Abschlusskonzerte im Haus in der Kunst:Die feine Experimentalmusik-Reihe „Frameless“ endet

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Die Pariser Klangkünstlerin Tomoko Sauvage kombiniert bei ihren Konzerten Wasser, Keramik, Unterwasserverstärker und Elektronik. (Foto: Benedict Phillips/Full of Noises)

Das oft sehr junge Publikum lauscht den Konzerten geradezu ehrfürchtig. Nach zehn Jahren und noch zwei besonderen Abenden ist Schluss. Das sind die Gründe.

Von Jürgen Moises

Ein Publikum, das still, andächtig lauscht, das gibt es bei vielen klassischen Konzerten. Bei elektronischer Musik kennt man das eher nicht. Bei der seit zehn Jahren existierenden Münchner Reihe „Frameless“ war das anders.

Da sah man Zuhörer geradezu ehrfürchtig oder in meditativer Haltung auf ihren Stühlen sitzen, während die Musiker ihre Synthesizer, Sampler, Laptops oder Loop-Maschinen bedienten. Wobei, analoge Instrumente, die gab es bei „Frameless“ auch. Aber sie wurden selten konventionell, meist eher experimentell, klangkünstlerisch eingesetzt. Da verflossen zuweilen die Grenzen zum Jazz, zur neuen Musik. Was auch auffiel: Das Publikum war relativ jung, oft Pop-affin. Und sehr interessiert an neuen, elektronischen Ausdrucksformen.

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Zumindest war das in den ersten fünf Jahren so, in denen die feine, von Karin Zwack kuratierte Musikreihe kostenlos im Einstein Kultur stattfand. Danach wurde aus „Frameless“ wegen Corona eine zweijährige Stream-Reihe, gefolgt von drei Bezahl-Ausgaben im Volkstheater. Auch da war der Saal voll, es wurde ehrfürchtig gelauscht. Und trotzdem soll es nach zwei Konzerten am 29. und 30. November im Haus der Kunst mit „Frameless“ nun vorbei sein.

Wieso? Weil Zwack „seit eineinhalb Jahren im festen Team der Münchener Biennale und beim International Dance Festival“ arbeitet, wie sie auf Nachfrage erzählt. Und nur so „nebenbei“ würde das „nicht funktionieren.“ Jedenfalls nicht so, dass sie ihrem „eigenen Anspruch“ gerecht wird.

Habe sie doch bei „Frameless“ von der Kuration über Presse, Grafik und Organisation bis hin zum Booking „alles selbst gemacht“. Hinzukam, dass „die Performances oft kleine aufwendige Erstaufführungen oder besondere Kollaborationen waren“. Sie selbst erinnert sich an „spezielle Abende mit Hildur Gudnadottir und Lawrence English“. Dem Autor dieser Zeilen fallen schöne Konzerte mit den Postrock-Ikonen Sam Prekop & John McEntire und mit Kama Aina und der Hochzeitskapelle ein.

Zwacks persönliches Highlight? Der Auftritt von Asa-Chang & Junray im Oktober 2018. Asa-Chang ist ein japanischer Perkussionist und Junray ein von ihm mit Tabla-Trommeln angesteuerter Sprachsampler.

Auch das Einschlafen ist ausdrücklich erlaubt

Um was es Karin Zwack mit „Frameless“ ging? Um „neue Ansätze experimenteller Musik, die sich mit den veränderten Lebensbedingungen im digitalen Zeitalter auseinandersetzen“. Dafür kombinierte sie die Auftritte oft mit Medienkunst, die parallel dazu im Nebenraum oder als Bestandteil der Konzerte zu erleben war. Zu Beginn wurde sie dabei von Daniel Bürkner unterstützt, der selbst zuvor im Einstein Kultur die ähnlich geartete „Frameworks“-Reihe leitete. Die findet seit 2011 als jährliches Festival statt, das seit einigen Jahren statt Daniel Bürkner der Booker Christian Kiesler und die Musikerin Mira Mann kuratieren.

Die nun im Haus der Kunst stattfindenden Konzerte sind eine Kooperation mit der dortigen Musikreihe „Tune“. Mit deren Kuratorin Sarah Miles sei sie schon „seit langem in regem Austausch“. Auch der Direktor Andrea Lissoni kenne „Frameless“ und habe „die Kooperation gleich unterstützt“.

Miles und Zwack haben dafür die Pariser Klangkünstlerin Tomoko Sauvage und die Komponistin Christina Vantzou aus Brüssel eingeladen. Tomoko Sauvage kombiniert bei ihren Konzerten Wasser, Keramik, Unterwasserverstärker und Elektronik. Das wird auch am ersten Abend passieren, bevor sie am Tag darauf dann zwei Stunden lang eine „hydrophonische Rückkopplung“ zelebriert. Man darf Kissen und Decken mitbringen, heißt es. Auch das Einschlafen sei ausdrücklich erlaubt.

Tune x Frameless, Freitag und Samstag, 29. und 30. November, jeweils 20 Uhr, Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, www.frameless-muenchen.de

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