Abfall:Müllt-rennen mit Trennstrichen

Abfall: Er lehnt sich mal aus dem Fenster: Josef Kiener, Marketingchef des Abfallwirtschaftsbetriebs München.

Er lehnt sich mal aus dem Fenster: Josef Kiener, Marketingchef des Abfallwirtschaftsbetriebs München.

(Foto: Robert Haas)

Zeit-ungen, Knobl-auch, Topfpf-lanze: Mit seiner neuen Wort-Kampagne zeigt der Abfallwirtschaftsbetrieb München, welche Fehler bei der Entsorgung gemacht werden. Ein Gespräch mit Marketing-Chef Josef Kiener.

Interview von Katharina Federl, München

Zeitungen und Kartonagen in die Papiertonne, verfaulte Radieschen in den Biomüll: Müll trennen ist nicht schwer. Und doch landen viele Wertstoffe, die eigentlich wiederverwendbar wären, im Restmüll. Der Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) zeigt mit seiner aktuellen Kampagne "Falsch getrennte Wörter - richtig getrennter Abfall!", wie man es am besten nicht tun sollte - anhand von Wörtern, die so falsch aussehen, dass man sie erst auf den zweiten oder dritten Blick erkennt. AWM-Marketingchef Josef Kiener erklärt die Hintergründe der Aktion. Ein Gespräch über Knoten im Hirn und die Lage in anderen Großstädten.

SZ: Herr Kiener, seit einiger Zeit sind falsch getrennte Wörter auf Plakaten, Müllfahrzeugen und im Internet zu lesen. Was hat es damit auf sich?

Josef Kiener: München will Zero-Waste-City werden. Abfallvermeidung spielt eine große Rolle in der Stadt und wird in den nächsten Jahren immer wichtiger werden. Unsere Kampagne soll auf die richtige Mülltrennung aufmerksam machen und damit einen Beitrag zu diesem großen Ziel leisten. Die Botschaft ist: Trennt eure Abfälle besser als wir unsere Wörter.

Wie kommt man denn auf so eine Idee?

Den Einfall hatte der AWM, und zwar schon vor sehr langer Zeit. Im Jahr 2007 gab es eine ähnliche Kampagne mit Trennwörtern. Immer wieder sprechen mich Münchnerinnen und Münchner bei Abfallberatungsterminen auf die alten Wörter an. Da kommen dann Kommentare wie: "Mensch, das war doch echt witzig!" Und das finden wir auch. Deshalb haben wir die Kampagne in diesem Jahr wiederholt, zwar mit anderen Wörtern, aber das Prinzip ist gleich geblieben.

Das bedeutet, Sie als AWM waren auch zuständig für die Auswahl der Wörter?

Genau, meine Abteilung hat sich vor ein paar Monaten zusammengesetzt und ein kleines Brainstorming veranstaltet. Da haben wir darüber diskutiert, welche Wörter denkbar und geeignet wären für die Kampagne.

Unter welchen Kriterien haben Sie die Auswahl getroffen?

Wichtig war uns, dass die abgetrennten Wortteile noch für sich Sinn ergeben. Ein Beispiel: Mai-skolben. Oder: Gelber-üben. Ein Begriff bleibt übrig, den die Leute kennen. Und trotzdem erzeugt die falsche Trennung so eine Verwirrung, dass sie sich fragen: "Was ist denn jetzt da los?". Wenn sie sich etwas mehr damit beschäftigen, kommt dann die Erkenntnis: Aha, es geht um richtige Mülltrennung.

Als ich mich etwas mehr mit der Kampagne beschäftigt habe, ging es mir eher so, dass ich beim Lesen selbst nicht mehr wusste, wie die Wörter richtig getrennt werden. Ging Ihnen das ähnlich?

Tja... (lacht) Das ist immer so ein Phänomen. Je länger man sich Wörter anschaut, desto weniger weiß man, wie sie geschrieben - oder in diesem Falle getrennt - werden. Irgendwann hatten wir auch so einen Knoten im Hirn und wussten gar nicht mehr, was richtig und was falsch ist. Aber das war schon auch Sinn und Zweck: Wir wollen Aufmerksamkeit erzeugen, aber niemanden belehren. Und mit einem Augenzwinkern klappt es ja vielleicht, dass die Leute sich gerne mit dem Thema Abfalltrennung beschäftigen.

Worin sind Sie besser: Mülltrennen oder Wörtertrennen?

Das ist jetzt eine schwierige Frage. Wörtertrennen ist mein Job, ich bin Kommunikationsleiter. Ich würde aber sagen, ich kann beides gut. Jetzt lehne ich mich ganz schön aus dem Fenster...

Lehnen Sie sich ruhig weiter raus: Welche Erwartungen haben Sie an die Kampagne? Was versprechen Sie sich von ihr?

Zum einen möchten wir die Münchner Bevölkerung für das Thema Abfalltrennung sensibilisieren. Gleichzeitig erhoffen wir uns natürlich, die Leute zu motivieren, es in Zukunft richtig zu machen. Denn es läuft noch einiges falsch. Im normalen Restmüll landen viele Abfälle oder Wertstoffe, die ganz einfach recycelt werden könnten. Ganze 40 Prozent der Restmülltonne werden allein von Bio-Abfällen eingenommen, die auf den Kompost gehören und aus denen sogar Strom erzeugt werden könnte. Die Restmülltonne kommt direkt in die Verbrennung, da wird vorher nichts mehr sortiert. Insofern möchten wir mit unserer Kampagne darauf aufmerksam machen: Mülltrennung betrifft uns alle.

Wie schätzen Sie die derzeitige Lage beim Mülltrennen in München ein? Gibt es einen deutschlandweiten "Trennweltmeister"?

Ein Trennweltmeister ist zumindest mir nicht bekannt. Ich stehe aber in Kontakt mit 20 anderen Marketing- und Kommunikationsleitern von Abfallbetrieben in ganz Deutschland, wir treffen uns mehrmals im Jahr. Erstaunlicherweise ist die Situation, bezogen auf die deutschen Großstädte, sehr ähnlich, obwohl die Münchner keine gelbe Tonne haben und ihre Plastikverpackungen zu Wertstoffinseln bringen müssen. Was wir allerdings feststellen: Innerhalb der Städte gibt es große Unterschiede, je nach Bebauungsstruktur. In Einfamilien- oder Reihenhäusern wird nach unseren Erkenntnissen wesentlich besser getrennt als in großen Wohnblocks.

Würden Sie sich eine gelbe Tonne für München wünschen?

Jede Variante hat ihre Vor- und Nachteile, deswegen kann ich das so pauschal gar nicht beantworten. Außerdem ist der AWM für die Entsorgung der Kunststoffverpackungen gar nicht zuständig, das machen private Firmen. Aber das ist ein eigenes Thema.

Gibt es denn schon irgendwelche Auswirkungen auf die Kampagne? Was sind die Reaktionen der Münchnerinnen und Münchner?

Ob sich die Abfallmengen in den Tonnen durch die Kampagne verändert haben, das können wir so schnell leider nicht messen. Alle zwei Jahre führen wir eine sogenannte Restmüllanalyse durch, bei der wir stichprobenartig messen, welche Materialien sich im Restmüll befinden. Was wir aber schon spüren, sind die Reaktionen in den sozialen Medien. Da wird deutlich: Die Abfalltrennung und -vermeidung nimmt besonders bei den jüngeren Leuten an Bedeutung zu. Und die sind kreativ. Sie glauben nicht, wie viele Wörter uns schon für die nächste Trennkampagne vorgeschlagen wurden.

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