Prozess:Türen eingetreten, Polizisten gebissen

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Angeklagter soll nach mehreren Angriffen in Psychiatrie kommen

Von Susi Wimmer

Juliane H. ist Studentin, eine zierliche Person mit langem, dunklem Haar, die in der Moosacher Straße ein Apartmentzimmer gefunden hatte. Die Betonung liegt auf "hatte". Denn seit dem 22. Oktober 2019 konnte die 25-jährige Juliane H. (Name geändert) ihr Zuhause nicht mehr betreten. Dort nämlich hatte der Angeklagte Seifeddine H. an jenem Tag splitterfasernackt ihre Zimmertüre eingetreten und so heftig auf sie eingeschlagen, dass sie mit dem Kopf gegen die Wand prallte. "Es belastet mich bis heute", sagt die junge Frau im Zeugenstand. Seifeddine H. sitzt vor dem Landgericht München I mit schuldbewusster Miene. Wenngleich er sagt, er könne sich an den Tag nicht mehr erinnern. Der 28-Jährige soll zu dieser Zeit an einem akuten Schub paranoider Schizophrenie gelitten, mehrere Menschen geschlagen und einen Polizisten gebissen haben.

Die neunte Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Philipp Stoll soll entscheiden, ob Seifeddine H. in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht wird. Sein Anwalt Raimund Förschner trägt vor, dass H. im Sommer 2017 von Tunesien nach Deutschland gekommen sei, um zu studieren. Nach einem schweren Verkehrsunfall mit einem nicht-versicherten Auto hatte er aber etliche Arztrechnungen zu begleichen, er wurde in diversen Studiengängen abgelehnt, und die Behörden forderten ihn zur Ausreise auf. Er sei in einem Stresszustand gewesen, haben in den Tagen zuvor LSD, Marihuana, Alkohol und Koks konsumiert. Warum er in dem Haus, in dem er ein Zimmer bewohnte, mehrere Türen aufbrach, Möbel aus dem Fenster warf und Menschen schlug, das wisse er nicht mehr.

Bei der psychiatrischen Begutachtung, hält ihm Stoll vor, habe er angegeben, er wolle sterben, sich von der Polizei erschießen lassen. Und dass er Stimmen gehört habe und der Präsident von Tunesien werde. "Ich erinnere mich nicht", sagt der 28-Jährige. Dafür erinnert sich ein Zeuge, dass ihm der Nackte auf der Straße entgegengekommen sei, und ein weiterer Geschädigter, der schrie: "Der bringt mich um!" Der Nackte habe ihm dann einen Faustschlag verpasst und er sei mit dem anderen Mann zur nahegelegenen Polizeiinspektion geflüchtet, der Nackte ihnen hinterher.

Auf der Wache, so klagt die Staatsanwaltschaft an, habe Seifeddine H. mit einer Metallstrebe eine Scheibe eingeschlagen und sei auf Polizisten losgegangen. Einer habe die Waffe gezogen, ein anderer versucht, H. zu fesseln. Dabei soll H. sich in den kleinen Finger eines Polizisten verbissen habe. Ein Urteil wird für Donnerstag erwartet.

© SZ vom 20.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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