Süddeutsche Zeitung

Politik in München:Der Mann für die Verkehrswende

Der städtische Verkehrsplaner Georg Dunkel soll künftig das neue Mobilitätsreferat leiten und dort den Ausbau von Bussen, Bahnen und Radwegen vorantreiben. Die Grünen wählen mit der Personalie eine solide Lösung.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Der neue Mobilitätsreferent kommt aus der Stadtverwaltung: Die Fraktion von Grünen/Rosa Liste wird dem Stadtrat am kommenden Mittwoch vorschlagen, Georg Dunkel an die Spitze der neuen Behörde zu wählen. Der 47-Jährige hat bisher die Abteilung Verkehrsplanung im Planungsreferat geleitet, er ist nicht Mitglied einer Partei. Laut Koalitionsvertrag haben die Grünen das Vorschlagsrecht für den Posten, dürfen also de facto über die Besetzung entscheiden. Die SPD hat sich verpflichtet, mit ihren Stimmen die Mehrheit zu schaffen. Beworben hatten sich mehr als 30 Kandidatinnen und Kandidaten, sechs von ihnen waren in der letzten Runde, fünf Männer und eine Frau.

Die Grünen setzen mit der Personalie auf eine solide, aber wenig überraschende Lösung. Der Mann, der bisher im Planungsreferat für den Verkehr zuständig war, wird dies künftig in einem eigenen Referat sein. "Wir freuen uns, mit Georg Dunkel einen erfahrenen und in der Münchner Verkehrspolitik bestens vernetzten Fachmann für die Leitung des Mobilitätsreferates gewinnen zu können", sagte Grünen-Fraktionschef Florian Roth. Dunkel habe maßgeblichen Anteil an dem Konzept Modellstadt 2030, das sich zu einer Blaupause für die Mobilitätswende in München entwickelt habe. Als langjähriger Mitarbeiter des Planungsreferates stehe er für eine enge Verzahnung von Verkehrs- und Stadtplanung und räume den Belangen des Klimaschutzes hohe Priorität ein. Die Fraktion sei überzeugt, "dass er die notwendige Mobilitätswende in München mit seinem enormen Fachwissen und mit großer Tatkraft voranbringen wird".

Das neue Mobilitätsreferat hatte noch der alte Stadtrat beschlossen, die Grünen können nun in der noch frischen Amtsperiode den Chefposten als eine Schlüsselstelle ihrer Politik besetzen. Nichts weniger als die im Wahlkampf versprochene Verkehrswende soll der Mobilitätsreferent möglichst schnell und konsequent umsetzen. Dafür installierten sie eine fünfköpfige Findungsgruppe und schrieben die Stelle deutschlandweit aus. Nach der Vorstellung der sechs Kandidaten am vergangenen Mittwoch im Stadtrat wurde die Entscheidung in den Tagen danach schließlich zu einem Finale von zwei Kontrahenten aus der Stadtverwaltung, beide zentrale Verkehrsplaner. Dunkel setzte sich durch, weil er sich in der persönlichen Vorstellung am souveränsten in alle Richtungen präsentiert hatte, heißt es bei den Grünen. Die Findungsgruppe und die Fraktion einigten sich einstimmig auf ihn, obwohl er im Gegensatz zu seinem letzten verbliebenen Kontrahenten kein Parteimitglied ist.

Zustimmung kommt vom Koalitionspartner SPD/Volt. Von einer "guten Entscheidung" sprach SPD-Fraktionschef Christian Müller. "Wir stehen alle gemeinsam vor großen Zukunftsaufgaben." Kaum ein anderes Thema beschäftige die Menschen in München so intensiv und so kontrovers wie der Verkehr.

Bisher waren Verkehrsthemen in München in fünf verschiedenen Referaten angesiedelt; das führte zu langen Planungszeiten und unklaren Zuständigkeiten. Im Mobilitätsreferat, das zum 1. Januar seine Arbeit aufnehmen soll, werden diese Themen dann gebündelt sein. Dunkel muss in den nächsten Jahren die Umverteilung des öffentlichen Raumes organisieren - in einer Stadt, in der beim Thema Verkehr jahrelang zu wenig in die Zukunft geschaut wurde und in der durch die Coronakrise das Geld knapp sein wird. 300 Mitarbeiter, vorwiegend aus bereits bestehenden Referaten, sollen an den neuen Behördenstandort in Sendling ziehen. Organisatorisch soll das neue Mobilitätsreferat in zwei Geschäftsbereiche aufgeteilt werden: einen Bereich Strategie und einen personell mehr als dreimal so großen Bereich Verkehrs- und Bezirksmanagement.

Georg Dunkel hat in Aachen Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt Verkehrswesen und Raumplanung studiert. Seine berufliche Laufbahn begann er im Jahr 2000 bei der Stadt München - und blieb. Seit Januar 2017 ist er Chef der Abteilung Verkehrsplanung und dort verantwortlich für 68 Mitarbeiter. Wichtig ist ihm die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Zu den Kooperationen zählen die Projekte "City2Share", in dem lokale Maßnahmen zur Förderung einer stadtverträglichen Mobilität und Verbesserung der Aufenthaltsqualität in den Quartieren erprobt werden sollen, und "Easyride" zum automatisierten Fahren im städtischen Kontext.

Im Gespräch mit der SZ äußerte sich Dunkel im April 2017 kritisch über frühere Versäumnisse der Stadt in der Verkehrspolitik. Es gebe in München kein richtiges Ziel, die Politik habe sich viel zu lange nicht getraut, Entscheidungen zu treffen, sagte er. "Wir kriegen die Probleme nur hin, wenn eine Veränderungsbereitschaft in der ganzen Stadt entsteht." Also: Umsteigen vom Auto auf Car-Sharing, aufs Rad, auf die Bahnen. Den Bau der Autotunnel am Mittleren Ring dagegen sah er als Fehler. "Bei jedem haben wir vorhergesagt, dass er zu neuen Staus führen wird, geglaubt hat uns niemand", erklärte Dunkel damals.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2020/kafe
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