Festival „Mittel Punkt Europa“ im Münchner Filmmuseum:Kino im Schatten des Krieges

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Ein Mann reist in den Donbass, um seine im Sterben liegende Mutter zu besuchen. Einige der Darsteller in „Stepne“ starben in Putins Angriffskrieg. (Foto: Andrii Lysetskyi)

Beim „Mittel Punkt Europa Filmfest“ werden Filme aus Ländern wie Ungarn, Belarus oder der Ukraine gezeigt. Einige Macher reisen an, einige Darsteller sind nicht mehr am Leben.

Von Josef Grübl

Überall sei es besser als zu Hause, behauptet der junge Ungar – und steigt in einen Zug Richtung Westen. Wer da an Viktor Orbán und die Zustände in Ungarn denkt, hat zwar vielleicht recht, liegt aber trotzdem daneben: Der Film „Pelikan Blue“ erzählt vom Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 und von drei reiselustigen Freunden. Da sie kein Geld für die Zugkarten nach London oder Paris haben, fälschen sie diese: Die blaue Tinte der handgeschriebenen Tickets lässt sich leicht löschen, schon bald betreiben die Freunde einen ebenso lukrativen wie illegalen Handel damit.

„Pelikan Blue“ lief bereits auf mehreren internationalen Festivals, jetzt eröffnet der Animationsfilm von László Csáki am 27. Februar das „Mittel Punkt Europa Filmfest“ in München. Das Festival findet zum neunten Mal statt, wie immer im Filmmuseum. Auf dem Spielplan stehen insgesamt elf neue Filme aus osteuropäischen Ländern wie Polen, Tschechien, Belarus, der Slowakei, Ungarn und der Ukraine. Aufgeführt werden sie in ihren Originalfassungen mit Untertiteln, zu einigen Vorführungen werden Gäste erwartet.

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So etwa am 1. März, da stellt die Ukrainerin Maryna Vroda ihren Film „Stepne“ vor. Sie erzählt von einem Mann, der in den winterlichen Donbass reist, um seine im Sterben liegende Mutter zu besuchen. Er trifft aber noch mehr Menschen, irgendwann reden sie über Abschiede, ihre Heimat und das kulturelle Erbe. Die Regisseurin hat viele Rollen mit Laiendarstellern besetzt, einige von ihnen sind nicht mehr am Leben: Sie fielen Putins Angriffskrieg zum Opfer.

Um diesen Krieg geht es auch in „Flowers of Ukraine“ (zu sehen am 5. März): Im Mittelpunkt dieses Dokumentarfilms steht eine ältere Dame aus Kiew, die mit ihren zwei Exmännern und ein paar Hühnern und Ziegen zusammenlebt – und sich zu Kriegsbeginn an der Verteidigung ihrer Heimatstadt beteiligt. Eine Mini-Serie aus Belarus steht am 6. März auf dem Spielplan: Regisseur Andrei Kashperski erzählt in „Processes“ von einem Milizangehörigen, der drei willkürlich verhaftete Studenten in seiner Wohnung unterbringt, weil die Gefängnisse überfüllt sind. Das ist schwarzhumorig und skurril, das kann man auch als Kritik am Regime von Alexander Lukaschenko sehen. Der Regisseur lebt mittlerweile in Polen, er hat Belarus nach Kriegsbeginn verlassen.

Das Private und das Politische gehen in vielen der Filme eine Verbindung ein, so auch im ungarischen Festivalbeitrag „Nyersanyag – Raw Material“, zu dessen Vorstellung am 1. März Hauptdarsteller Zsolt Dér erwartet wird. Dieser spielt einen Filmregisseur aus Budapest, der in ein kleines Dorf in der Provinz reist, um einen Kunstworkshop für Jugendliche zu veranstalten. Doch schon bald erlebt er Machtmissbrauch und Korruption, im Zentrum steht der Bürgermeister des Dorfs. Der Gast aus der Stadt will sich mit filmischen Mitteln wehren: Das aber hat Folgen für alle.

Mit einer (Handy-)Kamera unterwegs ist auch der 13-jährige Protagonist im Coming-of-Age-Drama „Už tě nemám rád – I don’t love you anymore“ des tschechischen Regisseurs Zdeněk Jiráský, der zum Abschluss des Festivals am 8. März gezeigt wird. Als der Vielfilmer Marek ein junges Mädchen kennenlernt und sie mit ihm abhauen will, eskaliert die Lage. Filme aus Osteuropa laufen hierzulande nur selten im regulären Kinoprogramm. Wer im Kino einen Blick auf unsere Nachbarländer werfen will, erhält bei diesem Festival Gelegenheit dazu.

Mittel Punkt Europa Filmfest, Donnerstag, 27. Februar, bis Samstag, 8. März, Filmmuseum, St.-Jakobs-Platz 1

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