Die Kopflosigkeit an der Spitze der städtischen Wohnungsgesellschaft „Münchner Wohnen“ soll bald ein Ende haben. Zumindest ist es die Absicht des Aufsichtsrats, zwei offene Stellen in der auf drei Mitglieder angelegten Geschäftsführung „bis Sommer 2025 zu besetzen“, wie es in einer Mitteilung vom Dienstag hieß. Zuvor hatten die Mitglieder des Gremiums den Rückzug der Geschäftsführerin Doris Zoller „mit Bedauern“ akzeptiert, wie die Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) zitiert wird. Sie sitzt dem Aufsichtsrat vor und soll nun die Modalitäten rund um Zollers Ausscheiden mit dieser verhandeln.
Ursprünglich sollte Doris Zoller von der kommissarischen Vorsitzenden der Geschäftsführung zur dauerhaften befördert werden; doch nach einer Indiskretion im laufenden Verfahren bat die Architektin um sofortige Freistellung von ihren Aufgaben: Ihr fehlte offensichtlich das Vertrauen in ihre Führungsfähigkeit. Mit einem Bestand von rund 70 000 Wohnungen zählt die „Münchner Wohnen“ zu den größten kommunalen Wohnungsunternehmen Deutschlands; sie war 2024 aus der Fusion zweier Gesellschaften hervorgegangen, GWG und Gewofag.
Während nun eine Personalagentur damit beauftragt ist, schnellstmöglich geeignete Kandidaten oder Kandidatinnen zu finden für den Vorsitz der Geschäftsführung sowie die Spitzenposition des technischen Bereichs, soll der verbliebene Geschäftsführer Christian Müller, ein studierter Sozialpädagoge und ehemaliger SPD-Stadtrat, bis auf weiteres unterstützt werden von den vier Prokuristen der übergeordneten Abteilungen.
Aufsichtsratschefin Dietl war in der Medienmitteilung sichtlich bemüht, die bereits als „Chaos“ und „Führungskrise“ titulierte Situation zu entschärfen. Für Mieter und Geschäftspartner habe die aktuelle Entwicklung keine Auswirkungen, versicherte sie: „Das Unternehmensgeschäft läuft weiter wie bisher.“
Genau das dürfte etliche Kunden der Münchner Wohnen freilich eher verängstigen als beruhigen.
Am Mittwoch ging die Stadtratsfraktion der Linken mit einem Anliegen an die Öffentlichkeit, das sie bereits seit fünf Monaten mit der „Münchner Wohnen“ zu klären versucht. Dabei geht es um die Vermutung der Fraktion, dass Tausende Gasabrechnungen des Unternehmens für das Jahr 2023 falsch sein könnten. „Wenn wir recht haben, müsste die Münchner Wohnen bis zu 30 000 Abrechnungen korrigieren“, sagt Fraktionschef Stefan Jagel.
Seine Partei hat sich bei dem Thema eine gewisse Expertise erarbeitet. Anlass dafür war ein neuer Gasliefervertrag, den im Herbst 2021 noch die GWG mit den Stadtwerken München (SWM) abgeschlossen hatte. Statt eines Fixpreises wurde damals ein flexibler Preis vereinbart, der sich an der europäischen Energie-Börse orientiert und vierteljährlich angepasst wird. Wegen der Energiekrise in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stiegen die Preise 2022 auf bis zum Zehnfachen des vorher geltenden Fixpreises an, von 2,27 Cent pro Kilowattstunden auf 24,91 Cent.
Nachzahlungsforderungen in teils vierstelliger Höhe waren die Folge, was viele Mieter der Münchner Wohnen in Existenznot brachte; die Linke unterstützte Betroffene. Seitdem beobachtet der Diplom-Ingenieur Christian Schwarzenberger als mieten- und energiepolitischer Referent der Fraktion das Geschehen. Ihm fiel dabei auf, dass die von den Stadtwerken 2023 in Rechnung gestellten und von der Münchner Wohnen an die Mieter weitergereichten Preise seiner Ansicht nach nicht mit dem vereinbarten Vertrag übereinstimmten.
„Seit fünf Monaten kümmert sich da keiner darum“
Bei stichprobenartigen Überprüfungen ermittelte Schwarzenberger jeweils eine Differenz von 1,42 Cent pro Kilowattstunde zu Lasten der Mieterinnen und Mieter, wie er am Mittwoch erklärte. Im Einzelfall hätten diese zwischen 100 und 200 Euro zu viel bezahlt. „Wir haben das von fünf Leuten unabhängig voneinander nachrechnen lassen und sind ziemlich sicher, dass das stimmt“, sagte Jagel. Er und Schwarzenberger glauben an einen „strukturellen Fehler im System“. Auf eine Antwort oder eine Erklärung der „Münchner Wohnen“ warte man aber seit Oktober 2024 vergeblich.
„Seit fünf Monaten kümmert sich da keiner darum“, wirft Jagel dem Unternehmen vor und nimmt dabei vor allem den Geschäftsführer Müller in die Pflicht. Zu den 15 000 Haushalten der ehemaligen GWG, die vom neuen Gasliefervertrag betroffen sind, könnten noch einmal ebenso viele frühere Gewofag-Wohnungen dazukommen, vermutet Jagel. Die Gewofag hatte schon viel früher einen Gasvertrag auf Basis der Börsenpreise abgeschlossen. Auch andere Wohnungsgenossenschaften könnten von dem Rechenfehler betroffen sein.
Den vermutet die Linken-Fraktion eher bei den Stadtwerken als bei der „Münchner Wohnen“ – das Unternehmen habe es aber wohl versäumt, die SWM-Rechnungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Unverständlich finden sie das in der Linken-Fraktion, zumal angesichts eines Vertragsvolumens von rund 30 Millionen Euro pro Jahr das allein für die GWG-Wohnungen gelte.
Ein Sprecher der Münchner Wohnen verwies am Mittwoch darauf, dass alle Vorwürfe „derzeit fachlich geprüft“ würden von Experten, auf die Dauer habe man keinen Einfluss. Schwarzenberger hielt dem entgegen, dass die Fachleute, die von den Linken befragt wurden, teils innerhalb von einer Stunde ihre Berechnungen beendet hatten.
„Die Münchner Wohnen bräuchte einen Energie-Experten“, findet Stefan Jagel. Stattdessen hat das Unternehmen kürzlich eine andere Stelle ausgeschrieben – die eines Managers, einer Managerin für „Customer Happiness“, also Kunden-Zufriedenheit. Aufgabe sei unter anderem, nach jedem Kontakt glückliche Mieter zu hinterlassen. Das gelänge womöglich auch anders.