Wirte, Kulturschaffende und alle anderen Menschen, die das Nachtleben in München prägen, haben seit dem 1. Juni einen zentralen Ansprechpartner bei der Stadt. Kay Mayer ist der Leiter der neuen Fachstelle Mona, das steht für "Moderation der Nacht". Er soll ein Netzwerk mit den Akteuren der Nachtkultur aufbauen und Lösungen suchen für die Probleme, die das nächtliche Feiern mit sich bringt. Außerdem soll er einen Runden Tisch zum Nachtleben koordinieren. Auch die Vermittlung bei Konflikten zwischen Anwohnern und Gastronomie gehört zu seinen Aufgaben. Mayer, 37, freut sich auf den Job: "Ich habe viel Bock und bin sehr motiviert", sagt er.
Erfahrung mit der Nacht, ihren Besonderheiten und Herausforderungen bringt er reichlich mit. Mehr als sechs Jahre hat er beim sozialen Träger Condrobs das Streetwork-Projekt Conaction geleitet. Das kümmert sich gezielt um die Feiernden in der Stadt, etwa mit Rundgängen auf der Partymeile zwischen Maximiliansplatz und Glockenbachviertel. Die Themen und Konflikte sind ihm also bestens bekannt. Seine Rolle jedoch wird sich ändern: Bei Conaction war er immer auch Interessensvertretung für junge Menschen, die feiern wollen. Jetzt muss er alle Sichtweisen betrachten, die Interessen verschiedener Akteure hören und zwischen ihnen vermitteln.
Der Titel seiner Stelle - "Moderation der Nacht" - ist Eva Jüsten wichtig, auch in Abgrenzung zu den sogenannten Nachtbürgermeistern in anderen Städten. Jüsten leitet die Stelle für Bürgerschaftliches Engagement und Konfliktmanagement im städtischen Sozialreferat. Dort ist die Fachstelle Mona nun angesiedelt, genau wie das Allparteiliche Konfliktmanagement (Akim), dessen Mitarbeiter als Ansprechpartner bei Konflikten und Störungen im öffentlichen Raum fungieren; sie sind beispielsweise am Gärtnerplatz unterwegs.
Auch in München war anfangs die Rede davon, dass die Stadt einen Nachtbürgermeister oder eine Nachtbürgermeisterin bekommen solle. Deren Rolle sei aber anders angelegt, betont Jüsten - sie verträten vor allem die Interessen der Akteure des Nachtlebens gegenüber Politik und Verwaltung. Dass Kay Mayer der Richtige für die Stelle ist, sei während der Auswahlgespräche per Videokonferenz schnell klar geworden. "Er war der Erfahrenste, als Chefin habe ich das Gefühl, dass er gleich loslaufen kann." Mayer hat Betriebswirtschaft und Eventmanagement studiert, bevor er sich der Sozialen Arbeit zuwandte.
Als Streetworker ging es für ihn um Einzelfälle, um das individuelle Leben der Klientinnen und Klienten. Partytrends, Drogen, Geschlechtskrankheiten, Sexismus, Diskriminierung und Übergriffe im Nachtleben - die Themen werden auch künftig oft ähnliche sein. Und durch seinen ehemaligen Job hat er eine Sensibilität für die Bedeutung des Feierns für (vor allem) jüngere Menschen. Dafür, was es heißt, wenn nun schon der zweite Abschlussjahrgang unter Pandemie-Bedingungen die Schulen verlässt. Wenn Studienanfänger schon wieder keine Erstsemester-Party haben. Dafür, wie wichtig jene Freiräume sind, die die Nacht bieten kann. Die allermeisten Themen, die sich nachts abspielen, seien "Spiegelbilder der Gesellschaft", sagt er.
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Als Leiter der Fachstelle Mona wird sein Fokus weiter sein, und er wird eher die Metaebene betrachten. Das klingt noch reichlich abstrakt, und am Anfang darf es das ja auch sein. Nun wird es darauf ankommen, die neue Stelle mit Leben zu füllen. Mayer will in den nächsten Wochen viele Gespräche führen, Kontakte knüpfen, sich vorstellen. Bei Wirten und Kulturveranstaltern ebenso wie in der Stadtverwaltung oder bei der Polizei. Bei Clubbetreibern, Türstehern, DJs, Barkeepern, beim Schwulen- und beim Lesbenzentrum. "Sie alle haben eine besondere Sicht auf die Nacht", sagt Mayer. Er will zuhören, Fragen stellen: Wie ist es den Akteuren in der Corona-Zeit ergangen? Was sind ihre Anliegen?
Die Corona-Pandemie hat die Gesetze der Nacht in München auf den Kopf gestellt. Die Gastronomie war monatelang geschlossen, Clubs und Bars sind es immer noch. Es gab Ausgangssperren, es gab - und gibt noch immer - Alkoholverbote an bestimmten Plätzen. Konflikte, die vorher schon existierten, haben sich mitunter verschärft. Gerade wegen der Beschränkungen und Auflagen durch Corona dürfte der Rede- und Vernetzungsbedarf riesig sein.
"Das Nachtleben unterliegt großen Einschränkungen durch die Pandemie", sagt Sozialreferentin Dorothee Schiwy. Sie sei aber zuversichtlich, "dass wir nach und nach wieder ein aktives, lebensbejahendes Nachtleben in der Stadt haben werden". Und sie findet es umso wichtiger, dann eine Stelle zu haben, "die die verschiedenen Bedürfnisse rund um das nächtliche Feiern aufnimmt, sammelt und miteinander in den Austausch bringt". Es hat gedauert, bis diese Fachstelle nun tatsächlich ihren Dienst aufgenommen hat. Fast zwei Jahre ist es her, dass der Stadtrat einstimmig beschlossen hat, sie einzuführen.
Im September soll der Runde Tisch Nachtleben zum ersten Mal stattfinden, von da an dann wohl vier Mal im Jahr. Dabei soll es irgendwann auch um die vom Stadtrat ebenfalls schon 2019 beschlossene Modellregion rund um die Müllerstraße im Glockenbachviertel gehen. Dort sollen innovative Ideen getestet werden, um nächtliches Feiern und Lebensqualität der Anwohner besser in Einklang zu bringen. Ob daraus heuer noch etwas wird, ist allerdings offen. Nächstes Jahr soll Kay Mayer dann auch eine Ausbildung zum Mediator machen. Manchmal fragt Eva Jüsten sich jetzt schon: "Wie soll das ein Mensch alles machen?" Sie hofft, dass Mayer irgendwann noch eine Kollegin oder einen Kollegen zur Seite bekommt.