Die gute Nachricht: Mit dem „Mietenwahnsinn in München“ kennen sich alle fünf Bundestagsbewerberinnen und -bewerber auf dem Podium von Mieterverein und DGB München sehr gut aus. Bei ihren Analysen sind sie am Sonntag in der Black Box des Gasteig/Fat Cat meist nah beieinander: Münchens Mietmarkt ist entwürdigend weit weg von dem, was Bayerns Verfassung in Artikel 106 garantiert: „Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung.“ Allerdings ziehen die fünf Münchner Bewerber von Grünen, Linken, CSU, FDP und SPD teils diametral entgegengesetzte Schlüsse aus ihren Befunden. Nach 105 Minuten weiß man, woran man bei ihnen ist: Die FDP will weiterhin einen freien Markt ohne zusätzliche Regulierung, die CSU nicht ganz so frei, und bei SPD, Grünen und der Linken wird massiv nach lindernden Regulierungen gerufen.
Die Diskussionsveranstaltung konfrontiert das Podium mit wohnungspolitischen Kernfragen, zu denen nicht alle immer ausführlich reden, aber immer eine Tafel mit „pro“ oder „contra“ hochhalten. Daniel Föst (Wahlkreis München-Nord), der wohnungspolitische Sprecher der Bundestags-FDP, stimmt dabei konsequent gegen alle Eingriffe in den Markt und ist sich damit fast immer einig mit CSU-Bewerberin Claudia Küng (Wahlkreis München-Süd), die ähnlich wie er davor warnt, Investoren abzuschrecken. Credo der Konservativen: Wir brauchen mehr Angebot. Einzig bei der stärkeren staatlichen Förderung von „Wohnungsgemeinnützigkeit“ (etwa Genossenschaften) schlägt sich Küng auf die Seite von SPD, Grünen und Linke, weil sie das für sinnvoll erachte, auch wenn sie angesichts der Bodenpreise in München skeptisch sei, ob Genossenschaften deshalb hier mehr bauen könnten.

Christian Schwarzenberger (Linke; Wahlkreis München-Nord), André Hermann (Grüne, Wahlkreis München-Ost) und Seija Knorr-Köning (SPD, Wahlkreis München West-Mitte) haben es mit ihren Parteiprogrammen naturgemäß einfacher, einen ganzen Katalog von Forderungen an den nächsten Bundestag zu formulieren. Sie stimmen überein darin, die Ende 2025 auslaufende Mietpreisbremse in Kommunen mit angespannten Mietmärkten zu verlängern, damit die Preise nicht weiter steigen; sie wollen eine Kappungsgrenze für Indexmieten (welche CSU-Politikerin Claudia Küng sogar insgesamt infrage stellt, weil sie zu besonders krassen Preisverwerfungen führten); sie wünschen, dass das 2021 durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eingeschränkte kommunale Vorkaufsrecht deutlich gestärkt wird, sodass Immobilien entweder an die Stadt verkauft werden oder aber Investoren sich durch eine „Abwendungserklärung“ freiwillig und langfristig für besonders hohen Mieterschutz verpflichten.
Daniel Föst hält das Vorkaufsrecht für unergiebig. Zwei Milliarden Euro habe München in den vergangenen zehn Jahren dafür ausgegeben, eine Summe, mit der sehr viel mehr Neubau-Wohnraum hätte geschaffen werden können. Angesichts von Tausenden fehlenden Wohnungen in München sehen SPD, Linke und Grüne das als keinen Zielkonflikt: Es müssten sowohl Mieterinnen und Mieter im Bestand geschützt wie auch neue Wohnungen vermehrt gebaut werden.
Um das Thema „Mietwahnsinn“ umfassend abzustecken, stellen einige Mieterorganisationen aus München vorbereitete Fragen in der Black Box, das Bündnis „Ausspekuliert“ etwa, die Kampagne „Mietenstopp“, das „Junge Forum“ (des Münchner Forums) oder auch David Vadasz vom „Arbeitskreis Wohnen der Studierenden in München“. Der nennt 800 Euro als Studentenbuden-Durchschnittspreis für München und will wissen, ob die Parteien bezahlbares Wohnen für Studierende fördern wollen. Die Frage ist so offen gestellt, dass diesmal auch die FDP mit „pro“ antworten kann.
Im Detail freilich auch hier Unterschiede: Föst (FDP) setzt auf das Angebot des freien Marktes, zusätzlich sollen „Anreize geschaffen werden“, damit Unternehmen Mitarbeiterwohnungen bauen und damit den Markt entlasten. Gegen eine Preisdeckelung spricht sich auch Claudia Küng aus und sieht den Ausweg eher darin, „Potenziale zu heben“: „Während des Oktoberfests haben wir doch auch freie WG-Zimmer!“ Christian Schwarzenberger hält dagegen: „300 Euro pro Nacht während des Oktoberfests für ein WG-Zimmer kann auch nicht die Lösung sein.“
Sollen künftig Eigentümer die Grundsteuer bezahlen?
Seija Knorr-Köning, selbst im Vorstand eines – noch preiswerten – Studierendenheimes, findet, dass der Staat da dringend einspringen müsse, um das Preisniveau wieder auf 400 Euro zu bringen. André Hermann hält eine Anpassung der Bafög-Sätze in so teuren Ballungsräumen für dringend geboten, und Schwarzenberger ruft dazu auf, „gemeinwohlorientiertes Bauen“, etwa durch Studierendenwerke, dringend stärker zu fördern, damit diese etwa auch durch Nachverdichtung in der Studentenstadt München mehr günstigen Studentenwohnraum schaffen können.
Weitere Vorschläge wollen wieder SPD, Grüne und Linke unterstützen: Ganz pauschal eine Stärkung der Mieterrechte, wobei die Linke allein auch klar für einen generellen Mietenstopp eintritt; ferner sollen künftig Eigentümer die Grundsteuer bezahlen und nicht mehr auf die Miete umlegen können; ein Absenken der Kappungsgrenze von 15 Prozent Mieterhöhung binnen drei Jahren bis zur Mietspiegel-Grenze; ein unbefristetes Umwandlungsverbot für Häuser ab zehn Wohnungen, damit Mietwohnraum nicht zu Eigentumswohnungen im angespannten Münchner Markt umgewandelt wird; eine Beschränkung von Eigenbedarfskündigungen auf die „Kernfamilie“ (nur noch für Eigentümer selbst und deren Kinder).
Ganz in der Tradition von Münchens früherem Oberbürgermeister Hans Jochen Vogel (SPD) ist natürlich auch die Sozialbindung des nicht vermehrbaren Gutes „Boden“ Thema, und die Abschöpfung des in München gewaltigen „leistungslosen“ Einkommens bei der Bodenspekulation. FDP und CSU sind gegen diesen Eingriff und fürchten, dass das Bauherren abschrecke – alle anderen fordern eine strikte Regulierung mit einer Bodenrechtsreform.