Wohnen in München:Mieterhöhung in Gottes Namen

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Mietwohnungen in der Görresstraße 25 sollen modernisiert werden. Das Vorgehen der Domus AG ist jedoch fraglich. (Foto: Stephan Rumpf)

In der Maxvorstadt sind etliche Mieter verunsichert, weil ihnen eine Modernisierung samt Mieterhöhung bevorsteht. Einiges daran scheint fragwürdig - das Unternehmen dahinter wirbt für sich mit christlichen Werten.

Von Anna Hoben

Die Briefe kamen Mitte Dezember, Betreff: "Modernisierungsmitteilung". Von der bestehenden Gasversorgung zur Wärmeerzeugung solle ihr Haus umgestellt werden auf Fernwärme, teilte die Domus AG ihren Mietern mit. Das sei klimaverträglicher. Außerdem sollten Bäder modernisiert werden. Die Arbeiten sollten im April beginnen, mit dem Einbau der Steigleitungen. In den Tagen darauf standen die Mieter des Hauses in der Maxvorstädter Görresstraße immer wieder mal im Treppenhaus zusammen und versuchten die Schreiben zu deuten.

Die Domus AG, die die Wohnungen in der Görresstraße vermietet, ist eine hundertprozentige Tochter der Liga Bank eG, die sich als "Dienstleister für die Kirche" versteht. Ein Vorstandsmitglied der Domus AG sitzt auch im Vorstand der Liga Bank. Diese ist 1917 von katholischen Priestern in Regensburg gegründet worden. Es handelt sich laut Selbstbeschreibung um die "älteste und größte katholische Kirchenbank Deutschlands" sowie die "größte Genossenschaftsbank im Genossenschaftsverband Bayern". Weiter liest sich die Eigendarstellung so: "Mit unseren Kunden teilen wir die Wertorientierungen des Christentums. Als Solidargemeinschaft stehen wir in gegenseitiger Verantwortung füreinander." Dass sie im weiteren Sinne also einen kirchlichen Vermieter haben, macht es den Mietern in der Görresstraße umso unverständlicher, wie dieser agiert. Auf mehrmalige Anfragen der Süddeutschen Zeitung reagiert die Domus AG nicht.

André und Sonja Schramm wohnen mit Baby David in der Görresstraße. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Haus in der Görresstraße ist ein einfaches Haus, Baujahr 1956. Die meisten Wohnungen seien vor ein paar Jahren modernisiert worden, erzählen die Bewohner. Sie haben moderne Bäder, eine Gasetagenheizung und Heizkörper in den Zimmern - nicht unbedingt besonders energetisch, aber günstig, was die Heizkosten betrifft. Die Bewohner zahlen etwa 11,50 Euro kalt pro Quadratmeter. Die übrigen Wohnungen haben Fünfzigerjahre-Standard, mit alten Bäder und Gaseinzelöfen. Die Bewohner dieser Wohnungen haben über die Jahre und Jahrzehnte viel selber renoviert, sie bezahlen weniger. In fast allen Wohnungen jedoch sind bisher keine Waschmaschinen erlaubt - wegen der Leitungen. Jeder hat Zugang zu einer eigenen Waschmaschine mit Münzautomat im Keller.

Als die Ankündigungen kamen, sei anfangs nicht recht klar gewesen, was in welcher Wohnung gemacht werden soll - die Schreiben waren offenbar ein ziemliches Durcheinander. Dazu kam, dass sie falsch datiert waren. Die Mieter hätten deshalb sehr schnell aktiv werden müssen, hätten sie wirtschaftliche Härte geltend machen wollen - also gegenüber dem Vermieter begründen, warum sie sich eine höhere Miete nicht leisten können. Nachdem der Mieterverein formale Fehler beanstandet hatte, legte die Domus AG nach und schickte neue, korrigierte Ankündigungen.

Mieter Jan Goldstein. (Foto: Stephan Rumpf)

Modernisierungen sind für Vermieter eine praktische Möglichkeit, die Miete zu erhöhen. Früher konnten sie bis zu elf Prozent der Kosten jährlich auf die Mieter umlegen, und zwar auch dann noch, wenn die Ausgaben sich längst amortisiert hatten. Das führte mitunter zu horrenden Mieterhöhungen. Seit einer Gesetzesänderung, die Anfang 2019 in Kraft getreten ist, gelten andere Regeln: Erlaubt sind nur noch acht Prozent, höchstens aber drei Euro pro Quadratmeter, und das nur für die Dauer von sechs Jahren.

Und genau hier ist einer der Knackpunkte in dieser Geschichte: Die Domus AG will die neue gesetzliche Begrenzung offenbar zum Teil umgehen. So soll bei manchen Mietern zunächst für sechs Jahre die Miete um drei Euro pro Quadratmeter erhöht werden und danach nochmals für sechs Jahre um einen Betrag, der sich von Wohnung zu Wohnung unterscheidet. Bei einer Mieterin bedeutet das, dass ihre Miete um 5,52 Euro pro Quadratmeter steigen würde. In den ersten sechs Jahren um drei Euro, in den darauffolgenden sechs Jahren nochmals um 2,52 Euro.

