Süddeutsche Zeitung

Münchner Momente:Ausschläge im Big-Mac-Index

Ein Hamburger kostet heute dreimal so viel wie bei der Eröffnung des ersten McDonald's in Deutschland. Über solche Preissteigerungen kann der Münchner Wohnungsmarkt nur lachen. Eine Glosse.

Von Anna Hoben

Ein historisches Ereignis hat sich am Wochenende zum 50. Mal gejährt. Am 4. Dezember 1971 wurde in Giesing der erste McDonald's in Deutschland eröffnet. Ein Hamburger kostete damals 95 Pfennige, im Radio lief "Schön ist es, auf der Welt zu sein." Die Welt war übersichtlich, sechs Produkte hatte die erste Filiale im Angebot: Hamburger, Cheeseburger, Pommes, Cola, Limo und Kaffee. Es gibt ja diese Gerüchte, dass McDonalds's-Essen nicht verrottet, egal wie lange man es aufbewahrt, Monate, Jahre, Jahrzehnte. Und so würde es einen nicht wundern, wenn dereinst, irgendwann nach der 24. Corona-Welle, irgendwo neben einem Giesing-typischen Graffito, eine Zeitkapsel ausgegraben würde. Darin: der erste in München produzierte Burger, die ersten Pommes, makellos wie am ersten Tag.

Es hätte neben dem Verstörenden auch etwas Beruhigendes: Manche Dinge ändern sich nie.

Walter Rettenwender, der erste Filialleiter in Giesing, war damals auch eine Art Kulturdolmetscher, er erklärte den Gästen, dass man den Burger ohne Messer und Gabel isst - "wie eine Leberkäs-Semmel". So hat er es dem Bayerischen Rundfunk erzählt. Bis zur ersten Speisendarreichung durchs Autofenster sollten jedoch noch ein paar Jahre vergehen. Drive-In, das bedeutete fortan, für den Kalorien-Booster den Motor anlassen zu können. Heute denken die Münchner bei einem Drive-In mutmaßlich zunächst nicht an frittierte Stäbchen, sondern an solche, die einem von einer fremden Person kurz in die Nase oder den Rachen gesteckt werden, und anhand derer anschließend ein Testergebnis kredenzt wird, das im positiven Fall negativ ist.

Längst ist die Essenslage unübersichtlich, die Welt sowieso. Für ein klein wenig Übersichtlichkeit sorgte ein Wirtschaftsmagazin, das 1986 erstmals die Preise eines der beliebtesten Produkte der amerikanischen Fast-Food-Kette in verschiedenen Ländern nebeneinander stellte. Der Big-Mac-Index ist bis heute ein Instrument des internationalen Preisvergleichs. Mit dem historischen Preisvergleich verhält es sich so: Der Hamburger, damals für 95 Pfennige zu haben, kostet in Deutschland heute drei Mal so viel. Über eine solche Preissteigerung kann der Wohnungsmarkt nur lachen. Zwischen 1975 und 2019 sind die Münchner Mieten laut Immobilienverband um das Fünfeinhalbfache angestiegen. Getoppt wird das nur vom Bierpreis auf dem Oktoberfest: 2019 kostete eine Maß neun Mal so viel wie 1971.

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