Landgericht München:Mordprozess wird wieder aufgerollt

Landgericht München: Wegen Mordes angeklagt und dann freigesprochen: Der Angeklagte - hier zum Prozessauftakt mit seinen Anwälten - muss nun erneut auf der Anklagebank Platz nehmen.

Wegen Mordes angeklagt und dann freigesprochen: Der Angeklagte - hier zum Prozessauftakt mit seinen Anwälten - muss nun erneut auf der Anklagebank Platz nehmen.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Hat Srecko S. seine Ehefrau getötet, oder hat sich im Gerangel um die Waffe ein Schuss gelöst? Weil der Bundesgerichtshof den Freispruch des Ehemannes aufgehoben hat, muss im nächsten Jahr neu verhandelt werden.

Von Susi Wimmer

"In einem Zimmer befinden sich zwei Menschen. Am Ende ist die Frau tot. Sie hat nicht geschossen. Also muss er sie getötet haben." So folgerte Staatsanwältin Johanna Heidrich in ihrem Plädoyer am Ende eines langwierigen und spektakulären Indizienprozesses im Februar dieses Jahres vor dem Landgericht München I. Die zweite Strafkammer allerdings konnte sich nicht zweifelsfrei davon überzeugen, dass Srecko S. seine erheblich jüngere Frau tatsächlich ermordet hatte.

Der 62-Jährige wurde lediglich wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt und verließ am Ende das Gericht als freier Mann. Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung gingen allesamt in Revision. "Jetzt hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Urteil vollumfänglich aufgehoben", bestätigte Gerichtssprecher Laurent Lafleur. Das heißt, im nächsten Jahr wird die erste Strafkammer am Landgericht München I wieder gegen Srecko S. verhandeln. Ob die Staatsanwaltschaft nun erneut einen Haftbefehl gegen S. beantragen wird, ist unklar.

"Das ist kein Freispruch mit Girlanden", hatte der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann im Februar bei der Urteilsbegründung gesagt. Das Gericht sei "zu 85 Prozent" davon überzeugt, dass Srecko S. seine Ehefrau getötet habe. Aber: "Es bleiben Zweifel. Die Kammer müsste sich von einem Geschehensablauf überzeugen, und das können wir nicht."

Die Ehefrau hatte mit der Trennung Ernst machen wollen

Ungewöhnlich war der Fall bereits von Anfang an: An einem Augustabend 2015 hatte eine Tochter - insgesamt hatte das Paar fünf gemeinsame Kinder - den Notruf gewählt, weil ihre Mutter tot im Schlafzimmer der ehemals gemeinsamen Wohnung in Haar lag. Kurz zuvor hatte sich das Ehepaar getrennt. Diana S. (Name geändert), 36 Jahre alt, war mit ihrer ältesten Tochter nach Augsburg gezogen. Sie wollte auch ihre anderen vier Kinder bei sich haben, leitete rechtliche Schritte ein, machte Ernst mit der Trennung. Am 30. Juli 2015 erhielt Srecko S. eine gerichtliche Ladung für einen familiengerichtlichen Anhörungstermin. Vier Tage später fuhr Srecko S. nachts nach Augsburg und soll Diana S. überredet haben, mit ihm in die Wohnung nach Haar zu fahren, damit man am nächsten Tag einen Familienausflug unternehmen könne.

Bei Musik und Wein kam es zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Was anschließend hinter verschossener Tür geschah, blieb unklar. Srecko S. behauptete, sie hätten seine halbautomatische Selbstladepistole für Sexspiele benutzt. Er sei ins Bad gegangen, als er zurückkam, habe sie sich selbst töten wollen. Im Gerangel um die Waffe habe sich dann der tödliche Schuss gelöst. Die älteste Tochter sei ins Zimmer gekommen, habe dann den Notruf gewählt.

Staatsanwältin Johanna Heidrich kam zu dem Schluss, dass Srecko S. seine vor ihm kniende Frau regelrecht hingerichtet haben muss: An den Händen der Toten fanden sich keine Schmauchspuren. S. selbst hatte sich kurz nach dem Vorfall die Hände gewaschen. Diana S. sei Rechtshänderin gewesen, in der rechten Hand der Toten habe sich aber eine Patrone befunden, "wie hätte sie da die Waffe halten oder darum rangeln können?"

Erst vier Jahre nach dem Todesfall erhärtete sich der Verdacht gegen den Ehemann

Srecko S. wurde 2015 lediglich als Zeuge befragt. Erst vier Jahre später, als die Staatsanwaltschaft ein technisch versierteres Schmauchspuren-Gutachten in Auftrag gab, erhärtete sich der Verdacht gegen den Ehemann. Srecko S. kam in Haft.

Nach dem mehr als einjährigen Prozess habe es für eine Verurteilung nicht gereicht - zu diesem Schluss kam jedenfalls die Kammer. Dieses Urteil hat der BGH nun aufgehoben. Verteidiger Benedikt Stehle, der nach Karlsruhe gefahren war, erklärte, der Generalbundesanwalt habe moniert, dass die Kammer nicht geklärt habe, ob auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung in Frage gekommen wäre. Ebenso sei kritisiert worden, das Landgericht habe sich mit allen Indizien auseinandergesetzt, aber keine Gesamtwürdigung im Urteil vorgenommen. "Warum das Urteil letztendlich aufgehoben wurde, wissen wir aber nicht", sagte Stehle. Man warte nun auf die schriftliche Urteilsbegründung.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusParkhausmord an Charlotte Böhringer
:Zweifel am Mordmotiv

Die Hürden für die Wiederaufnahme eines Gerichtsverfahrens sind hoch in Bayern. Trotzdem hat der Anwalt des verurteilten Benedikt T. viele Gründe, es erneut zu versuchen. Welche Argumente er anführt und wieso mehrere Experten ihm recht geben.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: