Es war ein dünner, gelber Brief, darin ein Schreiben, gegen das Annette Rinn am besten Widerspruch eingelegt hätte. Aber sie war im Urlaub. Eine Frist verstrich. Nach Rinns Rückkehr klingelte dann bald eine Gerichtsvollzieherin und wollte ein paar Hunderttausend Euro. Weil Rinn die nicht hatte, stand sie eine halbe Stunde später vor dem Nichts. Gerade noch war sie erfolgreiche Architektin mit verlässlichen Geschäftspartnern. Dann war sie insolvent.
Meine Kollegin Pia Ratzesberger hat Rinn zum Gespräch getroffen, um nachzuspüren, wie es etwa 1600 Menschen in München jährlich ergeht. (Lesen Sie hier mit SZ-Plus.) Das kann die junge Gründerin sein, deren Idee nicht zündete. Oder das Ehepaar, das beim Wohnungskauf betrogen wurde. Welche Lebenslagen häufig in die Schuldenfalle führen, lesen Sie hier."Es kann letztlich jeden treffen", sagt Rinn. Bei den Treffen der "Anonymen Insolvenzler", die sie einmal im Monat organisiert, war in zehn Jahren nur ein einziges Mal ein Spieler da.
Natürlich war das naiv, dass Rinn ihren Briefkasten im Urlaub nicht leeren ließ. Da macht sie sich selbst keine Illusionen. Aber wer rechnet schon ständig damit, dass er sechsstellige Beträge zahlen muss, zumal wenn er im besten Wissen handelt? Es hilft nun ja sowieso nichts mehr, zu hadern. Ihr fehle nichts aus ihrem früheren Leben, sagt Rinn. Aber ein schales Gefühl bleibt, nämlich das, "in dieser Gesellschaft nicht richtig funktioniert zu haben".
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