Gleichberechtigung:Wie Ärztinnen Karriere machen

Lesezeit: 3 min

Die Damen von Keck - rechts Leiterin Barbara Cramer. (Foto: Kathrin Czoppelt)

Keck, die Koordinierungsstelle für Chancengleichheit und Karriereplanung an der medizinischen Fakultät der Technischen Universität, fördert seit zehn Jahren junge Frauen im Klinik-Alltag - inzwischen sind erste Erfolge zu feiern.

Von Stephan Handel

Die Grafik ist eindeutig: Die rote Linie beginnt bei 63 Prozent und sinkt von da an kontinuierlich ab. Die blaue hingegen startet tief bei 37 Prozent, ist aber zum Ende auf 85 geklettert. So sieht sie aus, die Realität unter Medizinerinnen und Medizinern. Rot, das sind die Frauen, die während des Studiums noch in der Mehrzahl sind und auch bei den Promotionen leicht vorne liegen, 59 zu 41 Prozent. Bei den Habilitationen allerdings haben die Männer ihre Kommilitoninnen von einst überholt und liegen mit 85 Prozent in Front. Das bleibt auch bei den Professuren so, wo die Frauen bei 15 Prozent stagnieren.

Gut: Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2012, und dass sie jetzt, zehn Jahre später, wenigstens ein bisschen freundlicher aussehen, das darf sich vermutlich auch, zumindest zu einem Teil, Barbara Cramer auf ihre Fahnen schreiben. Sie startete vor zehn Jahren an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität München (TUM) als Einzelkämpferin das Projekt Keck - die "Koordinierungsstelle für Chancengleichheit und Karriereplanung". Mittlerweile ist daraus eine hochgeachtete Einrichtung mit rund einem Dutzend Mitarbeitern geworden. "Wir sind vorangekommen", sagt Cramer, "aber noch nicht in dem Umfang, den wir uns wünschen würden".

Von mehr als 50 Kliniken und Instituten an der Fakultät werden gerade mal fünf von Frauen geleitet. Professorinnen gibt es einige mehr, aber auch hier sind die Männer unverhältnismäßig stark in der Überzahl. Vor allem aber: Viele Frauen verlassen den aufreibenden Betrieb einer Uniklinik, weil sie dort nicht nur Patienten versorgen und lehren müssen, sondern auch noch forschen sollen, wenn sie weiterkommen wollen - und zu diesem zusätzlichen Zeitaufwand sind viele Frauen nicht bereit, zumal wenn sie eine Familie gründen.

Mit Erfolg an der Arbeit: Barbara Cramer. (Foto: Kathrin Czoppelt)

Das allerdings hat auch noch viel mit überkommenem Rollenverständnis zu tun: Auch wenn Frauen voll berufstätig sind, leisten sie täglich noch sechs Stunden Arbeit zu Hause oder mit den Kindern. Männern finden, zwei Stunden täglich sind genug. "Da hat die Frau pro Woche schon 28 Stunden für ihre beruflichen und eigenen Interessen zurückgesteckt", sagt Barbara Cramer. Das ist aber noch nicht alles - vieles liegt auch an weiblicher Selbstwahrnehmung und am Verhalten im Job. In einer Studie, die Cramer und andere 2016 machten, kam heraus, dass 48 Prozent der befragten Frauen meinten, Frauen hätten zu wenig Selbstvertrauen. Noch mehr fanden, die Selbstdarstellung von Frauen sei schlechter.

"Viele Frauen leisten wahnsinnig viel", sagt Cramer, "und meinen: Das wird dann schon mal jemand merken." Männer hingegen würden auch ihre kleineren Erfolge ausführlich bewerben. Dadurch fielen sie bei den Chefs - die ja für die Beförderungen verantwortlich sind - stärker auf.

Im Coaching erfahren Frauen, wie sie auf sich aufmerksam machen

An diesem Punkt anzusetzen, das ist eine der Aufgaben von Keck. Sie tut das durch Beratung und Coaching, indem sie Frauen sagt, wie sie auf sich aufmerksam machen können, wo eventuell ihre Defizite liegen, wie sie besser mit Konflikten umgehen können. Zusätzlich macht sie aber auch auf ausgeschriebene Stellen aufmerksam und hilft, wenn es um die ersten Berufungen geht.

Auch im Klinik-Alltag können Frauen Unterstützung gebrauchen. So gibt es etwa die Möglichkeit, bezahlte Forschungszeit zu bekommen und in dieser Zeit von der Patientenbetreuung freigestellt zu werden. Das freut zwar viele Chefärzte überhaupt nicht, weil die Mitarbeiterinnen dann auf den Stationen fehlen - "aber bezahlte Forschungszeit ist ein ganz wichtiger Baustein auf dem Weg zur Professur", sagt Barbara Cramer. Ihre Stelle ist mittlerweile auch für die Ordinarien zu einem Wissenspool geworden: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft etwa vergibt Forschungsgelder nur mehr, wenn Gleichheitskriterien eingehalten werden. Die Bestimmungen sind aber so kompliziert, dass es Spezialisten dafür braucht - die hat Keck und berät die Institute bei ihren Anträgen.

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Ein wichtiger Baustein im Keck-Angebot ist das Familienzimmer am Sitz des Projekts an der Ismaninger Straße kurz hinter dem Friedensengel: Dort haben Klinik-Mitarbeiter die Möglichkeit, ihre Kinder zur Betreuung abzugeben - etwa, wenn die Kita unvorhergesehen geschlossen ist oder wenn kurzfristig eine Besprechung angesetzt wurde. Bis zu fünf Kinder werden dann von pädagogisch erfahrenen Mitarbeiterinnen betreut.

Vor mehr als zehn Jahren sagte der damalige Präsident Wolfgang Herrmann, die TU solle die frauenfreundlichste Universität Deutschlands werden. Davon ist sie, siehe die Grafik über Karrieren von Männern und Frauen, noch weit entfernt. Aber dass es, wenn auch langsam, vorwärts geht - das ist sicher auch ein Verdienst von Barbara Cramer und Keck.

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