Kritik:Rückwärts nach vorn

Kritik: Merkwürdig unfrohe Zombie-Gestalten bevölkern Moritz Ostruschnjaks "Terminal Beach".

Merkwürdig unfrohe Zombie-Gestalten bevölkern Moritz Ostruschnjaks "Terminal Beach".

(Foto: Franziska Strauss)

Moritz Ostruschnjaks dystopisches neues Tanzstück "Terminal Beach" im Utopia.

Von Sabine Leucht, München

So ein Schlingel! Da spannt er den Fun-Ort Strand mit allerlei Endstationen zusammen und lässt sechs großartige Tänzer mit dem Verzweiflungsfuror des Spaß-haben-Müssens im Utopia los. Die ehemalige Reithalle ist komplett entkernt, wunderschön - und eine große Herausforderung. Doch seit Moritz Ostruschnjak mit "Yester:Now" die Philharmonie bespielt hat, kann ihn Weite nicht schrecken. Räumlich funktioniert seine neue Arbeit "Terminal Beach" prächtig, für die Guido Badalamenti, David Cahier, Daniel Conant, Roberto Provenzano, Miyuki Shimizu und Magdalena Agata Wójcik Bewegungsfolgen aus Youtube- und Netflix-Trailern rückwärts einstudiert haben. Inklusive der Mimik.

Und wenn bereits die Rückwärtskopie eines Spaziergangs unangenehm wirkt, so lässt Rückwärtslachen oder von der Ermattung Zurück-Verzweifeln die, die das tun, ausgesprochen zombie-like wirken. Und Zombies oder zumindest Unbehauste toben auch durch das bislang düsterste Stück des Münchner Choreografen der Stunde, dessen Dramaturgien zunehmend unser digitales Surfverhalten spiegeln. Vieles von dem, was bei ihm sonst unentwirrbar gleichzeitig ablief, packt er diesmal in heterogene Episoden.

In einer undurchschaubaren Welt klammern sich seine Tänzer an bekannte Bilder und Codes, markieren die erstarrte (Un)Fröhlichkeit von Comic-Helden oder gleiten über die Bühne wie im Casting für "Holiday on Ice" - bis ihnen auf nur einem Inliner plötzlich die Luft ausgeht. "Breathe" steht auf einer Flagge in einer Szene, mit der sich Ostruschnjak für die nächste Olympia-Fanchoreo bewerben könnte. Und den gesellschaftlichen Backlash verortet er in der Prärie: Zu Country-Musik haken alle ihre Daumen in den Bund ihrer Jeans, lockern Kinn wie Knie und lassen ihre nackten Bäuche lüsterne Wellen schlagen. Das Schlussbild wiederum versinnbildlicht fast zu konkret, wie schlecht wir für die Zukunft gerüstet sind: Zwei täppische Ritter ziehen ihre Harnische über die Köpfe, die damit aussehen wie Mülltonnen. Gute Nacht, Hoffnung!

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