Statt eines leisen Raschelns hört man es hier eher aus den Einkaufskörben klirren. Denn im Unverpackt-Laden in Laim gibt es keine Pasta aus Plastiktüten, keine Bohnen aus der Aludose und auch keine Gurken, die in Frischhaltefolie eingewickelt sind. Hier füllen die Kundinnen und Kunden ihre Lebensmittel selbst ab - vorzugsweise in mitgebrachte Behälter aus Glas. Den Unverpackt-Laden an der Willibaldstraße im Münchner Westen gibt es seit Juni 2020 - er ist genossenschaftlich organisiert und war in München damit der erste dieser Art. Nun will auch eine Genossenschaft im Münchner Norden nachziehen und einen weiteren Laden eröffnen, in dem verpackungsfreies Einkaufen möglich ist. Auf den ersten Blick eine gute, nachhaltige Idee - doch funktioniert das Konzept auch in Zeiten von Energiekrise und Inflation?
"Wir rennen von einer Krise in die nächste", sagt Evi Piehlmeier. Die Mathematikerin sitzt im Vorstand des Unverpackt-Ladens in Laim und weiß, dass Einzelhändler, insbesondere auch Bio- und Unverpacktläden, aktuell vor Problemen stehen. Denn die Kosten sind vielerorts zu hoch und der Umsatz ist zu gering. Wofür am meisten Geld ausgegeben werde? "Personal", sagt Piehlmeier - aber auch der Einkauf der Waren sei teurer geworden, viele Zulieferer hätten die Mindestbestellmenge nach oben gesetzt, und jetzt müsse man sich noch für die steigenden Energiepreise wappnen. Die Devise lautet also jetzt: Interne Kosten einsparen. Zum Beispiel indem nicht mehr nur eine externe Firma den Laden putzt, sondern vieles auch von den Ehrenamtlichen selbst erledigt werde, erzählt Piehlmeier.
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Dass der Umsatz im Einzelhandel sinkt, ist für die Mathematikerin keine Überraschung: "Wo schauen die Leute jetzt wieder als erstes? Beim Essen einkaufen." Gerade inhabergeführte Unverpackt-Läden leiden laut Piehlmeier darunter und müssen vielerorts schließen. Nach Angaben des deutschen Unverpackt-Verbandes, der 322 Läden zu seinen Mitgliedern zählt, haben im laufenden Jahr 35 Betriebe geschlossen - größtenteils aus wirtschaftlichen Gründen. Im Jahr 2021 waren es nur 13. Der Vorteil des Laimer Unverpackt-Ladens sei, dass er sich genossenschaftlich organisiert, sagt Piehlmeier. Mittlerweile besitzen mehr als 540 Mitglieder mindestens einen Anteil und unterstützen damit das verpackungsfreie Einkaufen im Münchner Westen. "Wenn die Butter hier um zehn Cent teurer ist als bei Alnatura, kaufe ich sie trotzdem hier, weil es mein Laden ist", erzählt Piehlmeier. Dieses Bewusstsein hätten auch viele andere im Viertel und würden trotz steigender Preise weiterhin im Unverpackt-Laden einkaufen.
Nachhaltigkeit beim Einkaufen ist auch einer Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern im Münchner Norden wichtig. Und weil es in Moosach noch keinen Unverpackt-Laden gibt, hat sich dort im März 2022 eine weitere Genossenschaft gegründet, mit dem Ziel, einen zu eröffnen. Aktuell suchen die Mitglieder nach einem passenden Laden und werben um weitere Unterstützerinnen und Unterstützer. Eine offizielle Eintragung im Genossenschaftsregister gebe es bisher noch nicht, sagt Benedikt Häuser. Er ist im Aufsichtsrat des neu geplanten Unverpackt-Ladens. Ein Anteil kostet 150 Euro - bisher hätten um die 50 Personen mindestens einen gezeichnet, manche auch mehr. In der Summe habe die Genossenschaft aus dem Münchner Norden aktuell etwa 15 000 Euro zur Verfügung, sagt Häuser. Noch nicht genug, um einen Laden auch wirklich zu eröffnen. Denn: Kaution, Möbel und Warenbefüllung - das alles muss bezahlt werden.
"Das Wunschziel, auch in Absprache mit den anderen Läden, ist irgendwo bei 60 bis 70 000 Euro, sodass man auch genug Rücklagen hat", sagt Häuser. Mit "anderen Läden" meint er etwa den Laimer Unverpackt-Laden. Die Genossenschaft im Münchner Westen hat den Neulingen unter anderem Tipps beim Thema Gründung und Businessplan gegeben. "Wir sehen uns da nicht als Konkurrenz, sondern finden es toll, wenn in jedem Stadtteil ein Unverpackt-Laden wäre ", sagt Evi Piehlmeier aus Laim.
Aktuell gibt es in München laut dem deutschen Unverpackt-Verband sieben Läden, in denen verpackungsfreies Einkaufen möglich ist. Wenn ein passender Standort gefunden wird, gäbe es in Moosach den zweiten Münchner Unverpackt-Laden, der sich als Genossenschaft organisiert. Zeichnet sich damit ein neuer Trend in der Branche ab? Vom Verband heißt es, dass der Diskurs um die genossenschaftliche Organisations- und Rechtsform in deren Community lebendig sei. Auch bereits bestehende Projekte würden sich darüber austauschen, ob eine Änderung der Rechtsform Sinn mache - so könnten beispielsweise wirtschaftliche Krisen durch Genossenschaften besser abgefedert werden.
Ähnlich sieht es Evi Piehlmeier vom Laimer Unverpackt-Laden. Obwohl die Bürokratie einer Genossenschaft viel Zeit fresse, findet sie die Unternehmensform für Unverpackt-Läden richtig. Als Genossenschaft habe der Laden an der Willibaldstraße nicht das Ziel, Gewinne zu machen, meint Piehlmeier: "Die schwarze Null, mehr wollen wir nicht." Sollte es zum Worst-Case kommen und der Laden schließen müsse, würden Mitglieder mit einem Anteil keine allzu hohe Geldsumme verlieren. Trotz Energiekrise und steigenden Lebensmittelkosten blickt sie optimistisch in die Zukunft. Auch der Unverpackt-Verband teilt mit, dass sie unabhängig von der derzeitigen Situation vom Konzept überzeugt sind - denn unverpackt heiße häufig auch "bio" und "regional."
Schwieriger einzuschätzen sei die aktuelle Lage für die neu gegründete Genossenschaft im Münchner Norden. "Wir haben jetzt einen Businessplan, der ist natürlich mit einer gewissen Unsicherheit versehen", sagt Benedikt Häuser. Wie sich das Einkaufsverhalten in einem halben Jahr verändere, könne er nicht voraussagen - vor allem, weil es den Moosacher Unverpackt-Laden noch gar nicht gibt. Das Vorhaben an sich habe die Genossenschaft jedoch nicht in Frage gestellt.