Messen in München:Zwischen flüssigen Tapeten und Pesto-Tabs

Messen in München: So kann man natürlich auch von zu Hause aus arbeiten, in einem Hängesessel aus Biobaumwolle. Zwischen 700 und 900 Euro koste solch ein Hängematten-Office, berichtet Geschäftsführerin Britt Haselbach.

So kann man natürlich auch von zu Hause aus arbeiten, in einem Hängesessel aus Biobaumwolle. Zwischen 700 und 900 Euro koste solch ein Hängematten-Office, berichtet Geschäftsführerin Britt Haselbach.

(Foto: Stephan Rumpf)

Nach langer Zwangspause haben die Heim+Handwerk und die Food & Life nun wieder geöffnet. Die Besucher können staunen - und die Aussteller hoffen.

Von Patrik Stäbler

Am Eröffnungstag der Heim+Handwerk herrscht weniger Betrieb als noch vor der Pandemie - und doch hat sich an diesem Mittwoch vor dem Haus von Erhard Seiler eine lange Schlange gebildet. Was freilich auch daran liegt, dass dessen vier Wände so nahe beieinanderstehen: Gerade mal 14,5 Quadratmeter misst das "Tiny House" der Rosenheimer Firma Orthodorn, das die Besucherinnen und Besucher der Messe im Gänsemarsch betreten - und nach einigen ungläubigen Blicken wieder verlassen, um das Miniaturhaus aus Zirbenholz von außen zu bestaunen.

Wer kauft solch ein Tiny House auf Rollen, das komplett ausgestattet 78 000 Euro kostet? "Das sind oft Menschen, die alles aufgeben", antwortet Seiler, Geschäftsführer von Orthodorn. "Die wollen insgesamt weniger haben. Und manchen geht es auch ums Energiesparen." Wer heute eines seiner "Zirbenheime" bestelle, müsse wegen des Andrangs monatelang warten. In der Anfangszeit seiner Firma sei das noch ganz anders gewesen. "Wir haben vor drei Jahren mit den Tiny Houses begonnen, als das für die meisten noch kein Thema war. Das war damals eine schwierige Zeit für uns."

Messen in München: Das "Tiny House" aus Zirbenholz ist 14,5 Quadratmeter groß und kostet 78 000 Euro, erklärt Erhard Seiler, Geschäftsführer von Orthodorn.

Das "Tiny House" aus Zirbenholz ist 14,5 Quadratmeter groß und kostet 78 000 Euro, erklärt Erhard Seiler, Geschäftsführer von Orthodorn.

(Foto: Stephan Rumpf)

Was einen direkt zur Heim+Handwerk selbst bringt. Deren Neustart sei nach dreijähriger Corona-Pause ebenfalls "schwierig" zu organisieren gewesen, sagt Dieter Dohr. Der Chef der Gesellschaft für Handwerksmessen dürfte nun mit Blick auf die kommenden Jahre eine ähnliche Entwicklung erhoffen wie bei den Zirbenholz-Häuschen aus Rosenheim. Heuer aber sei die Messe, die wie gewohnt zusammen mit der "Food & Life" stattfindet, "sicher noch nicht dort, wo wir vor der Pandemie waren". Das zeigt sich nicht nur bei der Besucherzahl: Früher präsentierten rund 1000 Aussteller ihre Waren und Dienstleistungen, nun sind es bis Sonntag etwa 600 - in fünf statt sieben Messehallen.

Für die Besucherinnen und Besucher gibt es dennoch reichlich zu entdecken - etwa ein "Homeoffice in der Hängematte" am Stand der Firma Mira Art aus Bielefeld. Der kleine Familienbetrieb fertigt seit Jahrzehnten Hängesessel aus Biobaumwolle. Und in der Pandemie, als so viele von daheim aus arbeiteten, sei man auf die Idee gekommen, diese sogenannten Traumschwinger mittels Nackenstütze, Seitentasche und einem Sitzkissen als Laptopunterlage zum Büroplatz umzufunktionieren, erklärt Geschäftsführerin Britt Haselbach.

