Städtische Pflegeheime:Münchenstift wirft Chefin noch in der Probezeit raus

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Renate Binder (li.) war erst im vergangenen Juni von Bürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzender Verena Dietl als Nachfolgerin von Siegfried Benker vorgestellt worden. Nun muss sie gehen. (Foto: Münchenstift)

Renate Binder hatte die Leitung der 15 Seniorenheime der Stadt erst im vergangenen Jahr übernommen. Nun beschließt der Aufsichtsrat die Entlassung. Grund soll ein internes Zerwürfnis sein.

Von Heiner Effern und Joachim Mölter

Die städtische Tochtergesellschaft Münchenstift trennt sich zum Ende dieses Monats überraschend von ihrer Geschäftsführerin Renate Binder. Der Aufsichtsrat habe am Dienstag mehrheitlich beschlossen, den Vertrag noch innerhalb der Probezeit zu beenden, bestätigte Münchens Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) am Mittwoch. Ausschlaggebend dafür sei gewesen, "dass aus Sicht des Aufsichtsrats keine gemeinsame Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung des Unternehmens gefunden werden konnte", teilte Dietl mit, die als Bürgermeisterin dem Aufsichtsrat vorsitzt.

Die Grünen-Politikerin Binder hatte erst im vorigen Oktober die Nachfolge ihres Parteikollegen Siegfried Benker als Managerin von Münchens größtem Pflegedienstleister angetreten. Zum gemeinnützigen Münchenstift gehören insgesamt 15 Senioren- und Pflegeheime mit etwa 3000 Plätzen. Als Arbeitgeber beschäftigt die Stadttochter etwa 2000 Menschen. Zum Zerwürfnis zwischen Binder und dem Betriebsrat sei es über den Umgang mit internen Vorwürfen gekommen, hieß es am Mittwoch.

Dabei ging es offensichtlich um Ungereimtheiten bei der Abrechnung von Nacht- und Bereitschaftsdiensten, auf die Binder kurz nach ihrem Amtsantritt gestoßen sein soll. Das städtische Revisionsamt sei eingeschaltet worden, um die Vorkommnisse zu beurteilen. Ein Bericht sei für Anfang Juli in Aussicht gestellt worden.

"Ich bedaure sehr, dass der Betriebsrat und ich nicht in eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gefunden haben. Ich hätte mir gewünscht, dass uns dafür mehr Zeit eingeräumt worden wäre", erklärte Binder schriftlich. "Um Klarheit zu gewinnen, hätte ich gerne das Ergebnis des Revisionsamts abgewartet."

Dafür hätte die in ihrem Vertrag vereinbarte Probezeit freilich ein weiteres Mal verlängert werden müssen, hieß es. Einmal soll dies schon im Frühjahr geschehen sein, als es angeblich bereits Spannungen im Unternehmen gegeben habe. Sogar von juristischen Auseinandersetzungen zwischen Geschäftsführerin und Arbeitnehmervertretern war die Rede. Zu einer neuerlichen Verlängerung der Probezeit seien die Vertreter von Arbeitnehmern und CSU im Aufsichtsrat nicht mehr bereit gewesen. Gemeinsam mit einem unabhängigen Aufsichtsratsmitglied hätten sie ihre Mehrheit genutzt, um Binder am Dienstagabend handstreichartig abzusetzen, so wurde es kolportiert.

"Persönlich bedauere ich, dass für die Klärung der Sachverhalte, die letztlich zur Entscheidung des Aufsichtsrats führten, zeitlich nicht mehr Raum für eine umfassendere Prüfung eingeräumt wurde", erklärte Bürgermeisterin Dietl ähnlich wie die entlassene Geschäftsführerin. Man kann das als Eingeständnis werten, dass die Fronten wohl schon so verhärtet waren, dass das Aufsichtsgremium keine Möglichkeit mehr sah, sie wieder aufzuweichen, zumindest nicht auf die Schnelle.

Aus Unternehmenskreisen wurde zudem gestreut, die gelernte Pflegekraft und studierte Gesundheits- und Sozialmanagerin Binder sei der Größe ihrer Aufgabe nicht gewachsen gewesen. Binder war im vorigen Jahr etwas überraschend von den Grünen ins Amt gehoben und von ihrem Vorgänger Benker noch mehrere Monate eingearbeitet worden. Zuvor hatte sie die Abteilung Kommunale Gesundheitsplanung und Koordinierung im Gesundheitsreferat geleitet. Dort hatte sie etwa 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die komplexe Themen der Gesundheitspolitik wie verschiedene Fachstellen oder die Gesundheitstreffs betreuten. Zu Beginn ihrer Berufslaufbahn war sie als Journalistin und Mitarbeiterin der Grünen-Fraktion im Landtag tätig gewesen.

Dietl führte bereits am Mittwoch erste Gespräche, um die Handlungsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Nach Binders Ausscheiden wird die geschäftliche Verantwortung zunächst in den Händen von Andreas Lackner liegen. Dem bisherigen Leiter der Abteilung Finanzen, Controlling und Verwaltung erteilte der Aufsichtsrat bereits am 24. April die Prokura. Schon im Februar war er als Abwesenheitsvertreter der Geschäftsführung bestellt worden. Lackner verfüge über umfangreiche Führungserfahrung, hieß es seitens der Bürgermeisterin.

Es gelte nun, "möglichst schnell eine neue Geschäftsführung zu finden", sagte Verena Dietl, die zuletzt entsprechende Erfahrung gesammelt hat. Im Zuge der Fusion der städtischen Wohnungsgesellschaften Gewofag und GWG zu einer Einheit namens "Münchner Wohnen" (MW) waren im vorigen Jahr gleich zwei Geschäftsführer-Kandidaten auf der Strecke geblieben: Der bereits als oberster MW-Chef gehandelte Gewofag-Boss Michael Dengler stolperte über eine Gutachten-Affäre. Der dann im Herbst engagierte Andreas Lechner warf nach einem Monat im Amt von sich aus wieder hin. Derzeit ist die Stelle des vorsitzenden Geschäftsführers im kommunalen Wohnungsunternehmen weiter vakant.

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wurde aus juristischen Gründen geändert.

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