Münchner Mietmarkt:Wohnen geht auch günstiger

Münchner Mietmarkt: Eine imposante Fassade in der Dreimühlenstraße, unweit der Isar.

Eine imposante Fassade in der Dreimühlenstraße, unweit der Isar.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Der sogenannte reale Mitspiegel, den Sozialreferentin Dorothee Schiwy am Mittwoch vorstellte, zeigt, dass ein München mit günstigeren Mieten möglich ist.
  • Der sogenannte qualifizierte Mietspiegel ist die Grundlage dafür, wie stark Mieten erhöht werden dürfen.
  • Wenn nicht nur bestimmte, sondern alle Mietverträge in die Erhebung des Mietspiegels eingehen, führt dies demnach zu einem um 8,6 Prozent niedrigeren Preisniveau.
  • Dieser reale Mietspiegel hat allerdings keinerlei rechtlich bindende Wirkung.

Von Anna Hoben

Ein München mit günstigeren Mieten ist vielleicht schwer vorstellbar, wäre aber möglich. Das zeigt der sogenannte reale Mietspiegel, den Sozialreferentin Dorothee Schiwy am Mittwoch vorgestellt hat. Wenn nicht nur bestimmte, sondern alle Mietverträge in die Erhebung des Mietspiegels eingehen, führt dies demnach zu einem im Durchschnitt um 8,6 Prozent niedrigeren Preisniveau - je nach Lage und Ausstattung. Die Ergebnisse will Schiwy am 13. Februar dem Stadtrat vorstellen. Für Mieter gehört leider auch diese Nachricht dazu: Der "reale Mietspiegel" hat keinerlei rechtlich bindende Wirkung.

Der qualifizierte Mietspiegel hingegen ist die Grundlage dafür, wie stark Mieten erhöht werden dürfen. Ein Jahr ist es her, dass Oberbürgermeister Dieter Reiter die aktuelle Version vorstellte und zugleich die Erhebung eines "realen Mietspiegels" ankündigte. Das Ziel: zeigen, wie die Mieten in München auch aussehen könnten und Druck ausüben auf die Bundespolitik. Denn das Instrument, so wie es jetzt gestaltet ist, bildet nicht die tatsächliche Durchschnittsmiete ab. Es fließen nur jene Wohnungen ein, die in den vergangenen sechs Jahren neu vermietet worden sind oder deren Miete verändert, also erhöht worden ist.

Dieser Zeitraum ist durch eine Gesetzesänderung Anfang dieses Jahres von vier auf sechs Jahre erhöht worden. Wohnungen mit älteren Verträgen, Genossenschafts- und öffentlich geförderte Wohnungen bleiben ganz außen vor. Der Mietspiegel ist also ein Mieterhöhungsspiegel, der das Geschehen der vergangenen Jahre auf dem freien Markt abbildet.

Für den "realen Mietspiegel" führte das auch sonst mit der Erhebung betraute Institut Kantar zusätzliche Befragungen durch. Mit 1000 Mietparteien, die für den normalen Mietspiegel nicht in Frage kommen - weil eben ihr Mietvertrag zu alt ist oder sie in einer geförderten Wohnung leben. Die Ergebnisse wurden dann in den qualifizierten Mietspiegel 2019 eingerechnet und entsprechend statistisch gewichtet.

Die Zahlen beweisen, dass diese Vorgehensweise einen preisdämpfenden Effekt auf den Wohnungsmarkt hat. Im Extremfall ließe sich über einen Zeitraum von fünf Jahren sogar eine halbe Jahresmiete sparen. Die Berechnungen anhand dreier fiktiv ausgestatteter Beispielwohnungen zeigen, wie die Mieten aussehen könnten. Eine Familie in einer 78-Quadratmeter-Wohnung könnte so in fünf Jahren 6540 Euro sparen. Insgesamt zeige sich laut Sozialreferat, dass sich die ortsübliche Miete für große Altbauten und Wohnungen in zentraler, bester Lage sowie für besser ausgestattete Wohnungen stärker verringere.

Bis 1982 war das Bundesgesetz zum Mietspiegel so gestaltet, dass alle Mieten in die Erhebung einflossen. Unter der schwarz-gelben Koalition wurde das geändert. "Das müsste rückgängig gemacht werden", fordert Sozialreferentin Schiwy, die den "realen Mietspiegel" als schlagkräftiges Argument nach Berlin schicken will. Zustimmung kommt von der SPD: "Bundesbauminister Horst Seehofer fordert seit letzter Woche zwar endlich auch mehr Regulierung am Wohnungsmarkt", sagt Claudia Tausend, Vorsitzende der Münchner Sozialdemokraten, "aber bislang scheitert eine grundlegende Reform des Mietspiegels am tatsächlichen Widerstand von CDU/CSU im Bundestag".

Seehofer hatte in der Welt am Sonntag Verständnis für Eingriffe in den Mietmarkt geäußert. "Mit dem nun vorliegenden Zahlenwerk aus München sollte endlich ein Umdenken einsetzen", so Tausend. Auch der Mieterverein München fordert, dass die Bundesregierung es den Kommunen künftig erlauben soll, ihre Mietspiegel anders zu erstellen. "Die Mieten würden nicht ins Bodenlose fallen", sagt Geschäftsführer Volker Rastätter. "Es würde eine Dämpfung auf sehr hohem Niveau geben, mit der auch jeder faire Vermieter umgehen kann. Und vielen Mietern wäre sehr geholfen, wenn die Mieten in den nächsten Jahren nicht so extrem nach oben gehen wie bisher."

Naturgemäß anders sieht das der Eigentümerverband Haus und Grund, der am Mittwoch die Untersuchung als "Stimmungsmache", "Propaganda" und "Verschwendung von Steuergeldern" bezeichnete. Es sei "rechtlich unhaltbar", dass "Mieten von Wohnungen, die mit staatlichen Mitteln gefördert wurden, in einen Topf geworfen werden mit Wohnungen, die von privaten Vermietern aus eigener Tasche finanziert wurden", sagt Vorsitzender Rudolf Stürzer. Wer das Rad zurückdrehen wolle, müsse auch etwa die Abschaffung der Kappungsgrenze verlangen, die 1982 zur Verhinderung von zu großen Preissprüngen eingeführt wurde.

Sozialreferentin Dorothee Schiwy geht der "reale Mietspiegel" indes noch nicht weit genug. "Wir brauchen weitere Instrumente", sagt sie. Zum einen müssten die Bodenpreise gedeckelt werden, um Spekulation zu verhindern. Zum anderen müsse der Freistaat die Mietpreisbremse bis 2025 verlängern. Diese müsse zudem weiter überarbeitet werden, um einen echten Effekt zu haben - vor allem die zahlreichen Ausnahmeregelungen gehörten reduziert.

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