Die Nacht der SZ-Autorinnen und Autoren:Über das Gegen- und Miteinander in unserer Gesellschaft

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Bei der Nacht der SZ-Autorinnen und Autoren gab es unter anderem FDP-Politikerin Susanne Seehofer, Tochter von Horst Seehofer (CSU), im Gespräch mit Ressortleiterin Ulrike Heidenreich (rechts) zu erleben. (Foto: Leonhard Simon)

Im Münchner Volkstheater präsentiert sich die Süddeutsche Zeitung als Live-Erlebnis ihren Leserinnen und Lesern. Obwohl es viel um die Spaltung der Gesellschaft in Deutschland und im Ausland geht, wird der Abend ein großes Miteinander.

Von Ekaterina Kel

Wie tief ist die Spaltung? Eine Frage, die sich wie ein roter Faden durch den Abend im Volkstheater schlängelte. Von Bühne eins zu Bühne drei, von der Dämmerung bis in die dunklen Abendstunden. Die „Nacht der Autorinnen und Autoren“ der Süddeutschen Zeitung an diesem Freitag war geprägt von politischer Analyse. Und immer wieder kamen die Journalistinnen und Journalisten auf den Podien auf verschiedene Spaltungen in der Gesellschaft zu sprechen, beleuchteten schon bestehende oder sich anbahnende Risse – schlugen ernste Töne an. Und vergaßen trotzdem nicht das Lachen.

Aber mal von vorn. Das luftige Foyer des neuen Volkstheater-Baus im Münchner Schlachthofviertel bietet wunderbar viel Platz. Für ruhiges Ankommen, für erste Gespräche im Foyer, etwa zu der Frage, wie die Süddeutsche Zeitung eigentlich über den Verlauf des Krieges in der Ukraine aus der Ferne berichtet. Kassian Stroh und Dimitri Taube vom Newsdesk-Team erklären Interessierten ihre Arbeit, deuten auf Karten, die sie auf einen Bildschirm projizieren.

Im Foyer erklärten Kassian Stroh und Dimitri Taube, wie Informationen über den Krieg in der Ukraine aufbereitet und präsentiert werden. (Foto: Leonhard Simon)
Schlangenbildung: Das Interesse an vielen Veranstaltungen war groß. (Foto: Leonhard Simon)
Im Dialog: Chefredakteurin Judith Wittwer im Austausch am SZ-Kiosk. (Foto: Leonhard Simon)

Nicht mehr ganz so viel Platz gibt es anschließend im großen Saal, der Bühne eins, als der Leiter des Politikressorts Stefan Kornelius und Podcast-Redakteurin Nadja Schlüter sich dem US-Wahlkampf widmen. „Wie kann das gehen, dass ein Land so gespalten wird?“, fragt anfangs Kornelius.

Zusammen mit Schlüter zeigt er, dass die politische Polarisierung in den USA auch ein Ergebnis einer bewussten Verzerrung im Wahlsystem ist, etwa weil am Ende nur einige Hunderttausend Stimmen darüber entscheiden werden, ob Kamala Harris oder Donald Trump das weltweit einflussreichste Amt zugesprochen bekommt.

Zugeschaltet sind die US-Korrespondenten Peter Burghardt und Boris Herrmann. Beide schildern ihre Eindrücke von ihren Recherchereisen aus tief polarisierten Staaten. Im US-Staat Arizona, einem stark umkämpften Swing-State, seien alle „wahnsinnig nervös“, berichtet Burghardt. Auf dem Dach des Wahllokals sollen sogar Scharfschützen positioniert werden – für den Fall, dass die Stimmung kippt.

Drei weitere Korrespondentinnen und Korrespondenten der SZ bemühen sich auf Bühne zwei um weniger alarmistische Töne. So gibt David Pfeifer (Indien und Südostasien) seine Eindrücke zum Besten, wie es ist, in Bangkok zu leben: „Wir hatten auch schon mal eine Schlange im Haus, und auch Kakerlaken“, sagt er seelenruhig.

David Pfeifer (Indien und Südostasien) und Lea Sahay (China, rechts) sprechen mit Politikchefin Katharina Riehl (Mitte) darüber, was man in der Ferne über sich selbst, Deutschland und die Welt lernt. Silke Bigalke ist aus Russland zugeschaltet. (Foto: Leonhard Simon)

Aber eine gewisse Traurigkeit schwingt trotzdem deutlich mit, als etwa Silke Bigalke aus Moskau berichtet, wie schwer es für sie mittlerweile im stark autoritären Russland geworden ist, als Journalistin zu arbeiten. Auch Lea Sahay kennt ähnliche Repressionen in China, wo sie seit vielen Jahren als Korrespondentin lebt. Die Menschen hätten mittlerweile immer mehr Angst, ihre Geschichten zu erzählen. „Uns in Deutschland ist gar nicht bewusst, wie wenig wir aus dem Land mittlerweile noch wissen“, so Sahay.

