Kunst in der Messestadt Riem:In den Wunschbrunnen gefallen

Kunst im öffentlichen Raum der Messestadt Riem

Die Riem-Reibe: Korrekt heißt das Objekt des Bildhauers Olaf Metzel auf dem Willy-Brandt-Platz "Nicht mit uns", nach einem Zitat des SPD-Politikers.

(Foto: Florian Peljak)

Gemeinsam mit den Bürgern Kunst für einen neuen Stadtteil entwickeln - Zeit zu fragen, was vom spannenden, innovativen Experiment in der Messestadt geblieben ist nach schrumpfenden Etats, Wettbewerb-Skandalen und der leidigen Diskussion um den Riemer Kopfbau

Von Renate Winkler-Schlang, Messestadt Riem

Zig Millionen Euro wird der neue Schulcampus in der Messestadt Riem kosten. Je höher die Baukosten, desto üppiger das Budget für Kunst am Bau. Eine Million Euro - ein Anteil, der laut Kulturreferatssprecherin Jennifer Becker für "öffentliche Kunst" ausgegeben werden soll. Öffentliche Kunst? Da war doch was? Und soll da nicht noch was kommen? So viel vorweg: Die Situation ist verfahren.

Man erinnert sich: Das innovative Konzept für den neuen Stadtteil wollte auch in Sachen Kunst neue Wege ausprobieren. Anstatt die Mittel, die von öffentlicher Infrastruktur für Kunst abgezwackt werden, mit einer Skulptur hier und einem Farbklecks da übers Viertel zu verteilen, wurde all das Geld in einen Topf gegeben, anfangs etwas mehr als sieben Millionen Mark. Kuratorin Claudia Büttner sollte im Verlauf von zehn Jahren für und mit den Bürgern in der Messestadt Riem Kunst entwickeln, die den Entstehungsprozess des neuen Viertels begleitet. Klar, das Konzept hatte Kritiker: Dem Bezirksausschuss etwa entstand zu viel Temporäres - wie die Aktion des "Department für öffentliche Erscheinungen", das an die Bürger Fahnen verteilte mit Meinungen wie "I love Messestadt Riem", "Alles wird gut" oder "Heute hier, morgen fort."

Kunst im öffentlichen Raum der Messestadt Riem

Zum Kunstwerk wurde auch die Fassadeder Feuerwache 10, gestaltet von Kathrin Böhm, Stefan Saffer und Andreas Lang.

(Foto: Florian Peljak)

Da wehte an den Balkonen ein buntes, aber flüchtiges Meinungsbild. Oder im Herbst 2001 "Dream Home": eine Museumswohnung von Laura Kikauka an der Elisabeth-Dane-Straße, teils ausgekleidet mit mattgoldenen Korken, teils mit alten Plattencovern, teils schneeweiß. Später zuziehende Bürger konnten sich das nur erzählen lassen oder Fotos betrachten. Die Pioniere im Viertel machten bei den Begehungen, Radtouren, Vorstellungs- und Beteiligungsrunden der Kunstprojekte Riem jedoch gerne mit. Frauen aus einem Volkshochschul-Gesprächskreis regten unter dem Motto "Kunst ist rund und bunt" selbst etwas Bleibendes an, was Claudia Büttner gerne aufgriff: Die runde, gelbrote Skulptur "Wishing Well" von Stephen Craig auf dem Edinburghplatz von 2003 zeugt davon. Doch die Kunstprojekte, die den Messestadt-Pionieren viel Spaß machten, die international bekannte Künstler wie Sissel Tolaas mit ihren Geruchs-Automaten oder Chema Alvargonzales mit seiner Lichtinstallation am Tower in die Messestadt brachten und damit den Ruf der Kunststadt München in die Welt trugen, fanden unter der durchaus umstrittenen Kulturreferentin Lydia Hartl bereits 2003 nach knapp vier Jahren ein vorzeitiges, nie schlüssig begründetes Ende. Büttners Vertrag wurde einfach nicht wie vorgesehen verlängert. Der Kunst-Pool war noch gut gefüllt. Und es begann der Wirrwarr.

Kunst im öffentlichen Raum der Messestadt Riem

Die Installation "Herz, Hand, Mund" von Renata Stih und Frieder Schnock steht im Gewerbegebiet.

(Foto: Florian Peljak)

Soll das städtische Baureferat das Geld verwalten, normalerweise für Kunst am Bau zuständig und Büttner seinerzeit deutlich mehr unterstützend zugetan als ihr eigenes Referat? Sollte es den "Ortsterminen" des Kulturreferats zugeschlagen werden, womit auch Kunst auf dem Marienplatz mit dem Geld möglich geworden wäre? Auch ein neuer Kurator war im Gespräch oder eine neue Kommission, Programmrunde Riem genannt. Ein Teil des Geldes floss dann mangels Konzept in Kunst für die Bundesgartenschau 2005, etwa in die aus Wäschespinnen komponierte Riesen-Pusteblume oder "Löwenspinne" von Monica Felgendreher im Riemer Park. Die zunächst als temporär gedachte Plastik von Olaf Metzel mit dem von Willy Brandt entlehnten Zitat "Nicht mit uns" als Titel wurde angekauft. Nach und nach schrumpfte der Etat.

