Opernprojekt:Standleitung nach Windhoek

Lesezeit: 3 min

Zum Kulturaustausch in München: (v.l. hinten) die Mitglieder des deutsch-namibischen Opernprojekts Eslon Hindundu, Galilei Uajenenisa Njembo, Mario Thorhauer, Yonwaba Mbo und Sakhiwe Mkosana, (vorne) Natasha Ndjiharine und Kim Mira Meyer (Foto: Momentbühne München)

Gemeinsam mit afrikanischen Künstlern plant die Münchner Momentbühne Namibias erste Nationaloper, die vom Kolonialismus handelt. Die neue Virusvariante stellt das Ensemble jetzt vor Probleme.

Von Jutta Czeguhn, München

In Windhoek wird am 8. September 2022 im Nationaltheater die erste Namibische Nationaloper "Chief Hijangua" uraufgeführt. "Komme, was wolle", sagt Kim Mira Meyer, die Regie führen wird. Aktuell laufen die Proben - in München. Denn hier ist vor etwa drei Jahren die Idee zu diesem Kooperationsprojekt über den deutschen Kolonialismus in Namibia entstanden. Das ist an sich schon ein mutiges Unterfangen. Was es aber bedeutet, eine Opernproduktion mit am Ende 100 Akteuren aus und auf zwei Kontinenten in Pandemiezeiten voranzubringen, kann man sich wohl nicht mal ansatzweise vorstellen. Komponist und Dirigent Eslon Hindundu und seine Münchner Partner haben beharrlich an ihrem Traum gearbeitet, in vielen langen, manchmal flackernden Zoom-Konferenzen. Und jetzt das. Da scheinen die größten Hürden überwunden, endlich sind sie in München, Komponist Hindundu und seine Sängerinnen und Sänger aus Namibia und Südafrika. Und dann kommen alarmierende Meldungen aus der Heimat, über Omikron, die neue Virus-Variante. Plötzlich ist der Flugverkehr Richtung Kapstadt und Windhoek eingeschränkt. "Wir müssen nun abwarten und improvisieren, es entscheidet sich grad stundenweise", sagt Kim Mira Meyer, als man sie am Telefon erreicht.

Das Münchner Produktionsteam ist nun in ständigem Kontakt mit der Botschaft, mit dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut vor Ort in Afrika. "Entweder wird es so sein, dass unsere Künstler am Wochenende oder in den kommenden Tagen nach Hause fliegen", sagt Meyer. In dem Moment, wenn feststünde, dass der Flugverkehr bald ganz eingestellt werde, wolle man die Gäste sofort in den letzten Flieger setzen. "Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass sie hier festsitzen, aber auch für diesen Fall würde es eine Lösung geben", so die 28-Jährige. Nach einer Krisensitzung hätten sich nun alle noch einmal zum PCR-Test begeben. Natürlich sei dies auch bei der Einreise der fünf aus Afrika geschehen. Nun wolle man aber sicher gehen, auch im Interesse der Hochschule für Musik und Theater, wo Sopranistin Natasha Ndjiharine und ihre Sängerkollegen Galilei Uajenenisa Njembo, Yonwaba Mbo sowie Sakhiwe Mkosana in den vergangenen Tagen schon Kurse in Gesang, Schauspiel und Tanz genommen haben. Bis die Ergebnisse feststehen, sind die Künstler laut Meyer erst einmal auf ihren Zimmern im Salesianum in Haidhausen und bereiten ihre Arien vor. Denn sollten sie bleiben können, sind Konzerte geplant, etwa am 14. Dezember in der Pasinger Fabrik.

"A crazy good idea", so hatte Eslon Hindundu am Freitag bei einer Zoom-Präsentation das Projekt euphorisch beschrieben. Für ihn persönlich und sein Land sei es von enormer Bedeutung. Er und Kim Mira Meyer hatten sich vor knapp drei Jahren bei den Opernfestspielen auf Gut Immling im Chiemgau bei einer "Turandot"-Produktion kennengelernt. Sie war Regieassistentin, der junge Namibier sang im internationalen Festival-Chor und spielte ihr einige seiner Kompositionen vor. Man blieb in Kontakt, auch als Meyer dann fest als Spielleiterin und Regieassistentin am Gärtnerplatztheater engagiert wurde. Und zudem 2020 die "Momentbühne" gründete, ein Projekt für international vernetztes Theater, mit einem jungen Team, das nicht erst groß darüber hirnt, ob jetzt etwas schiefgehen könnte, sondern loslegt. Mögliche Probleme müssen dann eben auf dem Weg gelöst werden. Und es sollten viele werden bei diesem Projekt mit digitaler Standleitung nach Windhoek.

Allegorie auf den Kolonialismus

Während Meyer und Co. in München Strukturen und die Finanzierung aufbauten, ging Hindundu in Namibia ans netzwerken, führte Sängerinnen und Sänger aus drei Chören zusammen, gewann Musiker aus dem Namibian National Symphony Orchestra. Vor allem aber begann er zu komponieren. Immer im Austausch mit Nikolaus Frei in München, der mit ihm zusammen aus vielen namibischen Erzählungen das Libretto entwickelt hat. Erster Impuls, so Frei, sei gewesen, die brutale Kolonialgeschichte sehr konkret darzustellen, mit dem Anspruch, historische Aufarbeitung zu leisten. "Je mehr ich Eslon zuhörte, desto mehr bin ich zur Überzeugung gekommen, dass eine Oper nicht das richtige Genre dafür ist." Die Geschichte von "Chief Hijangua" werde nun, ausgehend vom Geschehen im sogenannten Deutsch-Südwest-Afrika, als Allegorie auf den Kolonialismus überhaupt zu verstehen sein. Gesungen wird in Deutsch und in Eslon Hindundus Sprache Otjiherero. Ein ganz neues Opern-Ideom werde da entstehen, verrät der Komponist, wenn sich klassische europäische Musik und traditionelle namibische Elemente verbinden. Sein großes Vorbild ist hier Antonín Dvořák mit seiner Sinfonie "Aus der neuen Welt", der sich von der Musik der USA inspirieren ließ.

Noch ist Namibias erste Nationaloper nicht fertig. Doch für die Uraufführung am 8. September ist das National Theatre of Namibia gebucht. Sie wollen spielen, komme, was wolle. Und ein Jahr später dann in München.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: