SZ-Serie: München natürlich:Die Rabeneltern unter den Reptilien

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Zuaneidechsen fühlen sich in München wohl. (Foto: Kiefer via www.imago-images.de/imago images/Panthermedia)

Zauneidechsen sind streng geschützt. Doch das hindert sie nicht daran, manchmal den eigenen Nachwuchs zu verspeisen.

Von Thomas Anlauf

Der Holzhaufen ist ein ideales Bett. Wenn am Morgen die ersten Sonnenstrahlen das Holz aufheizen, wird die Zauneidechse munter. Sie wärmt sich die von der Nacht kalten Glieder, dann kann es losgehen auf der Suche nach Nahrung. Lange suchen muss die Eidechse nicht, auf Schotterflächen mit seinen Magerrasen tummeln sich Heuschrecken, Wanzen, Ameisen und Spinnen, da ist die Zauneidechse nicht sehr wählerisch. Nur Asseln mag sie anscheinend nicht so sehr. Nach dem Frühstück gibt es dann wieder ein ausgiebiges Sonnenbad zwischen den Gräsern, wo sie von anderen Jägern wie Krähen, Mardern, Füchsen und Igeln nicht leicht entdeckt wird. Die Männchen sind vor allem in der Paarungszeit grün gefärbt, die Weibchen braun: perfekte Tarnfarben in der Münchner Schotterebene.

Dort fühlen sie sich auch ziemlich wohl, vor allem entlang der Bahntrassen finden sich die gedrungenen Reptilien. Im Münchner Westen bereiten Naturschützer gerade langfristig eine vorübergehende Umsiedlung der streng geschützten Tiere vor. Ernst Habersbrunner vom Bund Naturschutz ist an der Aktion maßgeblich beteiligt. Er kniet in einer verwilderten Wiese vor einem Steinhaufen, den er selbst dort aufgetürmt hat. Auch ein guter Unterschlupf für Zauneidechsen, findet er.

"Innenarchitekt für Zauneidechsen": Ernst Habersbrunner hat sich schon als Kind für die Natur begeistert und ausprobiert, wie Pflanzen und Tiere auf ihre Umgebung reagieren. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Wiese auf dem Gelände der Zoologischen Staatssammlung in Obermenzing können der Naturschützer und seine Helfer seit einigen Jahren mit heimischen Pflanzen bestücken und beobachten, wie sich dort verschiedene Tierarten niederlassen. Speziell für die Zauneidechse (Lacerta agilis) hat er zwei große Wannen im Kies angelegt, um zu sehen, wie die Landschaftsstrukturen angenommen werden. Zauneidechsen sind wechselwarme Tiere, sie sind also von ihrer Umgebungstemperatur abhängig. Je wärmer es ist, desto aktiver sind sie, wenn es im Herbst kühler wird, ziehen sie sich für die Winterstarre zurück. "Oft überwintern sie in alten Mäuselöchern", erzählt Habersbrunner. Andere wiederum graben sich einfach bis zum nächsten Frühjahr in der Erde ein.

Der gebürtige Niederbayer ist in dem Biotop an der Münchhausenstraße ganz in seinem Element. Überall hat Habersbrunner heimische Pflanzensamen eingesetzt und beobachtet nun, wie sich seine Wiese langsam verwandelt. "Man muss viel probieren", sagt er. Unter einen Vogelbeerbaum hat er Berberitzen, Sanddorn und Kriechrose angepflanzt, um so ein möglichst naturnahes Pflanzengefüge zu haben. Auch für die Zauneidechsen sind so dichte Strukturen, wie sie die Kriechrose bietet, ideal. Denn die Reptilien, die bis zu 20 Zentimeter groß werden können, werden häufig von Hauskatzen aus der Nachbarschaft gejagt. Doch in so kratziges Gebüsch wagen sich die wenigsten. Katzen seien übrigens die Hauptverantwortlichen, wenn im Siedlungsbereich Kleintiere verschwinden, sagt Habersbrunner.

Der Münchner, der mit seinem feinen niederbayerischen Dialekt wie ein kerniger Naturbursche vom Land wirkt, ist eigentlich Facharzt für diagnostische Radiologie und Teilhaber eines großen Radiologiezentrums in der Innenstadt. Doch er hat sich schon als Kind für die Natur begeistert und ausprobiert, wie Pflanzen und Tiere auf ihre Umgebung reagieren. Das macht Habersbrunner seit 2014 nun auch auf dem Gelände der Zoologischen Staatssammlung.

Für Wildbienen etwa hat er einen steilen Hügel mit feinstem Sand aufgeschüttet, wo sich die Insekten ihre Wohnröhren bauen können. Und für die Zauneidechsen bietet er ebenfalls verschiedene Strukturen an, in denen sie sich wohlfühlen könnten. "Ich bin sozusagen der Innenarchitekt für Zauneidechsen", sagt Habersbrunner und lacht.

Dabei hat der Mediziner auch festgestellt, dass weniger oft mehr ist. "Die Natur hat sich an den Nährstoffmangel angepasst", sagt er. Ein Überangebot an Nahrung und Pflanzen sei oftmals gar nicht so ideal. Deshalb wird die Wiese auch einmal im Jahr gemäht und das geschnittene Gras abtransportiert, damit der Boden nicht zu nährstoffreich wird oder die Wiese verbuscht.

Auch die Zauneidechsen lieben eher lichtere Wiesen, weil dort die Sonne besser hin scheint. Die Tiere sind jetzt noch bis in den September hinein aktiv, ihre Jungen sind mittlerweile zumeist geschlüpft. Die Kleinen müssen sich ziemlich in Acht nehmen. Denn Zauneidechsen sind ziemliche Rabeneltern und kümmern sich nicht um den Nachwuchs - im Gegenteil: Wenn sie einen Schlüpfling erwischen, fressen sie ihn kurzerhand auf. Familienplanung sieht anders aus.

© SZ vom 02.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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