Szenario:Aus dem Land der angeborenen Emotionslosigkeit

Szenario: In illustrer Gesellschaft: Martin Frank ist mit dem Sigi-Sommer-Taler ausgezeichnet worden.

In illustrer Gesellschaft: Martin Frank ist mit dem Sigi-Sommer-Taler ausgezeichnet worden.

(Foto: Florian Peljak)

Von Hühnerbeerdigungen in Niederbayern und Großstädtern, die nicht zurückgrüßen: Die Narrhalla zeichnet Martin Frank mit dem Sigi-Sommer-Taler aus.

Von Tom Soyer

Martin Frank, knapp 30 Jahre, Typ schüchterner Schwiegersohn mit niederbayerischer Bauernhofvergangenheit, muss am Sonntagabend lange warten. Erst dann darf er im Wirtshaus im Schlachthof endlich begründen, warum ihn die Münchner Faschingsgesellschaft Narrhalla fürs Jahr 2021 völlig zurecht mit dem Sigi-Sommer-Taler auszeichnet.

Das Rahmenprogramm der insgesamt gut zweieinhalbstündigen Gala mit Claudia Pichlers Aubinger Satiren und André Hartmanns gekonntem Musikkabarett legt die Latte hoch. Aber als Frank dann vom Geschäftsmodell der höchst feierlichen Hühnerbeerdigungen auf dem elterlichen Bauernhof in Hutthurm bei Passau erzählt, springt er so virtuos zwischen Brutalität und Pietät hin und her, dass das Publikum vor Lachattacken nicht mehr hinterherkommt. Die Nummer garniert er mit einer angemessen sensiblen Arie, die er in mitreißender Opernsängerqualität schmettert, um sich gleich wieder zum Publikum zu beugen: "Und wer hot's komponiert? - Natürlich der Hendl!"

Martin Frank bahnt sich den Weg zur Bühne mit Willenskraft. Er nimmt schon als Jugendlicher daheim Beiträge auf, mit denen er sich vergeblich ums Passauer "Scharfrichterbeil" bewirbt, melkt Kühe, pflegt die Oma. Er verkauft Burger, um klassischen Gesangsunterricht zu finanzieren, blitzt ab an Musikhochschulen und tauscht die Laufbahn als Standesbeamter trotzdem mutig gegen das Künstlerdasein ein. Der Niederbayer freut sich über die endlich nachgeholte Ehrung mit dem Sigi-Sommer-Taler, und mit ihm noch einer im Saal, der 2012 Preisträger war und ebenfalls stark bejubelt wird: Ottfried Fischer. Auch Fischer stammt aus einem niederbayerischen Bauernhof, in Ornatsöd (Gemeinde Untergriesbach), nur 25 Kilometer entfernt von Martin Franks elterlichem Hof in Hutthurm.

"Dann glauben alle, jetzt kimmt a Fahrkartenkontrolle."

Als er die Liste der Preisträger gelesen habe, sagt Frank brav und demütig, sei er erschrocken: Monika Gruber, Christian Grünwald, Helmut Schleich, Frank Barwasser, Fredl Fesl, Konstantin Wecker und andere erhielten den Taler vor ihm, Marianne Sägebrecht bekommt ihn für 2020 mit coronabedingter Verspätung auch noch nachgereicht (geplant für November 2022).

Das Brave und Demütige bei Martin Frank kann auch täuschen, er weiß beides als perfekte Tarnung einzusetzen, um Fallhöhe aufzubauen, um bissige, kluge Pointen zu setzen. Etwa, wenn er erzählt, dass ihm die Oma in Niederbayern, "dem Land der angeborenen Emotionslosigkeit", beigebracht habe, andere Menschen zu grüßen. Das habe er am neuen Wohnort München auch so halten wollen, es habe sich aber nicht bewährt. Da grüße keiner zurück. Wenn er in der U-Bahn "Grüß Gott" sage, "dann glauben alle, jetzt kimmt a Fahrkartenkontrolle". Der Niederbayer bewahrt sich eine gewisse Skepsis gegenüber der Stadt.

Den Sigi-Sommer-Taler sieht er insofern als Integrationshilfe in München. Wobei Franks Künstlerkollegin Franziska Wanninger in der Laudatio alle wissen lässt, dass es geradezu ideale Parallelen zwischen Preis und Preisträger gebe, bis hinein in feinste biografische Details: Sigi Sommers Vater Fred sei einst Mitbegründer des (heute noch existierenden) Cowboyclubs München gewesen - und Martin Franks Opa mal zu Pferd in ein Wirtshaus geritten. Passt scho.

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