Kommentar:Die Schwächen der Stadtplanung

Veranstaltungen wie die Lokaltermine zum fünften Bauabschnitt sind notwendig und verdienstvoll. Zugleich zeigt sich dabei, dass dem Projekt ein stärkerer Bezug zur übergeordneten münchenweiten Entwicklung fehlt

Von Thomas Kronewiter

Kaum lässt die Pandemie-Lage es zu, zeigen sich die unbestreitbaren Vorteile des unmittelbaren Austauschs von Argumenten, wie er beim doppelten Lokaltermin zum fünften und letzten Bauabschnitt der Messestadt nun am Truchthari-Anger stattgefunden hat. Konstruktiv, mit beiderseits guten Argumenten, aber auch klaren Positionierungen - Initiativen zeigten ebenso wie Politiker, wie professionell mit strittigen Themen in dieser Stadt inzwischen mitunter umgegangen wird. Nachbarn trommelten unmittelbar vor einer entscheidenden Sitzung im Rathaus für ihr Anliegen - weniger Dichte - und erreichten dabei Entscheidungsträger mit durchaus erwägenswerten Überlegungen, und nicht bloß mit Fundamentalopposition oder dem Verweis auf andere, vermeintlich weniger betroffene Viertel. Und die Politiker kamen auch und hörten sich das Ganze an. Am Marienplatz wird sich jetzt zeigen, ob der Protest aus dem Münchner Osten in irgendeiner Form durchzudringen vermag.

Mehr als das aus Truderinger oder Messestädter Sicht "Schlimmste" zu verhindern, dürften die lokalen Proteste aber kaum schaffen. Vielleicht werden ein paar Wohnungen weniger gebaut, vielleicht denkt man über den breiten Boulevard noch einmal unter gestalterischen Aspekten neu nach. Dass die Stadträte größere Abstriche an einem derart langfristigen Projekt machen werden, ist nicht zu erwarten. Es wäre auch der falsche Reflex, jedes Mal nur deshalb zurückzuweichen, weil sich irgendwo Protest formiert. Argumente müssen zählen, und zwar in der lokalen Betrachtung ebenso wie in der gesamtstädtischen Perspektive. Und da haben Planung und insbesondere Bürgerbeteiligung nach wie vor eklatante Schwächen: Betrachtet wird immer nur das Einzelprojekt, der solitär veranlasste Verkehrszuwachs, die einzelne Nachverdichtung. Auch diesmal ist natürlich nicht die Rede von dem weit größeren Projekt der nächsten Jahrzehnte, unweit des Truderinger beziehungsweise Messestädter Schauplatzes: der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) Nordost mit ihren bis zu 30 000 Neubürgern. So lassen sich Kritiker nicht wirklich gut überzeugen.

Problematisiert werden planerische Konflikte schließlich immer erst kurz vor Schluss - in der Frühphase von Stadtplanung gibt es Beteiligung allenfalls auf sehr abstrakter Grundlage. Umgekehrt erwacht das Interesse Betroffener auch regelmäßig erst dann, wenn die Bagger schon fast im Anrollen sind. Das sind schlechte Voraussetzungen für grundlegende Kurswechsel.

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