Es dauert am Montagabend, bis es endlich dunkel genug ist, um erkennen zu können, warum an die hundert Menschen vom Marienplatz aus ihre Blicke gebannt auf die Fassade des Alten Rathauses richten. Gegen 20 Uhr ist es dann so weit: „Frohes Fest“, „Eid mubarak“ oder „Ciid wanaagsan“ lässt sich nacheinander in insgesamt 13 verschiedenen Sprachen deutlich und in leuchtender Schrift auf dem hellen Grund wahrnehmen. In den letzten Stunden des Ramadan 2025 zum Zuckerfest Eid al-Fitr schickt die Stadt damit erstmals einen Feiertagswunsch an ihre praktizierenden Muslime, um ein Zeichen der Verbundenheit zu setzen, im Herzen der City.
„Irgendwie ist es aufregend und ein schöner Moment, den Gruß auftauchen zu sehen“, sagt Bettina Mehic. Sie ist Mitglied des liberalen Münchner Forums für Islam und war in verschiedenen Vorbereitungszirkeln am Werden der Premiere beteiligt. „Es ist schön, dass auch einige Kinder und Familien da sind.“ Ein kleiner Junge geht gerade durch die Reihen und bietet den Umstehenden in einer Schachtel Schoko-Bonbons an. Mütter reichen Geschenktütchen mit der Aufschrift „Eid Mubarak“ weiter. Die Stimmung ist leicht aufgekratzt.

Megzon Mehmedali, 28, vom Migrationsbeirat München war schon da, bevor die Leuchtschrift kurz vor halb acht an die Hauswand geworfen wurde. Das Lächeln scheint ihm wie ins Gesicht gemeißelt zu sein. Als Mitglied des städtischen Migrationsbeirates hatte er vergangenes Jahr den Antrag gestellt, dass München es Frankfurt gleichtut und in der Innenstadt während des gesamten Fastenmonats eine Ramadan-Illuminierung installieren solle.
Gut, das, was da von der Rathausfassade scheint, ist für Nichteingeweihte am Montagabend leichter zu übersehen als zu sehen. Aber er freue sich trotzdem, sagt Mehmedali: „Für mich und viele ist das hier ein Akt, dass man religiöse Vielfalt auch mit Stolz präsentiert.“ Um hier sein zu können, habe er seine familiären Feierlichkeiten zeitlich etwas verschoben. Ein Tag mit guten Ramadan-Wünschen in der Stadtmitte sei zwar noch etwas wenig, „aber es ist ein guter erster Schritt und ich glaube, da geht künftig noch mehr“. Sein Kollege Arif Abdullah Haidary, stellvertretender Vorsitzender des Migrationsbeirats, betont das Positive: „Das gibt einem das Gefühl, dass wir willkommen und hier zu Hause sind.“
Die leuchtende Premiere hatte einen holprigen Vorlauf. Gedacht als Zeichen, muslimisches Leben in der Stadt ganz zentral und damit öffentlich sichtbar zu machen, hat der Umfang der wenige Stunden währenden Illumination bei Teilen der Münchner Muslime bereits vor dem Ereignis Enttäuschung ausgelöst. Sie hätten sich von der Landeshauptstadt ein mutigeres Zeichen gewünscht. Als Vorbild gilt etlichen Frankfurt, das im vergangenen Jahr erstmals unter anderem mit „Happy Ramadan“-Leuchtschriften einen Straßenzug den ganzen Fastenmonat lang erhellt hatte.
Ausgangspunkt für die religiöse Grußbotschaft am Montag im Herzen von München war ein Stadtratsantrag von Grünen, SPD und Linken im vergangenen Jahr. Sie hatten die Stadt darin aufgefordert, zusammen mit einem „geeigneten Verein“ ein abendliches Fastenbrechen während des Ramadans auszurichten und damit ihre Verbundenheit mit praktizierenden Musliminnen und Muslimen zum Ausdruck zu bringen. Daraus wurde nichts. Die Rathausverwaltung hatte gemahnt, die „religiös-weltanschauliche Neutralität“ zu wahren und davon abgeraten. Der Stadtrat schloss sich der Einschätzung in seiner Abstimmung im Dezember 2024 an. Und sprach sich in dem Zuge für den Lichtergruß am Alten Rathaus aus.
Die politische Idee des Stadtrats, sich überhaupt dafür einzusetzen, dass die ganze Stadtgesellschaft aufmerksam wird auf die Feier des Ramadan und damit Traditionen im Islam, fußt auf dem Wunsch, dem auch in München zunehmenden antimuslimischen Rassismus zu begegnen. Mehr vom Leben der Nachbarn zu erfahren, so die Hoffnung, kann diffusem Fremdeln und Voreingenommenheiten entgegenwirken.
Die Mutter von Emna, acht Jahre, und Suleiman, fünf Jahre, ist über die sozialen Medien auf das kleine Event aufmerksam geworden. Am Montagabend steht die gebürtige Tunesierin mit ihren Kindern und ihrer Schwester auf dem Marienplatz. Schön finde sie diese Aktion. „Das zeigt, dass wir zu dieser Stadt gehören, und auch für die Kinder ist es toll.“

Bürgermeisterin Verena Dietl ist am Abend auf einen Sprung vom Rathaus herübergekommen. Sie kann sich kaum retten vor Fotowünschen. Muslimische Frauen, Männer und Kinder wollen ein Selfie mit ihr. Sie habe das Gefühl, dass viele, die hergekommen seien, es zu schätzen wüssten, wenn die Stadt „ihre religiösen Bedürfnisse ernst nimmt“. Immerhin lebten 200 000 Muslime in der Stadt, und auch wenn das aktuelle Zeichen nicht ganz so groß sei, seien manchmal auch „kleine Schritte schon bedeutsam“.
Immerhin ein „erstes Signal“ konstatiert der Penzberger Imam und Vorsitzende des Münchner Forums für Islam, Benjamin Idriz, etwas schmallippig. Seine Frau Nermina, der wie vielen Frauen an diesem Abend eine Rose überreicht wird, ist gnädiger: „Es war eine schöne Atmosphäre.“ Sie wirbt für einen langen Atem: „Man braucht sehr viel Geduld miteinander.“
Künftig soll der Feiertagsgruß zum Ramadan in München jedes Jahr aufleuchten. Genauso wie die Wünsche zum jüdischen Lichterfest Chanukka, die vergangenen Dezember an derselben Stelle zum ersten Mal von der Fassade des Alten Rathauses strahlten. Bevor der Regen die Versammelten am Montag vom Marienplatz treibt, konstatiert Marian Offman, der jüdische SPD-Stadtrat und städtische Beauftragte für interreligiösen Dialog, dass die Leucht-Botschaft in nüchterner Schrift „schon rein gestalterisch noch Luft nach oben hat, das gilt für den Ramadan wie für den Chanukka-Gruß“. Die Darstellung müsse die Aufmerksamkeit der Münchner Stadtgesellschaft erregen. „Jetzt haben wir ein Jahr Zeit, das zu verbessern.“