MVG-Leitstelle:"Ohne uns würden die Züge gar nicht fahren"

MUENCHEN: Neue Leitstelle der MVG

Grüne Punkte schieben sich permanent über den riesigen Bildschirm. Jeder steht für einen U-Bahn-Zug.

(Foto: Leonhard Simon)

Aus dem neuen Betriebszentrum der Münchner Verkehrsgesellschaft werden U-Bahn, Bus und Tram koordiniert. Der Wechsel war notwendig - nicht nur weil man künftig auf steigende Fahrgastzahlen setzt.

Von Linus Freymark

Und dann ist es doch passiert! Bislang war der Vormittag ruhig, hier eine Rolltreppe, da ein kleiner Stau, aber ansonsten ist nicht viel passiert. Und jetzt, kurz vor halb zehn: eine kaputte Weiche bei der U4 im Lehel. Die Folge kann man auf einem der riesigen Bildschirme sehen, über die sich grüne Punkte schieben. Die Punkte sind die Züge der U-Bahn, einer von ihnen schleppt nun eine 7 mit sich herum: sieben Minuten Verspätung wegen der Weiche.

Bei der zuständigen Mitarbeiterin im Betriebszentrum der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ist deshalb auch ganz schön Betrieb, die Fahrer der anderen Züge melden sich, fragen, was sie tun sollen - warten oder weiterfahren? Und die Frau hinter den vielen Monitoren und Telefonen auf ihrem Schreibtisch koordiniert die einzelnen Bahnen, damit der Schaden für den Betriebsablauf und die Fahrgäste so gering wie möglich bleibt.

Gerade bei der U-Bahn sei eine zentrale Leitstelle von essenzieller Bedeutung, erklärt der Leiter des Betriebszentrums, Jens Wagner: "Ohne uns würden die Züge gar nicht fahren." Denn die Menschen in der Leitstelle bedienen unter anderem die Stellwerke. Hinzu kommt die Kommunikation mit den Fahrgästen und den Fahrern. Kommt es zu einer Störung, wie es etwa in kleinerem Umfang eben bei der U4 geschehen ist, sorgen die Mitarbeiter der Leitstelle dafür, dass die nachfolgenden Züge nicht im Tunnel stehen bleiben, sondern an den Bahnhöfen auf ihre Weiterfahrt warten. Ein kleiner erster Schritt, der das Warten für die Fahrgäste aber gleich angenehmer macht. "Niemand von uns steht schließlich gern in einem Tunnel", meint Wagner.

Kann ein Kollege nicht zur Arbeit kommen, kümmert sich der Personaldisponent um Ersatz

Neben der Behebung der Störung ist in einem solchen Fall auch die Information der Fahrgäste notwendig, die ebenfalls aus dem Betriebszentrum erfolgt. Zudem verfügt die MVG über rund 100 Mechaniker im Außendienst, die bei Bedarf schnell an den Ort des Geschehens geschickt werden können - auch deren Koordination erfolgt aus dem Großraumbüro in der Zentrale der Stadtwerke München (SWM) an der Emmy-Noether-Straße. Für die kleinen Alltagsprobleme müssen sie ebenfalls hier Lösungen finden: Ist ein Kollege erkältet und kann nicht zur Arbeit kommen, kümmert sich der Personaldisponent um Ersatz.

All diese Probleme löse man dadurch, dass man miteinander spreche, erklärt Wagner: "Kommunikation ist unser Hauptwerkzeug." Und weil das so ist, klingelt dauernd irgendwo ein Telefon, rauscht ein Funkspruch aus den Lautsprechern, spricht ein Mitarbeiter. Still ist es hier also nie, aber wegen der Akustik des Raumes trotzdem gut auszuhalten.

MUENCHEN: Neue Leitstelle der MVG

Im Großraumbüro ist die Kommunikation das "Hauptwerkzeug". Dauernd klingelt ein Telefon, rauscht ein Funkspruch, spricht ein Mitarbeiter.

(Foto: Leonhard Simon)

In den alten Räumlichkeiten, die sich in einem Nebengebäude befanden, war das noch ein bisschen anders. Da habe es einen ziemlichen Hall gegeben, erinnert sich Wagner. Auch deshalb waren die meisten froh über den Umzug. Der war auch notwendig, denn in den vergangenen Jahren sind die technischen Möglichkeiten und damit die Sicherheitsanforderungen extrem gestiegen. In den alten Räumlichkeiten haben dafür irgendwann die Ressourcen gefehlt: Riss dort ein Stromkabel, konnte es sein, dass die gesamte Leitstelle lahmgelegt wurde. "In unserem neuen Betriebszentrum haben wir alles zweimal", erklärt Wagner. "Also: mindestens zweimal."

Und noch eine Neuerung gibt es: Bislang waren die Mitarbeiter, die für Bus und Tram zuständig sind, von den Kollegen getrennt untergebracht, die den Betrieb der U-Bahn im Blick haben. Fällt aber beispielsweise eine U-Bahn aus, verlagert sich der Verkehr in rasanter Geschwindigkeit an die Oberfläche. Um die Nachfrage zu bedienen, braucht es manchmal zusätzliche Busse, die die Leitstelle anfordern muss. Manchmal hat aber früher die für Bus und Tram zuständige Abteilung erst von der Störung erfahren, wenn die Haltestellen schon voller genervter Fahrgäste aus der U-Bahn waren. Das laufe jetzt - da alle in einem Büro arbeiten - deutlich besser, sagt Wagner: "Das ist auch wichtig, denn da können manchmal schon ein paar Minuten sehr, sehr wichtig sein."

MUENCHEN: Neue Leitstelle der MVG

Für Jens Wagner, den Leiter des Betriebszentrums, war der Umzug in die neue Leitstelle ein Segen.

(Foto: Leonhard Simon)

Seit dem 30. September werden die Münchner Busse, Tram- und U-Bahnen nun aus dem neuen Büro heraus koordiniert, beim Umzug hatte man bei der MVG auch die Zukunft im Blick. Weil die Politik will, dass die Menschen mehr Rad und Bahn fahren, rechnet man mit steigenden Fahrgastzahlen in den nächsten Jahren, hinzu kommen große Projekte wie der Bau der U9. Und deshalb gibt es im Betriebszentrum 34 Arbeitsplätze - dabei arbeiten dort bei Vollbesetzung bislang nur 26 Menschen. "Wir haben schon auch perspektivisch gedacht", erklärt Wagner.

Apropos perspektivisch: Die neue Leitstelle verfügt auch über einen Besucherraum - dieser wird aber frühestens im Frühjahr eröffnen. Man wolle damit so viel Transparenz wie unter den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen eben möglich schaffen, sagt Jens Wagner. Und vielleicht trägt das ja dazu bei, dass das Bewusstsein für den enormen Aufwand größer wird, der für den Betrieb den öffentlichen Nahverkehrs nötig ist - und damit der Ärger über die nächste Panne bei der U4 kleiner.

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