Süddeutsche Zeitung

Die neue Platte von "Monobo Son":Superheldensound

"Monobo Son" wissen nicht nur, wie sich der Weltuntergang vielleicht verhindern lässt, sondern auch, wie man mit Mut zur Improvisation runde Songs schreibt - ihr neues Album ist der Beweis.

Von Michael Zirnstein

Die spinnen, die Musiker. Zumindest Benedikt Dorn, der zwängt sich in den Spiderman-Anzug. Dann ziehen sie ihn am stählernen Faden an einem Holzbalken in die Höhe, wo er kopfüber abhängt, mit Gitarre in der Hand. Wolfi Schlick haben sie die Glatze verkabelt und als Superhirn samt Saxofon in den Stuhl gedrückt. Severin Rauch trägt als Captain Monobo eine zur Maske verbastelte Badehaube und statt seiner Trommeln einen Schild. Und Manu Winbeck klimpert als Wolfsmann gefährlich mit Buttermessern zwischen den Fingern, greift aber doch zu seiner Lieblingswaffe, der Posaune. Am meisten Spaß haben sie alle an ihrem Tubisten Korbinian Waller, Feschl genannt, und fesch ist er wirklich, als sie ihn drei Stunden lang mit grüner Farbe als Muskelmutant Hulk angemalt haben. Ein superheldenhafter Einsatz der Band Monobo Son für Cover-Fotos und Autogrammkarten in einem Stadl bei Bad Aibling (und vor diesem auf einem schwebenden Stahlträger). Dabei seien sie gar keine Hardcore-Comic-Fans, die Marvel-Filme im Kino schauten sie durchaus gern, "was wir aber auf jeden Fall lieben, ist zusammenzukommen und Blödsinn zu machen", sagt Monobo-Son-Bandleader Manu Winbeck.

Zum Herumspinnen gab es im vergangenen Jahr der unfreiwilligen Selbstkontrolle nicht viel Gelegenheit. Bei all den Mobilitätshürden kann man schon mal durchdrehen, gerade als eine Rasselbande, die ständig einen Düsenantrieb unterm Hintern hat. Das neue Album heißt "Supersonic", also "Überschall". Dabei können die fünf Freunde auch langsam, solange sie nur unterwegs zu neuen Abenteuern sind. Im Jahr vor Corona machten sie eine Konzerttournee nach Wien - per Autostopp. Man könnte den Eindruck bekommen, Manuel Winbeck habe sich die Gruppe vor nun genau zehn Jahren für ein ewiges Lausbubenleben erschaffen. Kann schon sein. Dabei hatte er als Mitbegründer der Blas-Pop-Pioniere La Brass Banda seit 2007 eh schon eine sehr reiselustige und aufgedrehte Truppe.

Er brauchte aber noch mehr Offenheit, gerade musikalisch, und die fand er in hochkreativen Unikaten wie dem Münchner Wolfi Schlick von der Express Brass Band. "Den Typen muss ich anrufen, wenn ich selbst mal was mache", dachte er sich. Nach zwei Proben voller Gaudi standen sie im März 2011 schon auf der Bühne des Import/Export an der Goethestraße, des Querflötisten Schlick zweites Wohnzimmer. Sie hatten drei, vier Stücke für das ganze Konzert dabei, waren "radikal überfordert", wie Winbeck sich erinnert, "da muss man schon experimentierfreudig sein, wenn man so einen Abend füllen will". Zum Glück teilten sie alle "eine Liebe zur Improvisation". Dabei hilft, sein Instrument zu meistern, wie Winbeck, der am Münchner Konservatorium studiert hat.

Vergangenen März haben sie das meiste noch gemeinsam im Studio eingespielt

In gewisser Weise ist "Supersonic" eine Reise zurück in diese Anfangszeit. Nachdem das zweite Album "Wienerin" hübsch poppig durchchoreografiert war, lassen sie es diesmal wie beim Debüt "Jambo" wieder mehr instrumental laufen: Es startet mit dem von der Posaune angewärmten und der Gitarre funkig befeuerten Soul-Groove "Disko-Fuchs", "Walzer" erinnert in seiner freundlichen Melodie und Klang-Neugier an Haindling, beim stromglitzernden "Glamour-Girl" (das Winbecks Gesang mehr als Instrument nutzt) vermisst man die gerade aufgelösten Daft Punk gar nicht mehr so schmerzlich, und im "Kumbaja Labor" testen sie jazzig die Grenzen von Eigensinn und Miteinander aus. So, wie sie es live lieben. Das Ziel war diesmal, diesen Konzert-Klangkörper, die "Kommunikation im Moment", auf dem Album einzufangen. Und dafür war es freilich gut, dass sie das meiste im März noch alle gemeinsam im Studio einspielen konnten.

Den kontaktarmen Sommer über arbeitete Winbeck in Zweierteams mit dem Material, meist mit dem alten Freund und neuen Produzenten Lorenz Schmid von Lenze und de Buam, der auch die Hammond-Orgel, früher ihr Haupt-Harmonie-Instrument, zurückbrachte. So machten sie den Monobo-Sound rund, schliffen auch die radiotauglichen Singles wie "Die Leni" - superpositiver Lebensweisheits-Pop. Wobei Winbeck nicht nur schwärmerisch ist, sondern auch oft kritisch: Im drängenden "Nu a bissal" geht es um den Weltuntergang und wie man ihn vielleicht verhindert, in "Hans-Dampf" bläst er Wut-Schwätzern den Marsch. "Die Stimmung heizt sich schon seit Jahren auf", sagt Winbeck, seine Sorgen und Frust muss er sich dann "von der Seele schreiben". Dieser frühlingshafte Wechsel der Stimmungen macht Monobo Son aus. So fühlt sich auch für Winbeck jetzt "alles stimmig" an. Der Hörer merkt, wie viel Zeit und Mühe er in "Super Sonic" gesteckt hat.

Zeit hatte er reichlich. Auch weil er sich nun schweren Herzens aus der Organisation von La Brass Banda ausgeklinkt hat. Nur so könne er seinen eigenen Monobo-Spross auf Voll-Profi-Füße stellen. Er hat dafür sein Label "Urwald-Records" an den Start gebracht und die Möglichkeiten von Social-Media ausgelotet, etwa mit einem Making-of-Video vom Superhelden-Shooting. Das macht Laune, aber viel lieber würden sie freilich raus in die Wirtschaften und Clubs und "spielen, spielen, spielen", also "die ganze Energie rausblasen, die sich angestaut hat". Das Jubiläumskonzert in der Muffathalle mussten sie allerdings auf März 2022 schieben. Damit ihnen - auch finanziell - nicht die Luft ausgeht, überlegen sich die fünf "Naschkatzen" gerade, wie sie in kleineren "Koch-Show-Konzerten" Kulinarik und Musik verbinden können, sagt Winbeck. "Es gibt so einiges, was in unseren Köpfen herumspinnt."

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Quelle:
SZ vom 27.02.2021
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