Wohnen:Münchens Mietbrennpunkte

Wohnen: Ein Halt auf der Tour des Mietervereins: die Klenzestraße 15.

Ein Halt auf der Tour des Mietervereins: die Klenzestraße 15.

(Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Der Mieterverein zeigt in einer Tour durch die Stadt, wo die Wohnsituation besonders angespannt ist - und wie sich die Menschen zu helfen versuchen.

Von Julian Raff

Zinsanstieg, Baukosten und Fachkräftemangel mögen das Tempo, in dem Investoren die Stadt baulich und sozial umformen, vorerst drosseln, alteingesessene Mieter vor Verdrängung schützen, kann die Bauflaute auf Dauer aber nicht. Gleichzeitig verschärft sie die Nöte tausender Studierender, wie sich vor allem in der einst vorbildlichen, heute dramatisch maroden und teils verwaisten Studentenstadt in Freimann zeigt. Dort, in Haidhausen und im angesagten Gärtnerplatzviertel finden sich, vom Mieterverein München im Zuge einer jährlichen Informationstour vorgestellt, Brennpunkte, die stellvertretend die Komplexität der Krise aufzeigen, zugleich aber auch die Vielfalt der Initiativen, in denen sich betroffene Mieter zusammengetan haben.

Als klassischen Fall muss man wohl ein 1957 erbautes Wohnhaus in der Klenzestraße 15 bezeichnen, gelegen in einer Wohnumgebung, die ungeachtet des klingenden Namens und der zentralen Lage relativ viel unsanierten Altbestand aufweist. Das Haus wurde ursprünglich in Sozialbindung, später frei 39 Jahre lang von einer Eigentümerfamilie vermietet, die sich mit Sanierungen, aber auch mit ihren Mietforderungen zurückhielt. Vor drei Jahren - und seither zwei weitere Male - wurde es dann verkauft. Die aktuellen Eigentümer, ein Ehepaar, das in der südlichen Klenzestraße ein weiteres Wohnhaus gekauft hat, planen, wie ihr Anwalt Claudius Artz gegenüber der SZ betonte, vor allem die notwendige Energiesanierung der Wohnungen, allerdings finanziert durch den Ausbau des Dachgeschosses zu einer Luxus-Bleibe mit Dachterrasse.

Erschlossen wird diese durch einen Aufzug, was wiederum bedeutet, dass darunter Wohnungen zusammengelegt und vergrößert werden müssen und so für die verbliebenen acht Bestandsmieter wohl vollends unerschwinglich werden. Die nach Mieterangaben angedrohten "Verwertungskündigungen" hält die Mietervereins-Vorsitzende Beatrix Zurek für rechtlich kaum durchsetzbar. Sie blieben aber ein psychologisches Druckmittel. Die Mietergemeinschaft verteidige hier ihr Recht auf Stadtheimat, nicht etwa auf "günstiges Herumwohnen", hielt Zurek indirekt auch dem Eigentümeranwalt entgegen, der gegenüber der SZ Kaltmieten um die zehn Euro in dieser Lage als "illusorisch" bezeichnet hatte. Außerdem, berichtet Mietersprecher Andreas Schmitz, hätten die Eigentümer die Mieter gefragt, warum sie ihre Wohnungen denn nicht schon längst gekauft hätten.

Mit einem "Ja, warum eigentlich nicht?" beantwortet man unterdessen an der Wörthstraße 8 im schicken Haidhausen die eigentlich zynische Frage. Hier sind die Bewohner eines knapp 130 Jahre alten denkmalgeschützten Hauses nach zwischenzeitlichen Dämpfern wieder gut vorangekommen im Versuch, eine Hälfte der Immobilie selbst zu kaufen - die andere gehört inzwischen einer Schweizer Stiftung mit Nachhaltigkeitsanspruch. Nachdem sie dem Eigentümer Zusagen über Preisstundungen abringen konnten, wären für den Gang zum Notar erst einmal 3,25 Millionen Euro fällig. Zusagen für rund 150 private Direktkredite über insgesamt gut 2,25 Millionen Euro hat die Gemeinschaft derzeit eingesammelt - von zehn Euro aus dem Taschengeld einer jungen Bewohnerin bis zum Großkredit über eine Million.

Wohnen: In der Studentenstadt hätten die Bewohner nichts gegen eine Nachverdichtung.

In der Studentenstadt hätten die Bewohner nichts gegen eine Nachverdichtung.

(Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Von derart großzügigen Finanzierungszusagen können die Rest-Bewohner der Studentenstadt (StuSta) in Freimann nur träumen, ebenso wie von der Wiederbelebung ihres ausgestorben wirkenden Quartiers. Entvölkert hatte dieses nicht zuletzt der Brand im sogenannten Roten Haus im Februar 2021. Daraufhin wurden die übrigen Großbauten der "Neustadt" untersucht und großteils in Sachen Brand- und Gesundheitsschutz für unbewohnbar erklärt. Knapp 1300 Wohnplätze stehen leer, wenn auch noch das zentral gelegene Haus 10 mit seinen auch von Familien belegten 62 Plätzen im September geräumt sein wird.

Das hier verantwortliche Studierendenwerk nimmt TU-Student Sebastian Rein im Namen des neu gegründeten Arbeitskreises Wohnen ausdrücklich gegen Vorwürfe in Schutz, da es chronisch unterfinanziert sei. Der Freistaat schießt 40 000 Euro pro Wohnplatz zu, dessen Sanierung im Bestand mindestens 120 000 Euro koste, im Neubau 180 000 Euro, rechnen die AK-Aktiven vor. Das Studi-Werk sei dabei durch die Räumungen der Häuser in einen "Strudel" aus fehlenden Mieteinnahmen und dadurch bedingten weiteren Verfall des Bestands geraten, sagt Rein.

Entsprechend skeptisch sehen die Studenten den Auftrag an die staatliche Bayernheim, bis 2028 für 150 Millionen Euro insgesamt 1056 Wohnplätze in den beiden größten Häusern zu sanieren. Dabei böte gerade die StuSta bei entsprechender Finanzierung eine für München wohl einmalige Chance, da sich ihre Bewohner eine Nachverdichtung ausdrücklich wünschen. Bis zur technischen Hochhausgrenze von acht Geschossen hochziehen ließe sich nicht nur der bereits diskutierte Komplettersatz fürs Haus 10, sondern auch die aus heutiger Sicht verschwenderisch niedrigen Zweigeschossbauten der "Altstadt" im Süden des Quartiers. Ohne Versiegelung ließe sich die Siedlung hier von 2500 auf 4500 Wohnplätze ausbauen, wie angehende Architekten der TU in einer inoffiziellen Studie aufzeigen.

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