Süddeutsche Zeitung

Straßenreinigung:Kampf gegen Kippen, Kronkorken und Co.

Neue Abfallbehälter für Zigarettenstummel und Sammelstellen für Flaschenverschlüsse: Wie Lokalpolitik und Wirtschaft versuchen, den Kleinstmüll auf Münchens Straßen zu verringern.

Von Thomas Anlauf

Der Boden ist übersät mit Kippen, eine zerborstene Bierflasche liegt am Boden. Am Ostbahnhof, wo fast im Minutentakt Busse starten und täglich Tausende Münchner ein- oder umsteigen, sieht es oft ziemlich unappetitlich aus. Aber nicht nur da: An vielen U-Bahn-Eingängen, an der Isar und im Englischen Garten, selbst vor Lokalen liegen manchmal achtlos weggeworfene Zigarettenstummel, Kronkorken, leere Schachteln und Plastikbecher herum.

In der schnell wachsenden Stadt ist der herumliegende Müll zunehmend ein Problem: Kippen belasten das Grundwasser und die Böden, Plastik liegt oft jahrelang unentdeckt unter Büschen herum und gelangt schließlich als Mikroplastik in die Nahrungskette. "Kleinstmüll richtet massiven Schaden an in München", sagt Thorsten Kellermann vom Bund Naturschutz (BN). Der Physiker und stellvertretende Vorsitzende der Münchner BN-Kreisgruppe BN weiß, dass täglich Tausende Zigarettenkippen in Isar und Würm gelangen, Tiere fressen Plastikverpackungen mit Essensresten, in Pflanzen lagern sich Schadstoffe an.

Zumindest das Zigarettenproblem will die Stadt nun endlich angehen. In den kommenden Wochen werden Mitarbeiter des Baureferats spezielle Abfallbehälter mit integrierten Aschenbechern an stark frequentierten U-Bahn-Eingängen aufstellen. Die Kombitonnen sind eine Weiterentwicklung der typischen Münchner Abfallbehälter im öffentlichen Raum und haben nun eine eigene Öffnung für Kippen.

An 168 Stellen sollen die Mülleimer nun aufgestellt werden, bislang nur an U-Bahnen. Doch am 3. März will das Baureferat dem Stadtrat vorschlagen, die Kippenkübel auch auf Plätzen in der Fußgängerzone aufzustellen. Mit den neuen Kombimüllbehältern "erhöhen wir hoffentlich die Bereitschaft bei allen Raucherinnen und Rauchern, die Kippen nicht mehr auf den Boden, sondern in die Aschenbecher zu werfen", so Oberbürgermeister Dieter Reiter. "Das würde dem Stadtbild gut tun und davon hätten alle etwas."

Doch das ist nur ein Schritt, um der Müllflut gerade von kleinerem Gebrauchsabfall Herr zu werden. Gerade in Grünanlagen wie dem Englischen Garten und in den Isarauen seien verschiedene Maßnahmen nötig, sagt Markus Mitterer vom Münchner Verein "rehab republic". Das beginne natürlich beim Aufstellen von geeigneten und ausreichend vielen Abfallbehältern oder sogar Wertstoffbehältern für Kronkorken, die recycelt werden können anstatt sie einfach wegzuwerfen.

Zudem müsse auch das Problembewusstsein und das Verantwortungsgefühl der Menschen gestärkt werden. Soziale Normen würden auch oft unterschätzt: "Wenn die Freunde die Kippen auf den Boden werfen, mache ich es auch so", sagte Mitterer bei einer Diskussionsrunde mit Lokalpolitikern sowie Vertretern aus der Wirtschaft am Montagabend. Eine Hilfe sei da die Kampagne "Deine Isar" des Fotografen Hartmut Keitel, in der mit Kinospots, Plakaten und Aktionen seit fast neun Jahren an die Münchner appelliert wird, Müll zu vermeiden und mitgebrachten Abfall wieder mitzunehmen. Seit 2013 ist die Paulaner-Brauerei Hauptsponsor der Kampagne, nicht zuletzt, weil Feiernde an der Isar Kronkorken achtlos wegwerfen und Flaschen einfach liegenlassen.

Julia Post, Stadtratskandidatin der Grünen, fordert darüber hinaus auch bessere politische Rahmenbedingungen, um Müll zu vermeiden. Das könnte eine Steuer für Einwegverpackungen sein oder einheitliche Pfandsysteme in München für Kaffeebecher und im Einzelhandel. Jens Röver, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Stadtrat, fordert eine viel stärkere Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. Er betonte, dass Oberbürgermeister Reiter kürzlich die Parole ausgegeben habe, dass München eine "Zerowaste-City" werde, also eine Stadt ohne Müll. "Hier sind alle Referate gefordert", so Röver.

Kristina Frank, CSU-Oberbürgermeisterkandidatin und Kommunalreferentin, betonte, dass sich der Abfallwirtschaftsbetrieb AWM "seit mehreren Jahren" mit der Abfallvermeidung befasse. Auch Bußgelder für Umweltsünder seien eine Möglichkeit, um Kleinstmüll wie Kronkorken und Kippen zu reduzieren. "Solche Bußgelder muss die Stadt aber auch tatsächlich verhängen", so Frank. Es könnten Bußgelder von 55 Euro fürs Kippenschnipsen verlangt werden, doch in der Praxis geschieht das kaum.

Katrin Niethammer vom Tabakkonzern Philip Morris will die vielen Anregungen im Unternehmen einbringen. Eines verspricht sie bereits: Gemeinsam mit "rehab republic" sollen bald Spezialaschenbecher an der Isar aufgestellt werden - wenn die Stadt es erlaubt.

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SZ vom 26.02.2020/kafe
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