Süddeutsche Zeitung

Sonderausstellung im Botanischen Garten:Eine Expedition zu Udo und den Urelefanten

Die neue Ausstellung "Molassic Park" zeigt faszinierende Fossilien und Knochen zum Anfassen. Zwei Monate ist sie nun im Botanischen Garten zu sehen.

Von Florian Fuchs

Die Urhirsche bevölkerten das Molassebecken im heutigen Bayern weitflächig. Neun verschiedene Arten waren vor 15 bis elf Millionen Jahren im heutigen Alpennordrand vertreten. Hasenhirsche, die im Unterholz lebten, müssen mit ihrem Geweih wie Wolpertinger ausgesehen haben, allen Urhirschen gemein sind die Eckzähne und das Geweih, das direkt über den Augen saß. "Die langen Zähne waren durchaus gefährlich", sagt Gertrud Rößner von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie.

Urhirsche, Säbelzahntiger, Pandabären, Hirschferkel und natürlich der Menschenaffe Danuvius guggenmosi, vor fünf Jahren im Allgäu entdeckt. "Bei Fossilien denken viele ja immer zuerst an Dinosaurier", sagt Michael Apel, Projektverantwortlicher vom Museum Mensch und Natur. In der Sonderausstellung "Molassic Park - Eine Expedition zu Bayerns Menschenaffen, Urelefanten und subtropischen Wäldern", die nun zwei Monate im Botanischen Garten zu sehen ist, geht es dagegen um die Tier- und Pflanzenwelt, die vor elf bis 15 Millionen Jahren Bayern bevölkerte - und durch den Fund des Menschenaffens Udo auch medial ins Bewusstsein rückte.

Das Molassebecken entstand durch die Kollision der Europäischen Kontinentalplatte und der Afrikanischen Platte. Anfangs war es noch ein Urmeer, vor etwa 17 Millionen Jahren war es dann ausschließlich von Süßwasser geprägt: Wälder, Auen, Flüsse, Tümpel und Seen, im Schnitt war es etwa fünf Grad wärmer als heute - eine artenreiche Landschaft mit exotischen Pflanzen und Tieren. Die Ausstellung, sagt Rößner, soll Besuchern deutlich machen, dass man für wichtige fossile Funde nicht in ferne Länder reisen muss.

Bayern hat hier viel zu bieten, auch der berühmte, nahezu vollständig enthaltene Mühldorfer Urelefant, vor 50 Jahren im Inn entdeckt, ist zu sehen. "Molassic Park" soll aber auch zeigen, wie Forscher arbeiten, weshalb Mikroskope Besuchern einen nahen Blick ermöglichen oder an anderen Stationen Zähne, Knochen und Pflanzen gefühlt und eingeordnet werden können. "Wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Ausstellung Interesse an der Natur weckt und die Leute anfangen, Fragen zu stellen", sagt die Tübinger Paläontologin Madelaine Böhme, unter deren Führung der Menschenaffe Udo ausgegraben wurde.

Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt vom Museum Mensch und Natur, dem Naturkundemuseum Biotopia, der Staatssammlung, dem Botanischen Garten und dem Team aus Tübingen, das nach der Station in München auch in anderen bayerischen Städten zu sehen sein wird.

Oft bestehen Fundstücke eines Tieres nur aus wenigen Knochen, von denen die Wissenschaftler dann auf die gesamte Art schließen. Die Ausstellung geht hier in faszinierende Details: Alleine, was die großen Gemälde anbelangt, die einen Eindruck der damaligen Welt vermitteln, haben die Wissenschaftler lange diskutiert, wie hoch der Wasserstand des Flusses sein soll - und dass zum Beispiel die Farbe der Trauben, die der Menschenaffe Danuvius guggenmosi in der Hand hält, blau sein muss.

Udo, der Menschenaffe, ist das zentrale Stück der Ausstellung. Es sind Repliken der gefundenen Knochen zu sehen, Besucher dürfen auch den nachgemachten Schienbeinknochen anfassen und mit Knochen von Menschen und Schimpansen vergleichen. Man bekommt so eine Ahnung, wie die Forscher darauf schließen, dass Udo sich aufrecht fortbewegte - der älteste Nachweis dieser Fähigkeit weltweit.

Die Pflanzen- und die Tierwelt hat sich damals mit der beginnenden Eiszeit drastisch verändert, Pflanzen und Tierarten sind ausgestorben oder abgewandert, weil sie sich nicht anpassen konnten. So war damals etwa der Gingkobaum weit verbreitet, der heute nicht mehr als heimische Art gilt. Während sich der Wandel des Klimas über Jahrtausende vollzog, sind es heute Jahrzehnte - was den Druck auf die Arten immens erhöht und das Problem des heutigen Klimawandels verdeutlicht. Gegen etwas mehr Eiszeit hätten die Macher der Ausstellung allerdings die nächsten zwei Monate nichts einzuwenden: Die Replik eines Hirschferkels ist durch die Hitze der letzten Wochen bereits etwas weich geworden - ein paar kühlere Tage kämen der Ausstellung entgegen.

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Quelle:
SZ vom 02.07.2021/kafe
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