Süddeutsche Zeitung

Schiffs-Jubiläum:München geht unter

München feiert sein 60-jähriges Bestehen. Genauer: die "MS München". Dabei lehrt die Vergangenheit: Eigentlich ist es keine gute Idee, wenn ein Schiff nach der Stadt benannt ist.

Glosse von Stefan Simon

Vor vielen Millionen Jahren wogte, wo heute München ist, ein Ozean. Wer in die Berge fährt, kann immer noch Muscheln und Korallen finden. Das machen allerdings nur wenige und vorstellen kann es sich ohnehin fast keiner: der Wallberg, das Brauneck und die Zugspitze - lauter Riffe? Man kann von Glück sagen, dass sich das geändert hat. Denn sonst hätte man München irgendwann als Schiff bauen müssen und das ist, nach allem, was man weiß, gar keine gute Idee. Fast immer, wenn München ein Schiff ist, geht irgendetwas schief respektive unter.

Im Internet gibt es eine Liste von Schiffen mit dem Namen München und seit im Jahr 1889 das erste Passagierschiff so getauft wurde, ist einiges zusammengekommen. Um es neutral zu formulieren: Pech ist nicht immer nur ein Dichtmittel. München war schon eine Fähre, ein Kreuzer, ein Trawler und ein Frachter. München wurde meist schon nach wenigen Jahren abgewrackt, einmal erbeutet, einmal noch vor dem Stapellauf umbenannt und im Lauf der Zeit auch etliche Male versenkt - wenn es nicht gleich von selbst versank. Eine gute Bilanz sieht anders aus.

Von elf Schiffen ist noch eines übrig. Das letzte München dreht seine Runden auf dem Überlinger und dem Obersee, wer weiß, wie lange noch. Das Dreideck-Motorschiff ersetzte 1962 den letzten historischen Salonraddampfer auf dem Bodensee. Im August feiert die MS München ihr 60-jähriges Bestehen - ein Grund zu feiern, der aber nur in diesen Sommer fällt, weil es beim Bau in der Werft zu einer schweren Explosion und dadurch zu mehreren Monaten Verspätung bei der Fertigstellung gekommen war. Es ist nicht wirklich überraschend, dass 2008 bei einer Modernisierung auch noch Dämmmaterial im Motorraum in Brand geriet. Aber seither ist es eigentlich recht ruhig um das letzte München zur See.

Ein München zu Lande zu errichten, war rückblickend die bessere, nachhaltigere Entscheidung. Gut, dass sich der Ozean irgendwann zurückgezogen hat. Auch wenn es das Urmeer damit leider etwas übertrieben hat. Hätte es München vor 30 Millionen Jahren schon gegeben, wäre es wohl eine Hafenstadt geworden, sagen Experten, eine Hafenstadt mit Südsee-Charme. Das Klima war ein gänzlich anderes und wo heute die Frauenkirche steht, hätten damals tropische Pflanzen gewuchert. Schade. Hätte man eigentlich so lassen können.

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