Wenn alles nach Plan läuft, ist es in ungefähr zwei Jahren so weit: 2024 will der Freistaat das neue Strafjustizzentrum am Leonrodplatz in Betrieb nehmen. Knapp zwei Kilometer stadteinwärts, nahe dem Stiglmaierplatz, werden dann riesige Flächen frei. Nur was wird aus dem alten Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße und dem dazu gehörenden Gebäude der Staatsanwaltschaft München I an der Linprunstraße?
Für die Grünen/Rosa Liste, die größte Fraktion im Stadtrat, ist die Sache klar. "Wir halten auf dem frei werdenden Grundstück Wohnbau für die beste Option - und zwar den Bau von bezahlbaren Mietwohnungen", sagt Stadträtin Anna Hanusch. "In dieser Innenstadtlage ist in so einem großen Block auch eine teilweise Mischung mit Gewerbe oder Büros wünschenswert, aber der Schwerpunkt sollte klar beim Wohnen liegen", betont sie.

Newsletter abonnieren:München heute
Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.
Wie viele Wohnungen dort Platz hätten, ist offen. Die derzeitige Bebauung mit 50 000 Quadratmetern Geschossfläche für den Justizbetrieb ist nicht auf Wohnnutzung umzurechnen. Aber mehrere Hundert Wohnungen dürften unterzubringen sein.
Hanuschs Worte haben Gewicht, denn die Planungshoheit hat die Stadt. Wenn der Freistaat als Grundstückseigentümer dort etwas anderes als die derzeit festgeschriebene Nutzung "Verwaltung" machen will, muss der Stadtrat den Bebauungsplan ändern. Und das geht nur mit den Stimmen von Grünen/Rosa Liste und ihrem Koalitionspartner SPD/Volt.
Das Ministerium will im Zentrum bleiben, aber günstiger mieten als jetzt
Deren Fraktionschef Christian Müller ist etwas zurückhaltender als die Grüne Hanusch. Er kenne bisher keine "Änderungsanzeige" des Freistaats, "und das Leben ist kein Wunschkonzert", sagt der SPD-Stadtrat. Aber er ergänzt: "Wir werden keine Steine in den Weg legen, wenn dort Wohnungen entstehen sollen." Drumherum liege ja "ein wunderbares Wohnviertel".
Die Tendenz in der Stadtpolitik könnte den Freistaat in eine heikle Lage bringen. Denn nach SZ-Informationen soll die staatliche Immobilienagentur Imby zwar eine Machbarkeitsstudie für die Entwicklung eines Wohnquartiers, etwa für Beschäftigte der Justiz mit eher niedrigen Einkommen, angestoßen haben. Was daraus wurde, ist aber unklar. Auf eine Anfrage geht das zuständige Bauministerium nicht ein.
Und inzwischen gibt es in der Staatsregierung die Überlegung, an der Nymphenburger Straße eine Dependance des Innenministeriums zu schaffen. Die Behörde wollte schon das Grundstück an der Seidlstraße haben, das der Freistaat nun aber aller Voraussicht nach an Apple vergibt. Nun führe man "Gespräche mit der Imby und dem Bau- und Justizministerium über alternative Flächen", erklärt ein Sprecher von Innenminister Joachim Herrmann (CSU). "Hierbei ist insbesondere auch das genannte Areal an der Nymphenburger Straße Thema." Er erklärt, man brauche eine "möglichst zentrumsnahe Unterbringung auch in der Nähe des Stammhauses am Odeonsplatz" und der anderen Ministerien.
Derzeit hat das Innenministerium nahe dem Marienplatz 12 000 Quadratmeter für eine Monatsmiete von gut 500 000 Euro angemietet. Könnte die Nymphenburger Straße ein Ersatz für diese unangenehm teure Anmietung sein? Antwort von Herrmanns Sprecher: "Ja." Wie viele Quadratmeter das Innenministerium beansprucht, ist noch unklar, das werde "derzeit ermittelt", heißt es.
Letztlich könnte ein Verdrängungsprozess in Gang kommen
Letztlich könnte es zu einem Verdrängungsprozess kommen: Apple verdrängt Ministerium, Ministerium verdrängt günstigen innerstädtischen Wohnraum.
Dabei hätte ein großes Wohnprojekt in bester Münchner Lage hohe politische Symbolkraft. Schließlich hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Jahr 2018 das Ziel ausgegeben, bis 2025 solle die staatliche Gesellschaft Bayernheim 10 000 bezahlbare Wohnungen schaffen. Im Frühjahr 2022 war davon noch keine einzige gebaut, es hatte lediglich einige Ankäufe gegeben. Immerhin begingen Söder und Bauminister Christian Bernreiter (CSU) im Sommer den Spatenstich für 270 von insgesamt 611 Wohnungen, die die andere staatliche Gesellschaft Stadibau am Oberwiesenfeld nahe dem Olympiapark errichtet. Es wird der zweite Bauabschnitt, die ersten 370 Wohnungen sind schon weiter fortgeschritten.

Was also hat das Bauministerium mit dem insgesamt 17 500 Quadratmeter großen Grundstück zwischen Nymphenburger Straße und Linprunstraße vor? Auf einen detaillierten Fragenkatalog zu Plänen und möglichen Nutzungen schickt ein Sprecher Bernreiters ein allgemeines Statement, in dem es heißt, man habe "frühzeitig Untersuchungen eingeleitet", wie die Fläche künftig genutzt werden soll, "diese Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen. Auskünfte zur künftigen Nutzung sind daher noch nicht möglich". Ein weitgehend wortgleiches Statement kommt aus dem Justizministerium, dem der Münchner CSU-Chef Georg Eisenreich vorsteht. Man sei im Austausch mit der Stadt München, heißt es bei beiden.
Dies bestätigt das Planungsreferat der Stadt. Es äußert aber eine Präferenz: Es sei "durchaus ein erheblicher Anteil Wohnen auf dem Areal möglich und erwünscht, insbesondere im rückwärtigen Bereich an der Linprunstraße". Dies sei im Übrigen auch "der letzte Stand der Gespräche" mit dem Freistaat gewesen.
Die Zeit drängt. Zwei Jahre sind in der Stadtplanung nur ein Wimpernschlag
Der Koalitionspartner der CSU auf Landesebene hält sich vorerst raus: "Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es noch verfrüht, bereits über konkrete Forderungen oder Empfehlungen zu sprechen", sagt Hans Friedl, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der Freien Wähler im Landtag.
Und welche Position hat die CSU im Stadtrat? Heike Kainz, planungspolitische Sprecherin der Fraktion von CSU/Freie Wähler, betont zunächst, man könne das Thema erst bewerten, wenn der Freistaat ein Konzept für das Grundstück vorlege. Aber sie ergänzt: "Wir würden es sehr begrüßen, wenn der Freistaat schnellstmöglich alle Pläne und Überlegungen offenlegt." Kainz schickt eine Mahnung hinterher: "Keinesfalls darf die Situation eines Leerstands entstehen."
Das wiederum könnte knapp werden. Die zwei Jahre bis 2024 sind für die Überplanung eines so großen innerstädtischen Grundstücks ein Wimpernschlag. Allein für eine Änderung des Bebauungsplans sind mindestens zwei Jahre anzusetzen. Auch architektonische Planungen, für welche Nutzung auch immer, werden zeitaufwendig.