Doch örtliche Stadträte wie Georg Kronawitter (CSU) oder Herbert Danner (Grüne) hakten immer wieder nach. So kam es 2009 zu einem Wettbewerb für den damals laut Kulturreferat noch mit 700 000 Euro gefüllten Topf. Der Sieger, der belgische Künstler Panamarenko, wollte schwarze Riesen-Raben vor den leeren Kopfbau der Besuchertribüne vom früheren Flughafen stellen. Nach eingehender Prüfung erklärte er drei Jahre später seine Idee für statisch nicht realisierbar. Einen Zweitplatzierten hatte es nicht gegeben. Neues Spiel also: Doch wer diesen neuen Wettbewerb gewann, darüber wahrt die Behörde bis heute Stillschweigen. Und zwar so intensiv, dass etwa Michael Lapper, am Wettbewerb teilnehmender Künstler aus der Messestadt, noch nicht einmal offiziell erfahren hat, dass es ein Ergebnis gibt. Für Lapper eine bisher noch nie dagewesene Erfahrung. Durchgesickert ist es natürlich dennoch, auch wenn das Kulturreferat selbst den beiden Gewinnern, Tadashi Kawameta und Christophe Scheidegger, mit ihrem eigentlich für 2015 vorgesehenen "Pergola-Projekt" einen Maulkorb verordnet hat.

Kunst in der Messestadt Riem: Kuratorin Claudia Büttner kann heute ohne Bitterkeit auf ihre "intensive Zeit" in der Messestadt zurückblicken. Ihr Vertrag war 2003 nicht wie vorgesehen verlängert worden.

Kuratorin Claudia Büttner kann heute ohne Bitterkeit auf ihre "intensive Zeit" in der Messestadt zurückblicken. Ihr Vertrag war 2003 nicht wie vorgesehen verlängert worden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Grund für die Geheimniskrämerei: Auch das neue Siegerwerk erscheint nicht realisierbar, braucht es doch die - obwohl ein Denkmal - grob vernachlässigte und damit nicht mehr sicher standfeste Besuchertribüne zum Teil als Untergrund. Der Japaner und der Schweizer, ein eingespieltes Team, wollten aus Holzelementen eine luftige, geschwungene Konstruktion vom Ende der Tribüne übers Dach des Kopfbaus bis auf die südliche Fläche ziehen. Ein Projekt, das der Messestadt und München sicher zur Ehre gereichen würde. Und das Claudia Büttner, die sich durchaus bemühte, in der Messestadt auch bleibende "Landmarken" zu hinterlassen, gefallen würde.

Kunst in der Messestadt

"Verwandlung" nannte Chema Alvargonzález seine Lichtinstallation am Riemer Tower.

(Foto: Renate Winkler-Schnalng/oh)

Was aus der Pergola-Idee wird, liegt nun aber nicht allein in der Hand des Kulturreferats, es kann den Schwarzen Peter getrost ans Kommunalreferat weiterreichen, ist dieses doch zuständig für das marode Denkmal Tribüne, auf dem sich ein Biotop entwickelt. Becker spricht von "ausstehenden politischen Entscheidungen". Sie nennt "980 000 Euro minus Verfahrenskosten" als Grundstock im Kunst-Topf, also ohne die Million vom Schulcampus. Doch sie macht wenig Hoffnung auf die bereits auserkorene Kunst: Nun gehe es im Stadtrat (Sitzung: Mittwoch 17. Juni, Rathaus, Beginn 9 Uhr) erst mal um eine experimentelle, soziokulturelle Nutzung des Kopfbaus. Erst nach einer Evaluierung dieser "Zwischenphase" könne man, als "langfristige" Perspektive, wieder an das Siegerprojekt denken.

Für den früheren Grünen-Stadtrat Danner ist das ein weiteres Armutszeugnis in der an Pannen reichen Geschichte um Kopfbau und Tribüne. Für ihn begann das Unglück bereits mit dem Beschluss, den Kopfbau zur Buga nur provisorisch zu ertüchtigen. Hätte dieser einen konstanten Nutzer gehabt, wäre größerer Sanierungsdruck wenigstens für den Südteil der Tribüne entstanden. Dass das Kulturreferat offensichtlich beim zweiten Wettbewerb den Künstlern trotz der mangelnden Standsicherheit auch die Tribüne als Ort für Kunst angetragen hat, ist für Danner nur der Beweis für den seit Anbeginn hier grassierenden "Dilettantismus" der Verwaltung. "So viele vertane Chancen", sagt er, obwohl sich seine Begeisterung für den damaligen Output der Kunstprojekte Riem in Grenzen halte, wie er erklärt.

Anders sieht es Kronawitter: Auch im Rückblick beurteilt er das Kuratorinnen-Modell als die bessere Lösung: "Die Kunst hatte ein Gesicht, der Ansatz war ganzheitlich, verschiedene Kunstformen kamen zum Einsatz." Vielleicht wäre ein späterer Projektbeginn für die Kunstprojekte sinnvoll gewesen, meint er. Zudem habe die Stadt von Claudia Büttner angefangene, dynamische Projekte wie "re:site" von Felix S. Huber und Florian Wüst im U-Bahnhof West, die Messestadt-Szenen mit Filmklassikern gegengeschnitten haben, einschlafen lassen, kritisiert Kronawitter.

Kulturreferats-Sprecherin Jennifer Becker lobt die Kunstprojekte ebenfalls: "Das Konzept ermöglichte Experimentierfelder und Erfahrungen, die später in das Programm ,Kunst im öffentlichen Raum' eingeflossen sind. Die Weiterentwicklung hin zu einer gesamtstädtischen Betrachtung, eine adäquate Personalausstattung und die enge Anbindung an die Verwaltung waren Erfolgsfaktoren, die dem Programm mittlerweile ein großes internationales Renommee eingebracht haben", sagt Becker. Internationales Renommee hat inzwischen tatsächlich die damalige Kuratorin Claudia Büttner, die sich mit dem zeitlichen Abstand ohne Bitterkeit an diese "intensive Zeit" in der Messestadt erinnert. Immer wieder werde sie als Expertin angefragt, erzählt sie. Nur von der Stadt München nicht, fügt Büttner an - als kleine Randnotiz.

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