Süddeutsche Zeitung

Museum Fünf Kontinente:Von Weltenbummlern und Kolonialisten

Das Museum Fünf Kontinente ist seit 1862 Hüter von mitgebrachten Reise-Kostbarkeiten. Doch nicht bei allen Ausstellungsstücken ist die Herkunft geklärt.

Von Sabine Buchwald

Diese Ruhe. Der japanische Buddha Amida strahlt sie aus und er ist von ihr umgeben in diesen Tagen ohne Besucher im Museum Fünf Kontinente. In sich gekehrt sitzt er auf seinem Lotus-Thron, das ebenmäßige Gesicht und die goldene Brust der großen Statue ist von Strahlern erleuchtet. Als Betrachter kann man sich verlieren in dem Antlitz mit den schmalen Augen, den vollen Backen und dem kleinen Mund, das Schönheit und Gelassenheit zum Ausdruck bringt. Zwei Wächterstatuen flankieren den großen Buddha aus der Edo-Zeit (1603-1868). Aber sie stehen nicht im Fokus in diesem Saal. Erst nach und nach, wenn sich der Blick von der goldenen Figur zu lösen beginnt, nimmt man auch alles andere hier wahr: die Löwen und die Krieger und die lange Gebetskette am Boden. Von der Nähe erkennt man, dass ihre Glieder aus aneinander gereihten Almosenschalen bestehen.

Keine Sekunde zögerte Uta Werlich mit der Antwort, als man sie vor dem Museumsbesuch gefragt hatte, wohin sie ihr Herz in ihrem Hause führt: in diesen in Rot gehaltenen, abgedunkelten Buddha-Saal. Es ist nicht der allgemeine Trend zur Achtsamkeit, der sich bisweilen in billigen Buddha-Statuen ausdrückt, den die Direktorin des Museums Fünf Kontinente verfolgt. Buddha werde in Europa oft als Gartenzwerg degradiert, schimpft die Ostasien-Spezialistin. Ihr Interesse reicht schon länger zurück. Sie hat in Bonn, Berlin und in Taiwan Sinologie studiert, war Kuratorin am Museum der Kulturen in Basel, hat am Hamburger Völkerkundemuseum gearbeitet und am Stuttgarter Lindenmuseum die Ostasien-Abteilung geleitet. Seit April 2018 ist sie nun die Chefin des ältesten ethnologischen Museums in Deutschland, das noch bis 2014 Staatliches Museum für Völkerkunde hieß.

Gegründet wurde die Institution an der Maximilianstraße im Jahr 1862, damals noch unter dem Namen "Königlich Ethnographische Sammlung". Der aus Würzburg stammende Naturforscher und Japanologe Philipp von Siebold hatte bereits in den 1820er-Jahren den Anstoß dazu gegeben. Aber erst unter Maximilian II. wurde das Haus Hüter von mitgebrachten Kostbarkeiten der ersten Weltreisenden. Der Buddha, den Werlich so schätzt, kam mit Max Buchner, dem zweiten Direktor, um 1890 von Japan nach München. Von ihm käuflich erworben und verschifft, betont Werlich.

Sie wäre keine gute Direktorin, wenn sie nicht auch auf Lieblingsstücke aus den anderen Kontinenten und Kulturkreisen verweisen würde. Auf indigene Gruppen Südamerikas etwa, von denen Artefakte in einem Raum gebündelt zu sehen sind. Sie sind nicht so spektakulär inszeniert wie der Buddha, aber es sind farbenprächtige Stücke aus einer anderen Welt. Ihr Weg nach Bayern ist beachtlich, wenngleich er auch Fragen aufwirft.

Zu sehen sind dort beispielsweise jene der Brasilien-Forscher Johann Baptist von Spix und Carl Friedrich Philipp von Martius. Kopfbedeckungen und bunt bestickte Kleidungsstücke etwa, oder eine Maske mit einem skizzierten Gesicht auf hellem Bast. Zu sehen sind auch Handarbeiten, die Therese Prinzessin von Bayern (1850-1925) von ihren Expeditionen mitbrachte. In Hadumod Bußmanns Biografie über die Wittelsbacherin liest man eindrücklich, unter welchen Strapazen die Prinzessin gereist ist, getrieben von Neugier und wissenschaftlichem Interesse. Wohl auf Befehl ihres Urgroßvaters Maximilian I. hatten sich schon Spix und Martius von 1817 bis 1820 an den Amazonas begeben.

Auf diese ersten Weltenbummler, aber auch rigoros handelnde Kolonialisten geht die Grundsammlung zurück. Die Diskussion um die Provenienz sowie die Umstände des Erwerbs vor allem von kulturell und religiös bedeutenden Gegenständen hat in der Vergangenheit auch das Münchner Museum betroffen. Mit Forschungsaufträgen und Neugestaltung von Räumen wolle man mehr und mehr für Aufklärung sorgen, sagt Werlich. In einem Kooperationsprojekt mit Ethnologie-Studierenden der LMU wurde der Südamerika-Raum mit kritischen Hinweisen versehen.

Herkunft und Restitution sind vor allem bei Stücken aus Afrika s ein großes Thema. Auch in München gibt es einige, die eigentlich zurückgeführt werden sollten. Über den "Tangué", einen geschnitzten Schiffsschnabel und königliches Symbol aus Kamerun, ist man seit Längerem im Austausch. Das Thema ist heikel für eine Museumsdirektorin. Sie sagt: "Wir wären bereit, Dinge zurückzugeben." Nur wohin, das sei nicht immer so klar. Lieber verweist sie Besucher auf zeitgenössische Kunst aus Afrika, die mit Klischees spielt wie die sogenannten Müllmasken des Biennale-Künstlers Romuald Hazoumé. Mit einer guten Portion schwarzen Humor macht er aus einem verrosteten Bügeleisen ein Gesicht und umrahmt eine leere Plastikflasche mit ein paar Fransen als Haarersatz.

So ganz anders ist die Auftragplatte, die Werlich in Begeisterung versetzt: "Ein Meisterstück islamischer Kunst aus dem 13. Jahrhundert", das als Kriegsbeute über Ungarn gekommen ist. Man braucht das Wissen darum und ein gutes Auge, um die feine Arbeit aus Messing und Silber zu erkennen. In unzählige Muster gebettet, kann man Figuren und Tiere ausmachen. Und dann will Werlich auch noch auf ein reich verziertes schmales Boot hinweisen. Es gehört zu dem Volk der Yami, die auf einer kleinen Insel vor Taiwan zu Hause sind. Sie können damit bis zu den Philippinen fahren, sagt die Direktorin. Ihr sei es so wichtig, auch auf kleine Gruppen aufmerksam zu machen.

Vor allem aber wünscht sie sich sehr, ihr Haus wieder öffnen zu dürfen. 2019 kamen 90 000 Besucher, im vergangenen Jahr waren es nur noch die Hälfte. Viele Leute hole man über Veranstaltungen ins Haus, sagt Werlich. Außerdem sei das Museum ein beliebtes Ziel für Schulklassen. Die aber machen schon lange keine Ausflüge mehr. Allen Museumsgästen, die irgendwann wieder die große Treppe des von Eduard Riedel gebauten Hauses hinaufsteigen dürfen, möchte Werlich einen Rat mitgeben: "Nicht alles sehen wollen!" Damit tue man sich keinen Gefallen: "Nehmen Sie sich lieber Zeit für eine Abteilung."

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SZ vom 02.03.2021
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