Süddeutsche Zeitung

Moosach:Der Dauerkonflikt ums Gehwegparken

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Entweder die Fußgänger verzichten aufs Durchkommen oder die Autofahrer auf Abstellflächen. In einem Wohngebiet sind auf einen Schlag an die 500 Stellplätze weggefallen. Die Anwohner rebellieren

Von Anita Naujokat, Moosach

"Das ist keine Verkehrswende, sondern eine Hauruck-Aktion", sagt Klaus Berghofer. "Wir brauchen akzeptable Lösungen." Als geschäftsführender Vorstand vertritt er die größte von fünf Wohnsiedlungen der Baugenossenschaft Hartmannshofen in München mit 312 Einheiten. Diese liegt zwischen der Röth-, Bauberger-, Karl-Lipp- und der Ernst-Platz-Straße, an der seit Kurzem nur noch wechselseitig versetzt entweder links oder rechts geparkt werden darf - ebenso wie an der Gleißmüller- und Gaggenaystraße, an der Thürmerstraße betrifft das Halteverbot die Südseite. Über Nacht seien so an die 500 Parkplätze weggefallen.

Berghofers Protestnote ist nur eine von 16 Eingaben von Anwohnern, die den Bezirksausschuss (BA) erreicht haben. Sie fordern, die verkehrsrechtliche Anordnung wieder rückgängig zu machen. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hatte sie nach einem Ortstermin mit Vertretern des Stadtviertelgremiums und der Polizei erlassen, nachdem der BA dem im November zugestimmt hatte. Stadt und BA wollten damit dem Parken mit zwei Rädern auf dem Gehweg ein Ende setzen, nachdem sich zahlreiche Anwohner von anderer Seite beschwert hatten, dass auf den Gehsteigen kein Durchkommen mehr sei. Insbesondere Rollstuhlfahrer, Eltern mit Kinderwagen und gehbehinderte Senioren seien immer wieder gezwungen, auf die Straße auszuweichen. Die Fahrbahnen sind jeweils sechs Meter breit, die dortigen Fußwege bemessen sich auf 1,70 bis zwei Meter. "Besonders die Ernst-Platz-Straße war ein großes Problem", berichtete SPD-Fraktionssprecherin Hanna Kammermaier im Bezirksausschuss vom Ortstermin. "Für Fußgänger war vielerorts weniger als 60 Zentimeter Platz zum Durchgehen."

Für das KVR überwiegt das öffentliche Interesse an der Stärkung der Verkehrssicherheit gegenüber "bestehender Einzelinteressen Dritter an der Beibehaltung der bisherigen Parkpraxis". Eine Legalisierung scheitere an den geringen Gehwegbreiten. Zudem gebe es im Viertel ausreichend private Unterstellmöglichkeiten.

Das sieht die Baugenossenschaft anders. Als die Siedlung 1950 entstand, habe man nur 35 Stellplätze für Pkw schaffen müssen, sagte Berghofer. Mittlerweile habe man jedoch 78 überdachte Fahrradstellplätze, 85 normale und 24 Motorradstellplätze geschaffen. Doch historische Versäumnisse könnten mit so einer Radikalkur nicht wiedergutgemacht werden. Hans Luxenburger, sonst die Ruhe in Person und nach eigener Aussage seit mehr als 60 Jahren glücklicher Mieter in der Genossenschaftssiedlung, konnte vor Empörung kaum sprechen. Er erwarte vom Bezirksausschuss, zwischen der Stadt und den von der Neuregelung betroffenen Bürgern zu vermitteln, sich für sie einzusetzen und andere Lösungen zu finden. Michael Mayer (Grüne), im BA Beauftragter für Inklusion, appellierte wiederum an die Kritiker, die Anliegen behinderter Menschen ernst zu nehmen. Diese bräuchten mindestens 1,80 Meter Gehweg-Breite, was schon ohne parkende Autos nicht der Fall sei.

Den von Anwohnern zur Verbesserung der Parksituation eingereichten Vorschlägen räumt der BA nur wenig Chancen auf Erfolg ein. Ein Parklizenzgebiet werde es mangels Voraussetzungen dort sicher nicht geben, sagte BA-Chef Wolfgang Kuhn (SPD). Markierungen für legalisiertes Parken scheiterten an den Gehwegbreiten. Und zeitlich begrenzte Halteverbote etwa von morgens bis 22 Uhr nutzten Fußgängern nicht viel, weil es für sie im Dunkeln noch gefährlicher sei, auf die Straße ausweichen zu müssen. Aufheben könne ein BA die Anordnung nicht, man gebe das Paket aber an das Mobilitätsreferat weiter und frage nach Lösungen, sagte Kuhn.

Moosach ist nicht der einzige Stadtteil, auch in Bogenhausen und Neuhausen ist das Problem Gewohnheitsrecht gegen Einhaltung der Straßenverkehrsordnung aufgeploppt. Der Haderner Bezirksausschuss hat erst im April beschlossen, ein gesamtstädtisches Konzept zum Thema Gehwegparken zu beantragen. Derzeit wirbt er damit in den anderen Stadtbezirken um Unterstützung. In Allach-Untermenzing oder Schwabing-West bereits erfolgreich.

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SZ vom 27.05.2021
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