Nach Absage der "Expo Real'":"Die Entscheidung ist hart, aber wir schützen damit unsere Kunden"

Messe Expo Real in München, 2019

Sich austauschen, locker beisammenstehen, neue Kontakte knüpfen? Vergangenes Jahr ging das noch bei der Expo Real in München - momentan weiß niemand so recht, was unter Corona-Bedingungen noch möglich ist.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Die Messe München muss in der Corona-Krise enorme Umsatzeinbußen wegstecken. Wie es in diesen unsicheren Zeiten weitergehen soll? Man will "das Beste aus der digitalen und Vor-Ort-Welt verbinden".

Von Sebastian Krass und Christian Rost

Die Münchner Messe hat bei ihrem Neustart nach der Corona-Zwangspause einen herben Rückschlag erlitten. Kurzfristig musste wegen der sich wieder zuspitzenden Covid-19-Situation die Immobilienmesse Expo Real abgesagt werden. Das bedeutet enorme Umsatzeinbußen. An diesem Mittwoch hätte die Veranstaltung als Mix aus Branchentreffen vor Ort und Online-Event im Internet beginnen sollen. Doch das Risiko war den Ausstellern trotz eines ausgetüftelten Hygienekonzepts auf dem Messegelände zu groß, weshalb laut dem Vorsitzenden der Messe-GmbH, Klaus Dittrich, keine andere Wahl blieb: "Die Entscheidung ist hart, aber wir schützen damit unsere Kunden." Der Messe München ist einschließlich der abgesagten Expo Real in diesem Jahr bereits ein Umsatzverlust von 210 Millionen Euro entstanden. Im Vorjahr lag der Gesamtumsatz bei 480 Millionen Euro.

Zum 1. September hatte die bayerische Staatsregierung den Messebetrieb wieder zugelassen, mit einer Mischung aus Euphorie und Vorsicht ging man an den Start: Teils mit Hybrid-Veranstaltungen, wie die Immobilienmesse konzipiert war, teils mit reinen Online-Präsentationen, wie es das Konzept für die am 19. Oktober beginnende Labor- und Biotechnikmesse Analytica vorsieht, sollte der Veranstaltungs- und Kongressmarkt wieder belebt werden. Da Messen in normalen Jahren in München für eine zusätzliche Kaufkraft von fast 1,8 Milliarden Euro sorgen und rund 16 400 Arbeitsplätze indirekt davon abhängen, hofften auch Hotellerie, Gastronomie und Einzelhandel auf ein Gelingen.

Die jüngste Entwicklung des Infektionsgeschehens beendete alle Bemühungen aber abrupt. Man hätte den eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden können, so Dittrichs bittere Bilanz. Entsprechend verhalten ist seine Prognose für die kommenden Monate: "Wir versuchen auf die Situation einzugehen. Das Digitale wird eine wesentlich wichtigere Rolle spielen als in der Vergangenheit." Online-Plattformen zur Teilnahme an Veranstaltungen wie nun bei der Analytica seien die Perspektive. Allerdings seien digitale Begegnungen kein 100-prozentiger Ersatz für den persönlichen Austausch. Bei der "Heim und Handwerk", die ja als reine Publikumsmesse angelegt ist, würde ein Digitalkonzept ohnehin nicht funktionieren. Deshalb bleibt es vorerst beim geplanten Messetermin vom 25. bis 29. November. Nina Gassauer, Sprecherin der Gesellschaft für Handwerksmessen, die die Veranstaltung organisiert, ist optimistisch, dass auch alles klappt. 70 Prozent der Aussteller hätten sich dafür angemeldet.

Corona ist im Messegeschäft bereits bis weit ins nächste Jahr spürbar: Die ersten Messen im klassischen Sinne sind für 2021 schon abgesagt, so die Bau und die ISPO Munich. Diese sollen nach dem derzeitigen Planungsstand dafür aber in hybrider Form stattfinden. Messe-Chef Dittrich will aus der Not eine Tugend machen, also "das Beste aus der digitalen und Vor-Ort-Welt verbinden". Ob die Rechnung aufgeht? Der Umsatz der Messe GmbH wird zumindest dieses Jahr tiefrot ausfallen. Mit bis zu 240 Millionen Euro Umsatzverlust wird für das Gesamtjahr gerechnet.

Ausgerechnet China, von wo aus sich das Virus in die Welt ausbreitete, hilft den Münchner Messeveranstaltern jetzt durch die schwierige Zeit. Dort sind sie seit Jahren erfolgreich mit Ablegern. Seit das Virus in China unter Kontrolle zu sein scheint, läuft auch das Geschäft wieder. In diesen Tagen starten eine Messe für Umwelttechnologien und eine für Getränke- und Brauwesen - mit großem Zuspruch. Im November steht dann die nahezu ausgebuchte Baumesse in China an. In München war die Bauma mit 2,5 Millionen Besuchern stets ein gewaltiger Umsatzbringer. Hier stehen die Zeichen aber nun auf Sparen: "Neben Effizienzmaßnahmen, die wir seit Mitte des Jahres realisieren, überprüfen wir derzeit weitere Maßnahmen, um die Einbrüche weitestmöglich aus eigener Kraft zu stemmen", sagt Dittrich. Zur Frage, wie sich das personell auf die Gesellschaft auswirken wird, will er sich nicht äußern.

"Wenn wir neue Kunden kennengelernt hätten, hätte es sich schon gelohnt."

Und was sagen die Firmen, die auf der Expo Real ausstellen wollten? Eines der größeren Unternehmen mit rund 3000 Beschäftigten ist unter den 56 angemeldeten Ausstellern die Geiger-Gruppe aus Oberstdorf, die auch in München auf vielen Baustellen präsent ist. Man habe erst am Montagabend von der Absage erfahren, sagt eine Firmensprecherin, "wir waren im ersten Moment natürlich überrascht". Allerdings sei der Schritt wegen der steigenden Corona-Fallzahlen nachvollziehbar. Bei den entstandenen Kosten sei man "zuversichtlich, dass die Rückabwicklung fair und unkompliziert verlaufen wird", so die Unternehmens-Sprecherin.

Die Immobiliensparte von Union Investment mit Sitz in Hamburg wollte in diesem Jahr mit einer vier- bis fünfköpfigen Delegation auf einem zwölf Quadratmeter großen Stand präsent sein. "Unser normaler Messestand ist annähernd zwanzig Mal so groß", wie ein Sprecher sagt. Die Absage nennt er eine "verantwortungsbewusste Entscheidung". Von den Plänen, einen Teil der Expo Real in diesem Jahr digital durchzuführen, werde die Messe, "wenn sie 2021 wieder als vollwertige Messe durchgeführt wird, ganz sicher profitieren".

Eines der kleinen Unternehmen, die einen Stand gebucht hatten, ist das Münchner Start-up Wohnungshelden, das großen Unternehmen Unterstützung bei der Vermietung von Wohnungen anbietet. "Wir wollten in der Krise zeigen, dass es uns gibt", sagt Geschäftsführer Daniel Vallés Valls. "Bisher haben wir auf der Expo Real auch durch die Bank gute Erfahrungen gemacht. Wenn wir einen neuen Kunden kennengelernt hätten, hätte es sich schon gelohnt." In diesem Jahr hätten die Veranstalter "sich nicht im besten Licht präsentiert". Vallés Valls stört sich daran, dass es stets geheißen habe, dass die Messe in jedem Fall stattfinden werde. Dennoch werde man 2021 wieder teilnehmen.

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