Bewohnerin Maria Yildirim und ihr Sohn Ertuğru. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Mieterverein hält das für unzulässig. Die Regelung mit der Deckelung sei ja gerade geschaffen worden, um so etwas zu vermeiden, so der Standpunkt der Mieterschützer. Gerichtlich geklärt ist diese Fragestellung allerdings noch nicht, weil das Gesetz noch relativ neu ist. Prinzipiell würde sich die Frage für eine Musterfeststellungsklage eignen, sagt Volker Rastätter, der Geschäftsführer des Mietervereins. Dafür ist das Haus in der Maxvorstadt jedoch zu klein. 15 Wohnungen gibt es dort; für eine Musterfeststellungsklage braucht es mindestens 50 Betroffene.

Zudem, so argumentiert der Mieterverein, handle es sich bei den meisten der angekündigten Arbeiten gar nicht um eine Modernisierung, bei der sich der sogenannte Wohnwert verbessern würde - sondern schlicht um Instandhaltung, die der Vermieter bezahlen muss. Darüber wird ein Gericht entscheiden müssen. Die Domus AG äußert sich gegenüber der SZ auf Nachfrage nicht. Auch nicht dazu, ob es korrekt ist, dass drei Wohnungen im Haus seit Jahren leer stehen, wie die Mieter berichten - eine Dreizimmerwohnung sei seit fünf Jahren unbewohnt. Zurzeit fänden dort Bauarbeiten statt.

Für die Mieterinnen und Mieter sind viele Fragen offen: Beginnen die Arbeiten wirklich wie angekündigt noch im April? Trotz der aktuellen Corona-Krise? Können die Sicherheitsregeln eingehalten werden? Jeder dritte Bewohner des Hauses gehört aus Altersgründen zur Risikogruppe. Einige haben die 80 überschritten. Ein Paar wohnt seit 1956 im Haus - Erstbezug. Eine andere Mieterin lebt seit rund 40 Jahren in ihrer Wohnung. Damals habe sie die Wohnung "vom Amt" bekommen, als Sozialwohnung, die Miete betrug knapp 300 D-Mark. Ein dritter Mieter berichtet, er habe die Wohnung von seiner Großmutter übernommen, die nach dem Krieg als Flüchtling dort eingezogen war.

Mieterin Athanasia Zamani. (Foto: Stephan Rumpf)

Bauarbeiten, die aufschiebbar sind, sollten zurzeit unterlassen werden, hat der Mieterverein vor Kurzem gefordert - zumal, wenn mit viel Lärm zu rechnen ist. "Es kann nicht sein, dass Mieter, die nun im Homeoffice arbeiten, permanent einer extremen Lärmbelästigung ausgesetzt sind und sich so die psychische Belastung noch einmal erhöht", sagt Geschäftsführer Volker Rastätter. Er weist außerdem darauf hin, dass Mieter in den jetzigen Zeiten, in denen Kontakte außerhalb des eigenen Hausstandes aufs Minimalste reduziert werden sollen, in der Regel keine Handwerker in die Wohnung lassen müssen. "Eine Ausnahme sind dringend notwendige Arbeiten - wie bei einem Rohrbruch."

Die Mieter in der Görresstraße jedenfalls sind zutiefst verunsichert. Auf ihre individuelle Situation, so ihr Eindruck, gehe der Vermieter überhaupt nicht ein. Eine Bewohnerin, die alt und krank ist, berichtet, sie solle während der Bauarbeiten in eine andere Wohnung umziehen - wie das gehen soll, kann sie sich nicht vorstellen.

Die schwierige Kommunikation mit ihrem Vermieter sind die Mieter indes schon gewohnt, einen direkten Kontakt zur Domus AG gebe es nicht. Es fehle ein richtiger Ansprechpartner, klagen sie - so wie es früher einen gegeben habe. Viele Jahre lang hatte ein Hausbewohner den Vermieter bei der Verwaltung unterstützt, sich um Reparaturen gekümmert und neue Mieter ausgewählt. Eine weitere Bewohnerin verrichtete Hausmeistertätigkeiten. Mit diesem Arrangement seien sie im Haus immer zufrieden gewesen, sagen die Mieter, doch 2015 beendete es die Domus AG. Seitdem verwaltet eine Firma das Haus; die Erledigung von Reparaturen etwa dauere seitdem deutlich länger als früher.

Der Bewohnerin, die früher die Hausmeisterin war, hat die Domus AG gekündigt. Sie lebt seit mehr als 20 Jahren in der Wohnung. Dem liegt ein Streit um die Betriebskosten zugrunde - viele Mieter beklagen seit Langem, dass die Abrechnungen intransparent seien. Auch zu der Kündigung und einer etwaigen Räumungsklage äußert sich die Domus AG nicht.

Am vergangenen Freitag schließlich, drei Tage vor dem geplanten Start der Bauarbeiten in ihrem Haus, erhielten die Mieter ein Schreiben von der Domus AG. "Der Verbau der Steigleitungen (...) wird zum mitgeteilten Termin nicht stattfinden", teilte der Vermieter knapp mit. "Über die weitere zeitliche Umsetzung der angekündigten Modernisierungsmaßnahmen werden wir Sie in Kürze informieren."

© SZ vom 21.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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