Zwischen 700 und 900 Euro koste solch ein Hängematten-Office, in dem man "total entspannt" arbeiten könne. "Meine Tochter sitzt da stundenlang drin", berichtet die Firmenchefin. "Die schreibt nämlich gerade ihre Masterarbeit." Die Firma sei seit 26 Jahren Stammgast bei der Heim+Handwerk, die Haselbach eine "absolut wichtige Veranstaltung für uns" nennt. Entsprechend sei sie "sehr dankbar, dass die Messe jetzt wieder stattfindet". Denn "gerade den persönlichen Kontakt und auch das Haptische, das hat man im Internet einfach nicht".

Ähnlich klingt das bei Walter Greul, der in Halle B6 am Stand der fränkischen Firma Wema steht. "Für uns sind solche Messen extrem wichtig, weil unser Produkt von den Emotionen lebt", betont Greul - was zunächst irritieren mag, schließlich geht es hier um Tapeten. Doch diese werden nicht aufgeklebt, sondern in flüssiger Form mit einer Kelle aufgetragen. "Wir haben mehr als hundert Designs", erläutert Greul einem Ehepaar, das Halt gemacht hat an seinem Stand. Und sogar LED-Lichter könne man in die Flüssigtapete einarbeiten - "zum Beispiel für einen Sternenhimmel über der Badewanne". Was die Messe angeht, ist Greul ein alter Hase - etliche Male habe er hier schon die Tapeten seiner Firma beworben. "Ich hab's erlebt, dass sich die Menschen gegenseitig auf den Füßen stehen, weil's so voll ist", sagt er.

Messen in München: Walter Greul verkauft flüssige Tapeten, die mit einer Kelle aufgetragen werden.

Walter Greul verkauft flüssige Tapeten, die mit einer Kelle aufgetragen werden.

(Foto: Stephan Rumpf)
Messen in München: Das Start-up "Der Fredel" präsentiert auf der "Food & Life" Pesto in Form von Tabs.

Das Start-up "Der Fredel" präsentiert auf der "Food & Life" Pesto in Form von Tabs.

(Foto: Stephan Rumpf)

Zumindest an diesem Mittwoch geht es ruhiger zu, wenngleich sich vor etlichen Ständen Menschentrauben bilden. Großes Interesse weckt dabei alles, was mit Energiesparen zu tun hat - etwa die Angebote eines Herstellers zur Dämmung mit Holzfasern. Aber auch einige Schritte weiter vor den durchaus energiehungrigen Whirlpools bleiben Leute stehen - sogar vor einem XXL-Jacuzzi, in dessen Wasser ein Champagnerkühler samt Flasche schwimmt.

Deutlich größer ist das Gedränge in der Halle A4 bei der Food & Life - und hier besonders in der "Food-Startup-Area". Unter einem Pinguin-Logo mit dem Schriftzug "Der Fredel" - der Firmenname steht für frisch und edel - trifft man Max Böttcher, der gerade Nudeln mit Pesto zubereitet. Letzteres stelle ihr Start-up aus Seeshaupt am Starnberger See aus frischen und hochwertigen Zutaten her, ehe es schockgefroren und in Form eines Tabs verkauft werde, berichtet Böttcher, der ebenso wie Firmengründer Jamie Eckermann gelernter Koch ist. Bei der Food & Life ist "Der Fredel" erstmals vertreten; den Stand hat das Start-up bei einem Wettbewerb gewonnen.

"Wir wollen die Messe vor allem dazu nutzen, um unseren Bekanntheitsgrad zu steigern", erklärt Böttcher - und wiederholt damit fast wortgleich, was zuvor schon Erhard Seiler vor seinem Tiny House gesagt hat. "Wer glaubt, dass er auf so einer Messe reich wird, der liegt falsch", hat der Unternehmer aus Rosenheim betont. "Aber das Nachfolgegeschäft ist meistens gut."

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