Monacensia:Wortmacht zum Mitnehmen

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Nur eine Schreibmaschine und ein bisschen Fantasie braucht Sabine Magnet für ihre Kunst. Doch danach fühlt sie sich wie eine Marathonläuferin. (Foto: Robert Haas)

Bei "Poetry to go" verfasst Sabine Magnet Gedichte auf Wunsch

Von Cora Wucherer, München

"Schau, ich bau mit meinen Worten eine Eiche, die du siehst. Schau gut hin, wie dir ein Halbsatz deine Stimmung gleich vermiest. Denn die Worte, die ich schreibe, lösen bei dir Bilder aus, noch vor Ende dieses Satzes denkst du an ein Reetdachhaus", tippt Sabine Magnet auf den Tasten ihrer orangeroten Schreibmaschine. Links neben ihr plätschert ein Brunnen, im Garten vor ihr plätschern die Gespräche dahin, von älteren Damen, jungen Männern, ein paar Pärchen. Über ihr wehen bunte Wimpel im Wind, hinter ihr strecken sich die Türme der Monacensia im Hildebrandhaus dem Abendhimmel entgegen. Es ist ein wenig wie im Märchen oder zumindest wie in einer anderen Zeit.

Es ist das erste Mal seit März, dass Sabine Magnet wieder an ihrer Schreibmaschine sitzt und Gedichte im Auftrag in die Tasten schlägt - bei "Poetry to go". Auf Wunsch (und Spendenbasis) verfasst die junge Frau Lyrik für die Besucher - jedes Blatt Papier ein individuelles Unikat. Über das Leben, über Hunde, für Geburtstagskinder, zur Aufheiterung, über die Macht der Worte. Sabine Magnet ist Lyrikerin, Autorin und Journalistin, 2017 startete sie ihr Projekt "Poetry to go". An ihre erste Aktion, damals saß sie mit ihrer Schreibmaschine am Rindermarkt, erinnert sie sich genau: "Das war krass. Ich war sehr nervös: Funktioniert es in der Ernstsituation wirklich? Dann habe ich gemerkt, dass es mir liegt. Bei zwei, drei Gedichten haben die Menschen richtig geweint."

Jetzt, nach der Pandemie, ist sie wieder ein wenig nervös, vor dem Neuanfang. Wenn Sabine Magnet tippt, blickt sie immer wieder gedankenverloren ins Grüne, rückt ihre silberne Brille mit dem Zeigefinger zurecht oder mustert die Besucher, die auf ihre Worte warten. "Wenn jemand kommen und mit mir über Molekularbiologie reden würde, hätte ich wahrscheinlich Probleme", lacht sie. Ansonsten findet sie die Worte - mal leichter, mal braucht sie eine kurze Pause. Oft schon gefielen Magnet die Gedichte so gut, dass sie am liebsten eines behalten hätte. Deshalb fotografiert sie jedes Werk ab - um die 1000 Gedichte hat sie in den vergangenen Jahren live geschrieben, schätzt die Dichterin, die auch schon in London vor der Schreibmaschine saß. "Es ist auch eine körperliche Anstrengung", sagt sie. "Danach bin ich so kaputt, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Aber gleichzeitig bin ich erfüllt und glücklich." So wie die Besucher, die Sabine Magnet filmen, wie sie die Gedichte vorliest, sich bei ihr bedanken und nach einem Plausch mit ihr wieder nach Hause gehen, mit einem Lächeln im Gesicht - hinter der Maske - und einem Blatt Papier in der Hand.

Wer sein persönliches Gedicht möchte, hat noch eine zweite Chance: Am 27. August dichtet Magnet wieder im Hildebrandhaus und bei gutem Wetter am 30. August, auf der Außenfläche der Alten Utting. Anmeldung ist nicht nötig. Das Wichtigste für die Gedichte sind die Gäste. Denn, das schreibt Magnet selbst: "Doch ein Wort hat ganz allein und von sich aus keine Macht - Menschen geben ihm Bedeutung. Darum nutze es bedacht."

Poetry to go , Do., 27. August, 16 - 20 Uhr, Monacensia im Hildebrandhaus, Maria-Theresia-Straße 23, www.poetrytogo.de; So., 30. August, 12.30 bis 17 Uhr, Alte Utting, Lagerhausstr. 15, Eintritt frei

© SZ vom 27.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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