Immobilien in München:Mieten an der Grenze zum sozial Verträglichen

Karwendelstr. 4,6,8,10, Giesing

An der Karwendelstraße hat die Stadt viele Wohnungen gekauft.

(Foto: Florian Peljak)

Die FDP lässt die Pläne der Stadt München prüfen, Immobilien wesentlich günstiger per Vorkaufsrecht erwerben zu können. Das Gutachten zieht die Regelung in Zweifel.

Von Bernd Kastner

Strebt Grün-Rot die Enteignung von Immobilieneigentümern an? Der Plan existiert bisher nur als Idee, als eine von vielen Forderungen in der Wohnungspolitik. Und doch elektrisiert er die einen und alarmiert die anderen. Hier die Stadtratsmehrheit von Grün-Rot samt Oberbürgermeister, dort neben dem Haus- und Grundbesitzerverein die FDP: Deren Münchner Bundestagsabgeordneter Daniel Föst hält den Wunsch von Dieter Reiters Koalition für "realitätsfremd", ja, für "verfassungswidrig". Föst stützt sich dabei auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags.

Wie viel soll die Stadt bezahlen müssen, wenn sie in einem Gebiet mit Erhaltungssatzung ein Haus vorkauft, also es dem eigentlich vorgesehenen Käufer wegschnappt? Ziel des Vorkaufsrechts ist, die Mieten dauerhaft zu dämpfen und so bestimmte Milieus zu schützen. Bislang muss die Stadt dabei meist den hohen Marktpreis zahlen, den Eigentümer und der eigentliche Käufer ausgehandelt haben. Soll sie künftig zu einem deutlich geringeren Preis zuschlagen dürfen, der sich am sozial verträglichen Ertragswert orientiert? Also am Wert des Hauses, wenn die Wohnungen nicht für die in München oft möglichen 20 Euro pro Quadratmeter vermietet werden, sondern für vielleicht 11,50 Euro, die heute als sozial verträglich gelten. Regeln müsste dies der Bundesgesetzgeber. Der soziale Ertragswert wäre eine Freude für die Mieter, käme aber den Verkäufer teuer zu stehen.

29 Gebiete mit Erhaltungssatzung existieren derzeit mit 175 000 Wohnungen, etwa jeder fünfte Münchner lebt in einem der Areale. Wird dort ein Mietshaus verkauft, kann die Stadt den Deal stoppen und als Käuferin einsteigen. Der eigentliche Käufer wiederum kann die Stadt ausbooten, indem er eine sogenannte Abwendungserklärung unterzeichnet und sich zu sozialen Standards verpflichtet. Wenn nicht, geht das Haus an die Stadt. "Mondpreise" hat OB Reiter die am Markt zu erzielenden Preise genannt. Er wünscht sich mehr Eingriffsmöglichkeiten für die Kommunen, um den Immobilienmarkt stärker zu regulieren.

Um argumentative Munition zur Gegenwehr zu bekommen, hat Daniel Föst, der auch der Bayern-FDP vorsitzt, den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages um ein Gutachten gebeten. Weil der sozial verträgliche Ertragswert noch in keinem Gesetzesentwurf steht, sondern nur in einem Antrag der Linken im Bundestag und einer bundesweiten Petition auftaucht, beschränkt sich der Dienst darauf, seine Einschätzung "überblicksartig und kursorisch" darzustellen.

Politischer Aschermittwoch in Bayern - FDP

Daniel Föst ist Bundestagsabgeordneter und Landesvorsitzender der FDP in Bayern.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Das preislimitierte Vorkaufsrecht stehe im Spannungsfeld zwischen der Eigentumsgarantie und der Sozialpflichtigkeit des Grundgesetzes, wonach der Gebrauch des Eigentums dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen habe. Konsens sei, dass eine Kommune den Preis eines Vorkaufobjekts reduzieren dürfe, wenn dieser deutlich, also um 20 bis 30 Prozent über dem Verkehrswert liege. Wichtig dabei sei, dass der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten kann. Für den Fall, dass dieses Rücktrittsrecht gestrichen würde, müsste der Eigentümer das Objekt preislimitiert an die Kommune abgeben. Eine solche Regelung wäre "verfassungsrechtlich voraussichtlich als zweifelhaft zu bewerten", schreibt der Wissenschaftliche Dienst in seinem kurzen Gutachten.

Diese vorsichtige Bewertung genügt Föst, um die Wünsche des Münchner Rathauses als "Enteignung" zu geißeln, die ein "sehr fragwürdiges Verhältnis zur Eigentumsgarantie" zeigten. Ein preislimitiertes Vorkaufsrecht sei "entweder verfassungswidrig oder kaum anwendbar". Bliebe das Rücktrittsrecht des Verkäufers bestehen, meint Föst, würde wohl jeder Eigentümer vom Vertrag zurücktreten, um nicht viel Geld einzubüßen. Föst geht noch weiter, weil er vom Vorkaufsrecht generell nichts hält. Er plädiert dafür, dass Kommunen ihr Geld nicht in den Kauf bestehender Objekte stecken, weil so keine neue Wohnung entstehe. Vielmehr sollten die Städte neu bauen oder Belegrechte erwerben.

In diesem Fall gibt die Stadt einem Eigentümer Geld dafür, dass sie für bestimmte Wohnungen die Mieter aussuchen darf. Damit soll die Zahl der Wohnungen erhöht werden, über die die Stadt verfügen kann, um Geringverdiener zu unterstützen. Generell wünscht sich Föst "mehr Kooperation statt Konfrontation" in der Immobilienpolitik. Staat, Genossenschaften und Private sollten zusammenwirken, um Wohnungen zu bauen und auch den Dachausbau voranzutreiben.

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