Als Bigalke anschließend sagt, in Deutschland unterschätze man, „wie viel Rückhalt Putin in Russland hat“, ist es für einen Moment im Saal ganz still. Die allermeisten Russen, die anders denken, seien aus dem Land ausgereist, erzählt Bigalke. Da ist sie wieder, die Spaltung. Selbst nebenan auf Bühne eins, wo mittlerweile die Tochter des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, Susanne Seehofer in einer Live-Aufnahme für den Podcast „München persönlich“ spricht, geht es um Trennendes.

Erklärt, wie sie zur FDP kam: Susanne Seehofer (FDP). (Foto: Leonhard Simon)

Da wäre zunächst die Abspaltung der Tochter vom Vater in Form der Parteiwahl. Susanne Seehofer ist aktive FDP-Politikerin, kandidierte in München zum Beispiel bei der vergangenen Landtagswahl für ein Direktmandat. Und sie sagt: „Seit ich ein Teenager war, war für mich klar, dass ich eine Liberale bin.“ Bei welcher Partei ihr Vater lange in führenden Rollen war, muss man wohl kaum erwähnen. Kann man aber, zum Beispiel so: Der Vater der darauffolgenden Interviewpartnerin auf der Bühne, Gloria-Sophie Burkandt, ist bei derselben Partei – es ist der aktuelle bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder.

Erklärt, wie sie Model wurde: Gloria-Sophie Burkandt, die Tochter von Ministerpräsident Markus Söder. (Foto: Leonhard Simon)

Burkandt, 25 Jahre alt, startet mit dem Satz „Ich bin nicht Daddy’s Girl“. Sie sei ein Freigeist und habe schon immer gemacht, was sie wolle. Und den Vater, von dem sie getrennt aufwuchs, erlebte sie „lustig und super entspannt, daheim in Jogginghose“. Trotz allem also die Verbindung.

Nächster Talk, nächste Schlange. So mancher Gast wird an diesem Abend nicht sofort dort rein kommen, wo er rein möchte – die Plätze sind begehrt. So auch bei der Podiumsdiskussion um die Meinungsbeiträge der SZ. Hier dreht sich das Gespräch recht bald um die lautstarken sozialen Medien und so manche Debatte, die darin in einer Art „Empörungsspirale“ hochgefahren wird. „Unsere Antwort auf die sozialen Medien kann nicht sein, lauter zu sein und in den Chor der Empörten einzustimmen“, sagt Chefredakteurin Judith Wittwer.

Aber die Spaltung, die macht auch vor dieser Debatte nicht halt. Der Investigativ-Journalist Georg Mascolo wiederholt den Eindruck aus den USA, der zu Anfang des Abends anklang, dass die Medienlandschaft dort mittlerweile stark gespalten sei und einzelne Fernsehsender einen Teil der Wirklichkeit komplett ausblendeten. In Deutschland sei es noch lange nicht so weit.

Eine Mahnung zur Wahrhaftigkeit im Journalismus spricht der freie Autor Georg Mascolo (Mitte) mit Detlef Esslinger und Meredith Haaf aus, die das Meinungsangebot der Süddeutschen Zeitung verantworten. (Foto: Leonhard Simon)

Jedoch warnt Mascolo eindringlich vor der spürbaren Polarisierung in der deutschen Medienlandschaft: „Möglicherweise sind die Striche ein bisschen blasser, aber die Zeichen sind alle an der Wand.“ Als Journalist müsse man sich deshalb weiterhin um eine Wahrhaftigkeit bemühen.

Spaltung pur gibt es anschließend, als es um die Wahlerfolge von AfD und BSW in drei ostdeutschen Bundesländern geht. Das Auftreten der AfD-Abgeordneten im Bundestag, sagt der Parlamentskorrespondent Roland Preuss, sei „nicht mehr politische Gegnerschaft, sondern politische Feindschaft“. Deshalb sind sich die Journalisten auf der Bühne einig: Man darf sowohl die Problembeschreibung als auch die Lösung nicht den Rechten überlassen, um das Auseinanderdriften der Gesellschaft nicht noch zu fördern. Etwa bei der Migrationspolitik.

Stellvertretende Politik-Ressortleiterin Karoline Meta Beisel moderiert zum Abschluss eine spannende Debatte um ein mögliches Parteiverbotsverfahren gegen die AfD samt Spontan-Abstimmung im Publikum. Wie diese ausgeht: grob 50:50. Auch das passt zum Thema Uneinigkeit.

Das Panel „Links oder rechts oder nichts davon – wie soll eine Zeitung sein?“ fesselt die Zuhörer. (Foto: Leonhard Simon)

In die kühle Nacht entlassen hat man die Zuschauer dann mit einer Analyse der nächsten großen Bewährungsprobe des Landes: des sich anbahnenden Duells ums Kanzleramt zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz. „Der Kampf wird extrem spannend“, sagt Nicolas Richter, Chef des Berliner Parlamentsbüros. Nicht zuletzt wegen der Frage, wie man das Land aus der wirtschaftlichen Misere herausholen soll. Die zwei haben da sehr unterschiedliche Ansätze – man muss bloß zusehen, wie sich die verschiedenen Teile nach der Wahl wieder zu einem großen Ganzen zusammenführen lassen.

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