutzgebieten geht es um den Schutz bestimmter Lebensräume, sowie von Tier- und Pflanzenarten, dort gelten strenge Veränderungsverbote und oft auch Betretungsverbote. Solche Gebiete sind in München nicht in Planung.
In der Kategorie LSG plant die Stadt sieben neue Projekte: Neben Isar-Solln sollen die Gebiete Isar-Mitte (Isarring nach Süden inklusive Englischem Garten bis zur Braunauer Eisenbahnbrücke) sowie Hirschau und Obere Isarau novelliert werden, zudem soll der 360 Hektar große Moosgrund im Münchner Nordosten LSG-Status bekommen. In einem zweiten Schwung sollen das Eschenrieder Moos, die Ludwigsfelder Flur und das Freihamer Feld den Rang eines LSG bekommen.
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Für Naturschützer wie Rudolf Nützel vom BN ist das Paket, das auch kleinere Gebiete wie etwa das Kuchenmeistermoor nordwestlich von Lochhausen und Baumbestände beim Gut Warnberg im äußersten Süden Münchens auflistet, "ein guter Anfang. Aber es muss deutlich mehr passieren". Nicht enthalten ist beispielsweise der Landschaftspark West zwischen Laim, Pasing, Blumenau und Gräfelfing, der eigentlich vor Jahrzehnten vom Stadtrat beschlossen wurde.
Für einen Großteil der Münchner Bevölkerung besonders wichtig sind natürlich die Gebiete an der Isar. Seit der Renaturierung ist der Fluss ein Besuchermagnet geworden - zumindest, wenn die Sonne scheint. Doch das schafft auch Probleme. Deshalb wollen die Expertinnen und Experten der Stadtverwaltung für den Bereich Isar-Mitte untersuchen, wie der "einmalige Landschafts- und Stadtraum zu schützen und zu entwickeln" ist. Darüber ist in den vergangenen Jahren oftmals Streit entbrannt: Obwohl die Renaturierung der Isar auch dafür gedacht war, Münchnerinnen und Münchnern einen naturnahen Freiraum am Fluss zu bieten, gibt es nicht wenige, die dort ein reines Schutzgebiet fordern - ohne Kulturstrand, Isarbad und Gastronomie in Flussnähe.
Die sogenannten Nutzungskonflikte sind es, die auch die Stadtverwaltung vor ein Problem stellen. Es gab drei Jahre lang einen runden Tisch zur Frage, wie die Isar in der Stadt genutzt werden könnte oder sollte. Federführend war auch hier Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Doch seit dem 1. Januar ist die Untere Naturschutzbehörde aus dem Planungsreferat ins vor einem Jahr gegründete Referat für Klima- und Umweltschutz gewandert. Das Papier über die neuen Schutzgebiete ist quasi der letzte Gruß von Merk an ihre Kollegin, Umweltreferentin Christine Kugler, die fortan für die Schutzgebiete zuständig ist.
In der Ausschussdebatte betonte Angelika Pilz-Strasser (Grüne), wie wichtig es sei, zusätzliche Flächen vor Eingriffen zu schützen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Stadt händeringend nach Flächen für Wohnungsbau suche. Deshalb freue sie sich auch besonders, dass der Moosgrund zum LSG werde, schließlich liege dieses "große Gebiet in unmittelbarer Nähe zur SEM Nordost", wo Wohnraum für bis zu 30 000 Menschen entstehen soll.
Dirk Höpner brachte für die Fraktion ÖDP/München-Liste einen Änderungsantrag ein, unter anderem mit dem Ziel, das Schutzgebiet am Rangierbahnhof um die Kleingartenanlage Eggarten zu erweitern. Dieses Areal ist auf einer Detailkarte zum geplanten neuen Schutzgebiet deutlich sichtbar ausgespart. Im Eggarten ist ein Neubaugebiet mit bis zu 2000 Wohnungen in Planung. "Wir nennen das das Investorenschutzgebiet", sagte Höpner. Dem hielt Paul Bickelbacher (Grüne) entgegen, dass Schutzgebiete nur ausgewiesen werden könnten, wo es keinen Bebauungsplan gebe. Dieser aber ist für den Eggarten schon in Arbeit, damit komme der nicht mehr als Schutzgebiet in Frage.